Von Goldrausch-Dampfern und Wohnmobil-Vorfreude
Unser erster Tag in Whitehorse
Auf geht’s nach Frankfurt! Die Autobahn liegt vor uns, und die Stimmung könnte kaum besser sein. Schließlich haben wir das unschlagbare „Park, Sleep & Fly“-Paket gebucht – das bedeutet: stressfreies Reisen mit einem Hauch von Hotelluxus und einem Parkplatz, der nicht unsere Seele kostet. Theoretisch zwei Stunden Fahrt, praktisch natürlich abhängig von den üblichen Verdächtigen auf der Straße. Doch heute scheinen sie alle frei zu haben – wir gleiten geradezu nach Hessen.

Um 21 Uhr rollen wir in Bad Soden ein. Das H+ Hotel empfängt uns mit einem Zimmer, das keinerlei Wünsche offenlässt – höchstens den nach mehr Urlaubstagen. Die Taschen landen schwungvoll in der Ecke, und wir stoßen mit einem wohlverdienten Bier an. Prost, auf die kommenden Abenteuer und auf das herrlich beruhigende Gefühl, endlich unterwegs zu sein.
Natürlich will auch die Bürokratie kurz mitreden: Fraserway braucht noch eine Ankunftsbestätigung, damit wir morgen nicht vor verschlossenen Türen stehen. Kein Drama – ein Anruf, ein fix eingetragener Übergabetermin, und auch dieser Punkt verschwindet elegant von der Liste. Läuft bei uns.

Der nächste Morgen startet ganz ohne Snooze-Taste. Wer im Urlaubsmodus kann schon bis acht Uhr schlafen? Punkt acht sitzen wir am Frühstückstisch – und was für einem! Ein üppiges Buffet, Brötchen, Eier, alles, was das Herz begehrt. Um uns herum eine Senioren-Reisegruppe, die mit militärischer Effizienz ihre Teller bestückt und Kaffee nachfüllt. Wir lassen uns nicht hetzen, und dank des flink agierenden Personals bleibt das Chaos aus.
Unser Flug geht erst um 16 Uhr. Kein Stress also. Wir haben uns für den 11-Uhr-Shuttle eingetragen, um noch genug Zeit zum Bummeln am Flughafen zu haben – oder zumindest so zu tun, als wären wir entspannte Vielflieger. 10:45 Uhr stehen wir an der Rezeption, bereit für den Checkout. Ein schneller Vorgang, sollte man meinen. Doch eine chinesische Großfamilie vor uns sieht das anders. Ihr Zimmer ist erst ab 15 Uhr verfügbar – die Hotellösung klingt simpel: Gepäck abgeben, kurz spazieren gehen, später einchecken. Ihre Lösung: diskutieren. Lange. Intensiv. Mit wachsender Lautstärke.
Am Ende siegt die Resignation der Rezeptionistin, das Gepäck verschwindet in den Storage Room – zumindest für ein paar Minuten. Dann fällt der Familie ein, dass sie „noch etwas brauchen“. Die Koffer werden geöffnet, Schals, Schuhe, Jacken und ein Schirm in eine übergroße Handtasche gestopft. Der Gesichtsausdruck der Mitarbeiterin schwankt zwischen Panik und Fassungslosigkeit, während die Schlange hinter uns immer länger wird. Ein eilendes Paar drängelt sich nach vorne, wir winken es großzügig durch. Und endlich sind wir dran.
Überraschung: Der Shuttle fällt aus. Stattdessen gibt’s ein Upgrade – ein privates Taxi zum Flughafen. Unser Fahrer: gut gelaunt, redselig und herrlich unterhaltsam. Ehe wir uns versehen, stehen wir auch schon am Terminal. 11:30 Uhr, Flughafen Frankfurt. Der Condor-Schalter ist verdächtig leer. Kein Schlangestehen, keine Wartezeit – einfach durch zum Check-in. Das Handgepäck? Natürlich zu schwer. Doch mit einem unschuldigen Lächeln und der Zauberformel „Fotoausrüstung und Laptop“ gibt es keine Diskussion. Bordkarten? Fenster und Gangplatz. Perfekt. Das Abenteuer kann beginnen.

Warten auf den Abflug – mit Stil. Die Zeit bis zum Boarding will schließlich gefüllt werden, und was liegt da näher, als sich durch die glänzende Parallelwelt der Duty-Free-Shops treiben zu lassen? Wir probieren Parfums, die so edel duften, dass wir fast vergessen, wie unser Camper vermutlich riechen wird, wenn wir ihn nach zwei Wochen Yukon öffnen. Wir bestaunen Handtaschen, die mehr kosten als unser Flugticket – und die selbst im Handgepäck nur dann Platz fänden, wenn wir vorher die Sicherheitsweste opfern würden.

Dann stolpern wir in die Whisky-Abteilung, wo ein hochmotivierter Verkäufer uns mit funkelnden Augen in einen Mini-Verkostungsmarathon zieht. „Nur ein kleiner Schluck, um den Unterschied zu schmecken.“ Zehn Minuten später sind wir bestens informiert über Torf, Fasslagerung und Rauchgeschmack – und haben Durst auf etwas Bodenständiges.

Zum Ausgleich landen wir bei McDonald’s. Keine Experimente, keine Fachsimpeleien, einfach ein Burger, der sich nicht für ein Kunstwerk hält. Perfekte Grundlage, bevor der Flieger uns in die Lüfte hebt.
15:30 Uhr, Gate B44. Das übliche Gewusel setzt ein: Leute mit übergroßen Trolleys, die offenbar das Handgepäck-Limit mit einem Augenzwinkern verstanden haben, Kinder mit mehr Energie als die gesamte Boeing und Erwachsene, die sich plötzlich nicht mehr erinnern, wie man eine Schlange bildet. Und doch – das Boarding läuft erstaunlich entspannt.

16:15 Uhr, Startbahn. Wir heben ab. Frankfurt schrumpft unter uns zusammen, die Wolkendecke übernimmt, und das Abenteuer beginnt. Condor überrascht uns: herzliche Crew, schneller Service, Sitze, die auch nach ein paar Stunden noch erträglich sind. Selbst das Essen? Keine kulinarische Glanzleistung, aber solide. Kurz: Wir hatten schon Schlimmeres befürchtet. Während draußen langsam die Sonne im Atlantik versinkt, lehnen wir uns zurück. Das alte Leben liegt unten, das neue Abenteuer wartet oben.

Perfekte Zeitplanung – oder auch nicht. Alles läuft wie am Schnürchen, die Reise verläuft reibungslos, und sogar die Ankunft scheint um ganze 30 Minuten vorgezogen zu werden. Ein seltener Luxus in der Welt des Luftverkehrs! Die Vorfreude steigt. Doch dann meldet sich der Pilot mit einer Durchsage, die den euphorischen Zeitgewinn jäh ausbremst.
Von Frankfurt nach Whitehorse
Ein langsameres Flugzeug hat sich frech vor uns in die Lande-Reihenfolge gedrängelt – quasi der Sonntagsfahrer der Lüfte. Für uns heißt das: Geduld. Während man auf der Autobahn im Zweifelsfall den Blinker setzt und den Schleicher hinter sich lässt, ist Überholen auf 10.000 Metern Höhe eher unpraktisch. Also schaltet der Pilot in den kosmischen Leerlauf, dreht eine elegante Extra-Schleife, und wir hängen im Warteschleifen-Ballett über dem Yukon.
Wir nehmen es gelassen. Es gibt schließlich schlimmere Schicksale, als ein bisschen länger über diese wilde, weite Landschaft zu gleiten. Jede Runde oben verlängert die Vorfreude unten. Außerdem ist es beruhigend zu sehen, dass der Pilot die Maschine lieber elegant kreisen lässt, statt hektisch wie bei Mario Kart durchs Ziel zu brettern. Solange kein Sicherheitsvideo in Endlosschleife läuft und die Crew nicht mit nervösem Zucken durch die Kabine rennt, verbuchen wir das Ganze einfach als Bonus-Rundflug im Reisepreis.

Sanfte Landung, große Maschine, winziger Flughafen. Trotz unseres kleinen Luftballetts über Whitehorse setzt die Boeing 767 butterweich auf. 16:30 Uhr, Punktlandung. Doch während wir noch über die Professionalität der Crew staunen, beschleicht uns beim Blick aus dem Fenster ein anderer Gedanke: Dieser Flughafen trägt zwar das klangvolle Prädikat „International“, wirkt aber eher wie ein besserer Bushalt mit Landebahn. Unsere Maschine steht da wie ein Elefant im Kaninchenstall – die Heckflosse ragt frech über das Terminaldach, als wolle sie sagen: „Zu klein, Leute. Viel zu klein.“
Die Einreisehalle? Minimalistisch. Zwei Schalter, und direkt dahinter schon die Gepäckausgabe. Kürzere Wege gibt es nur im Handgepäckfach. Als wir endlich dran sind, gibt’s prompt eine kleine Überraschung: ein handschriftlicher Vermerk auf unserem Einreiseformular. Stichprobenkontrolle. Jackpot.

Ab ins Büro, bewaffnet mit unserer bis obenhin gefüllten Reisetasche. Die Beamtin, die uns gerade noch am Schalter freundlich „Welcome“ entgegnet hat, steht nun auch hier – Multitasking at its finest. Mit stoischer Miene bittet sie uns, die Tasche zu öffnen. Genau DIE Tasche, die ich vorhin nach einem epischen Ringkampf mit dem Reißverschluss gerade so bändigen konnte.
Und dann passiert’s: Der Zipper fährt auf – und eine textile Explosion entlädt sich mit der Grazie einer platzenden Konfettikanone. Handtücher, Unterwäsche, Kosmetikbeutel – alles springt heraus, als hätte es nur auf diesen Moment gewartet. Die Beamtin bleibt unbeeindruckt, wühlt sich professionell durch unser Chaos, jedes Kleidungsstück einmal vor die Augen gehalten, jedes noch so penibel gefaltete T-Shirt zum Origami-Knäuel umgestaltet. Mein innerer Ordnungsfreak weint leise.
Am Ende ein kurzer Blick auf unser Rückflugticket, ein Nicken, das international gültige „You’re good to go“ – und schon dürfen wir unser Hab und Gut wieder in den Rucksack stopfen. Diesmal ohne System, ohne Schönheit, Hauptsache, der Reißverschluss hält. Willkommen in Whitehorse!
Erik Nielsen Whitehorse International Airport
Der Flughafen gehört jetzt uns. Die Kontrolle hat uns nicht nur ein unvergessliches Einreiseerlebnis beschert, sondern auch eine Art Exklusivführung durch den menschenleeren Bau. Alle anderen Passagiere sind längst verschwunden – vermutlich schon mitten in Whitehorse beim ersten Bier – und wir stehen da wie die Nachzügler auf einer Klassenfahrt. Nur wir und unsere Gepäckinspektorin sind noch übrig. Während wir am Automaten ein paar kanadische Dollars ziehen, lehnt sie entspannt in der Nähe, als würde sie nur darauf warten, uns nach Hause zu bringen. Und tatsächlich: Kaum treten wir durch die Tür, zieht sie seelenruhig den Schlüssel aus der Tasche und schließt hinter uns ab. Zack – Feierabend. Flughafen dicht. Danke fürs Mitmachen.
Hotelshuttle? Klingt easy. Unser Hotel wirbt schließlich mit einem kostenlosen Flughafentransfer – einfach anrufen, wenn man bereit ist. Klingt simpel, oder?
Also wähle ich die Nummer, melde mich freundlich und bitte um Abholung. Am anderen Ende eine ebenso freundliche Stimme: „Welcher Airport?“
Ich schaue Stefan an. Ist das ein Test? Haben wir uns in die falsche Provinz verirrt? „Ähm… Whitehorse International Airport?“
Pause. Dann die nächste Frage: „Welches Terminal?“
Ich drehe mich um. Terminal? Der ganze Flughafen IST das Terminal. Also antworte ich tapfer: „Das einzige Terminal. Genau vor dem grünen Gebäude. Neben der einzigen Tür.“
Aber es wird noch besser: „Was haben Sie an?“
Moment mal – was ist das hier, ein Shuttle oder eine Modenschau? Soll ich jetzt meine Garderobe durchgeben oder gleich eine Vermisstenanzeige aufnehmen lassen? Nach kurzem Zögern wage ich es: „Jeans und ein schwarzes Shirt.“
Mein Gesprächspartner klingt nicht wirklich überzeugt, aber immerhin: Hilfe sei unterwegs. Wir sollen einfach nach einem goldenen Van Ausschau halten – und wenn wir einen sehen, fröhlich winken.
Also stehen wir da, zwei frisch Eingereiste, allein vor einem abgeschlossenen Flughafen, auf der Suche nach einem goldenen Van, der uns anhand unserer Modeauswahl identifizieren soll. Ein Flughafen mit einer Tür, ein Shuttlefahrer mit modischer Neugier und wir mittendrin. Wenn das der Auftakt ist, dann kann dieser Trip nur großartig werden.

Lost in Whitehorse. Da standen wir also: einsam, verlassen, mitten im Nichts. Kein Mensch weit und breit, keine Bewegung, nicht mal eine windgepeitschte Plastiktüte, die für wenigstens ein bisschen Endzeit-Atmosphäre gesorgt hätte. Der Flughafen: abgeschlossen. Die Straße davor: leer. Absolute Endzeitstimmung – nur ohne Zombies, ohne Musik und ohne Dramaturgie.
Doch dann – ein Hoffnungsschimmer! Ganz am Horizont taucht ein Fahrzeug auf. Langsam, bedächtig, fast so, als wolle es den Spannungsbogen absichtlich überdehnen. Ein Van. Ein goldener Van. Stefan und ich sahen uns an, nickten wortlos, und wir begannen zu winken – nicht elegant, sondern mit der Verzweiflung von Kreuzfahrtgästen, die gerade sehen, wie ihr Schiff ohne sie ablegt.
Und siehe da: Es wirkte! Der Van hielt. Aus dem äußerlich großzügig mit Rost veredelten Gefährt stieg eine junge asiatische Frau mit dem freundlichsten Lächeln des Yukon. Ein kurzer Gruß – und klar war: Das ist unser Shuttle. Zum Glück haben wir so enthusiastisch gewedelt, sonst wäre sie vermutlich einfach weitergefahren.
Keine fünf Minuten später hielten wir vor unserem Hotel. Und jetzt kam’s: Unsere Fahrerin war nicht nur Shuttlefahrerin, sondern auch gleich Mitbesitzerin des Hotels – und, wie wir erfuhren, zusammen mit ihrem Mann stolze Betreiber eines kleinen Taxiunternehmens. Ein Familienbetrieb mit cleverem Geschäftsmodell.

Das Hotel selbst? Charmant und erstaunlich praktisch. Unsere Gastgeberin gab uns eine schnelle Führung: Bad, Küche, Essbereich, Zimmer. Die Küche stand uns jederzeit offen, kleine Aufkleber auf den Schranktüren erklärten geduldig, was sich dahinter verbarg. DIY-Frühstück am nächsten Morgen? Check.

Wir stellten unser Gepäck ab, gönnten uns eine kurze Verschnaufpause – und dann nichts wie los. Zu Fuß hinein in die Innenstadt von Whitehorse. Endlich konnte die Reise richtig beginnen. In dieser stillen, rauen und gleichzeitig faszinierenden Ecke der Welt, wo sogar ein goldener Van wie ein göttliches Zeichen wirkt.
Wir gehen ein wenig spazieren. Whitehorse – klein, aber oho. Mit seinen knapp 25.000 Einwohnern ist die Stadt zwar nicht größer als eine deutsche Kleinstadt mit Baumarkt und drei Kreisverkehren, aber hier oben im Norden ist sie die unangefochtene Metropole des Yukon. Klingt nach wenig? Nicht hier! Drei von vier Yukon-Bewohnern leben in Whitehorse. Der vierte? Den hat wahrscheinlich die Wildnis verschluckt, irgendwo zwischen Bärensichtung und Angeltrip.
Die Stadt liegt auf einem Plateau, eingerahmt vom Yukon River, der sich über Jahrtausende durch die Landschaft gefräst hat – ein Fluss, der eher nach „epische Westernballade“ klingt als nach Spaziergang. Platz gibt es hier genug, und mittendrin unser Hotel, nur ein paar Blocks von Downtown und dem Flussufer entfernt.

Unsere erste Erkundungstour führt uns direkt ans Wasser. Der River Walk schmiegt sich an den Fluss, und mit jedem Schritt saugen wir ein bisschen mehr von dieser rauen, charmanten Atmosphäre auf. Und dann taucht sie auf: die SS Klondike.
Ein Koloss aus einer anderen Zeit, der Schaufelraddampfer schlechthin. Einst war sie der Lastenesel des Goldrauschs, der Herzschlag des Yukon. Heute steht sie als Denkmal am Ufer – fest verankert auf dem Boden. Kein Wasser, kein Schaukeln, kein romantisches Plätschern. Aber dafür umso imposanter. Majestätisch thront sie da, als wolle sie sagen: „Ja, Leute, ohne mich ging hier früher gar nichts.“
Erbaut 1929, fuhr sie einst von Whitehorse nach Dawson City – 720 Kilometer in 36 Stunden. An Bord: hoffnungsvolle Goldsucher, Geschäftsleute mit glänzenden Augen und jede Menge Fracht. Für die damalige Zeit war sie die Autobahn des Nordens, nur mit mehr Abenteuer und weniger Raststätten. Man kann fast das Stampfen der Maschinen hören, das Schaufelrad, das Wasser aufpeitscht, und das Rufen der Matrosen, die zwischen Goldsäcken und Whiskeykisten hin- und herrennen.

Für uns ist die SS Klondike der perfekte erste Eindruck von Whitehorse: wild, geschichtsträchtig, voller Charakter – und ein bisschen so, als wäre man direkt in eine Szene aus „Der letzte Countdown“ gestolpert. Nur eben ohne Zeitloch, dafür mit Abendsonne über dem Yukon.
Nach diesem kurzen, aber eindrucksvollen Sprung in die Vergangenheit spazieren wir gemütlich zurück in Richtung Stadtzentrum. Ein Stopp im Visitor Center bringt uns nicht nur Kartenmaterial und ein paar nützliche Tipps, sondern auch etwas, das hier fast den Status von Goldstaub hat: kostenloses WLAN. In einem Landstrich, in dem Empfang oft so zuverlässig ist wie ein Lottogewinn, ist das fast ein Jackpot. Also schnell ein paar Grüße in die Heimat verschickt – Beweis erbracht, dass wir noch leben und nicht von einem Bären als Mitternachtssnack verbucht wurden.
Weiter geht’s auf die Main Street von Whitehorse. Wir lassen uns treiben, neugierig, was diese kleine Metropole noch so bereithält. Schon jetzt wirkt Whitehorse wie eine Mischung aus Wildnis-Außenposten, Pioniergeschichte und urbanem Versuchslabor – und genau diese Mischung macht den Reiz aus.
Nach einem ausgiebigen Stadtbummel meldet sich plötzlich ein unüberhörbarer Begleiter: der Hunger. Keine große Diskussion, die Entscheidung fällt einstimmig. Unser Ziel: das Dirty Northern Public House, ein Name wie aus einem Western, aber mit modernem, rustikalem Charme. Die Burger dort genießen Legendenstatus, und wir wollen wissen, ob die Gerüchte stimmen.
Dirty Northern Public House
Sie stimmen. Saftige Patties, goldbraune Brötchen, die richtige Menge Beilagen – kein kulinarischer Paukenschlag, aber die Sorte Essen, die dich satt, glücklich und ein kleines bisschen verliebt macht. Ein klarer Volltreffer.
Satt und zufrieden trotten wir zurück – doch halt, ein Zwischenstopp drängt sich auf. Der Real Canadian Superstore liegt auf dem Weg, und wir wissen: In Kanada muss man Einkäufe strategisch planen. Heute reicht es für Wasser und ein bisschen Orientierung im Regal-Dschungel. Morgen, wenn wir den Camper übernehmen, schlagen wir hier richtig zu. Dann heißt es: Einkaufswagen vollmachen für das echte Yukon-Abenteuer.

Heute nur ein kleiner Probelauf, morgen die große Schlacht. Denn wenn wir eines schon gelernt haben: Ein Camper mag zwar viel bieten, aber ohne Vorräte wird er schnell zum rollenden Fastentempel.
Vom Superstore bis zum Hotel sind es gerade einmal zehn Minuten zu Fuß – perfekt, um das abendliche Whitehorse noch einmal in Ruhe aufzusaugen. Die Straßen sind still, das Licht über dem Yukon golden, und die Stadt wirkt wie im Halbschlaf. Angekommen an unserer Unterkunft dämmert uns allerdings eine Erkenntnis: Unser „Hotel“ ist in Wahrheit ein ganz normales Wohnhaus.

Die Tür geht auf – und plötzlich stehen wir mitten in einem Familienidyll. In der Küche und im Esszimmer hat sich eine asiatische Großfamilie zum Abendessen versammelt. Teller klappern, Stimmen durcheinander, ein herzliches Chaos. Wir nicken höflich in die Runde, als wären wir schon ewig Teil der Familie, und schleichen uns unauffällig die Treppe hoch in unser Zimmer.
Dort angekommen, holt uns die Müdigkeit mit voller Wucht ein. Die Koffer bleiben halb ausgepackt stehen, wir kippen ins Bett und sind schneller weg als man „Yukon River“ sagen kann.
Morgen ist der große Tag: die Übergabe unseres Campers. Ein rollendes Zuhause, vier Räder voller Abenteuer und die Freiheit, einfach loszufahren. Die Vorfreude? Jenseits von messbar. Ein völlig neuer Abschnitt unserer Reise beginnt – und wir können es kaum erwarten, ihn aufzuschlagen.