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Sightseeing in Salt Lake City
und eine spannende Fahrt nach Kanab

Der neue Tag beginnt früh – aber nicht zu früh, um voller Vorfreude zu sein. Die Müdigkeit vom Vortag ist über Nacht irgendwo zwischen Motelkissen und Zimtbutter verschwunden, und wir stehen bereit, um  Salt Lake City in der Morgensonne zu entdecken.  Ein halber Tag klingt knapp? Mag sein. Aber wir sind geübt darin, auch in wenigen Stunden  eine ganze Menge Erinnerungen einzupacken.

Zunächst aber:  Frühstück. Der Hotelfrühstücksraum empfängt uns mit der typischen Duftmischung aus Kaffee, Sirup und leicht überhitztem Toaster. Auf dem Buffet:  frisch gebackene Waffeln , die sich zu kleinen Kalorienmonumenten auftürmen – liebevoll dekoriert mit Sahne, Sirup und der stillschweigenden Zustimmung, dass heute niemand auf Diät ist.

Daneben:  Bagels mit Frischkäse , Marmelade, Rührei in Wärmewannen und diese mysteriösen Plastikbecher mit Orangensaft, der irgendwie nach Reinigungsmittel schmeckt, aber auf charmante Art.  Amerikanisches Frühstück – irgendwo zwischen Zuckerrausch und Kindheitserinnerung.

Frühstücksbuffet

Der Kaffee dampft, der Zucker wirkt, und um 7:30 Uhr sind wir startklar. Satt, wach und bereit,  das Beste aus diesem knappen City-Fenster herauszuholen. Unser erstes Ziel: der Ensign Peak Park. Wir haben gehört, dass man von dort oben eine Aussicht bekommt, die einem kurz den Atem raubt – nicht, weil der Weg so steil ist (wobei… das sehen wir dann), sondern weil sich dort  die Natur und die Skyline die Hand reichen.

Von hier aus sollen sich die  dunkelgrünen Wälder , die sanften Hügel,  die schneebedeckten Gipfel der Wasatch Mountains  und  die Innenstadt von Salt Lake City  gleichzeitig zeigen. Und das alles im warmen Licht des Morgens, wo selbst Strommasten irgendwie ästhetisch wirken.

Die Stadt wird später bestimmt noch mit Überraschungen aufwarten – Museen, Tempel, Donutläden –, aber jetzt gehört der Moment der Natur. Dieser ruhige, klare Start in den Tag erinnert uns daran, warum wir das Reisen lieben. Weil jeder Ort, egal wie kurz besucht, uns diesen einen Augenblick schenken kann, der bleibt.  Magie in der Morgenluft.

Schon am Trailhead – dem Startpunkt unseres kleinen Morgenabenteuers –  zeigt sich:  Früh aufstehen lohnt sich. Wir finden völlig stressfrei einen Parkplatz – und das  mitten in einer eleganten Wohngegend , in der jeder Briefkasten vermutlich mehr Stil hat als unser ganzes Reisegepäck.  Der perfekte Start in den Tag: ruhig, gepflegt, ein Hauch von Upper-Class-Flair.  Hier spaziert man nicht einfach los –  man flaniert.

Ensign Peak Park

Der Weg zur Aussichtsplattform?  Kurz, angenehm, kein Drama.  Kein Husten, kein Keuchen, kein „Ich warte hier, geh du schon mal“. Stattdessen ein sanfter Anstieg, fast wie ein höflicher Spaziergang zum schönsten Fotospot der Stadt.  Und das Beste: Nach nur wenigen Minuten sind wir oben – und werden belohnt. Vor uns breitet sich  Salt Lake City  aus –  wie eine aufgeschlagene Schatzkarte aus Licht und Struktur. Die Sonne steht noch tief und wirft ihr goldenes Licht auf Dächer, Straßen und Parks, während die  Wasatch Mountains im Hintergrund fast filmreif den Rahmen bilden.  Die Skyline wirkt wie aus einem Architektur-Modell gegossen – nur eben in echt.

Wir stehen oben, schauen uns um. Der Blick ist beeindruckend.  Und ja, vielleicht gibt’s für einen Moment ein kleines Innehalten –  kein pathetisches Schweigen, aber dieses kurze, gemeinsame „Wow“.  Salt Lake City liegt unter uns, eingerahmt von Bergen, das Morgenlicht tut sein Übriges.  Es ist schlicht… schön. Punkt.

Nach einer Weile – die Aussicht genossen, die ersten Fotos im Kasten, die Sonne langsam höher geklettert – machen wir uns auf den Rückweg in die Stadt.  Fürs Bummeln durch Läden ist es noch zu früh, die Türen sind noch zu, die Bürgersteige noch halb eingerollt.  Was also tun? Ganz klar: Ab zum Utah State Capitol.  Und siehe da –  wie durch ein kleines Wunder  finden wir in Capitolnähe  einen kostenfreien Parkplatz.  Kein Ticketautomat, kein Parkzeitlimit, kein „nur mit Genehmigung Nummer 87“ –  einfach so.  Wenn das kein gutes Omen ist, wissen wir auch nicht.

Das State Capitol von Utah thront stolz über der Stadt , als wolle es sagen: „Wenn schon Hauptstadt, dann mit Aussicht.“ Der  neoklassizistische Baustil  hat so gar nichts von „Verwaltung“, sondern mehr von  Washington im Kleinformat  – mit dicken Säulen, breiten Treppen und einer Kuppel, die sich nicht verstecken muss. Rundherum: ein gepflegter Park, ein paar Spaziergänger, viele Eichhörnchen mit Beschäftigung.

Utah State Capitol

Der Zugang ist frei , kein Sicherheitscheck, kein Eintritt – einfach reingehen. Und das lohnt sich: Schon die Rotunde ist ein Statement. Groß, hell, luftig – mit riesigen Wandgemälden, glänzendem Marmorboden und diesen monumentalen Treppenaufgängen, bei denen man sich kurz überlegt, ob man jetzt dem Gouverneur begegnet oder doch Scarlett O’Hara.  Ein bisschen viel Pathos? Ja. Aber eindrucksvoll? Ebenfalls ja.

Direkt am Eingang stoßen wir auf die  Visitor Information , wo man freundlich, aber ohne viel Aufhebens kleine Flyer, Infos zur Baugeschichte und einen Hauch Utah-Pädagogik verteilt. Besonders spannend:  die Verbindung zur Geschichte der Mormonen , die hier nicht nur den Tempel, sondern auch ein gewaltiges Stück Stadtgeschichte mitgeprägt haben. Man kann hier alles auf eigene Faust erkunden, durch die breiten Flure schlendern, einen Blick in den Sitzungssaal werfen – und fühlt sich dabei  nicht wie ein Tourist, sondern eher wie ein zugelassener Beobachter.

Utah State Capitol

Und ja, ein paar Fotos müssen sein.  Die Kuppel, die Lichtstimmung, die Details –  dieser Ort schreit förmlich nach einem Weitwinkelobjektiv. Aber was uns wirklich hängen bleibt, ist das Gesamtgefühl:  Ein Ort, der mehr ist als nur Kulisse.  Irgendwo zwischen Regierungsalltag und stiller Größe, zwischen Lokalgeschichte und großer Geste. Und vor allem:  ein richtig guter Start in den Tag.

Nach dem eindrucksvollen Capitol-Besuch führt uns unser Weg – natürlich ganz weltlich – zu Harley Davidson of Salt Lake City. Ein kurzer Boxenstopp, ein neues T-Shirt für die Sammlung, ein bisschen Stöbern im Verkaufsraum –  mehr braucht’s nicht.  Danach sind wir bereit für das Stadtleben.

Die Suche nach einem kostenlosen Parkplatz in Downtown scheitert erwartungsgemäß.  Klar, es ist spät am Vormittag, das Timing ist nicht mehr ganz auf unserer Seite. Aber immerhin finden wir eine bezahlbare Alternative –  praktischerweise direkt vor der Tür der Squatters Brewery , die ohnehin unser Ziel fürs Mittagessen ist.

Salt Lake City Harley Davidson

Weniger Parkplatzsuche, mehr Freizeit – wir nehmen’s. Bei strahlend blauem Himmel  machen wir uns auf,  Downtown Salt Lake City  zu erkunden. Die Straßen wirken aufgeräumt, fast ein bisschen zu ordentlich – aber  es ist Leben in der Stadt , das merkt man sofort. Kein wilder Trubel, aber  eine angenehme Mischung aus Geschäftigkeit und Gelassenheit. Salt Lake City mag mit ihren rund 180.000 Einwohnern eher kompakt sein , ist aber  trotzdem die größte Stadt Utahs – und das spürt man.  Kulturell, wirtschaftlich und vor allem religiös ist sie das Zentrum des Staates.  Gegründet wurde sie 1847 von den Mormonen , und bis heute ist sie das spirituelle Herz der „ Church of Jesus Christ of Latter-day Saints “ – kurz: der Mormonenkirche.

Der Temple Square ist dabei so etwas wie der Nullpunkt des urbanen Koordinatensystems. Hier treffen alle Himmelsrichtungen aufeinander – geografisch und symbolisch. Und mittendrin:  der Salt Lake Temple , das bekannteste und wohl meistfotografierte Gebäude der Stadt.  Ein neugotisches Monument mit sechs Türmen und einer goldenen Statue auf der Spitze – beeindruckend, auch wenn man mit Religion wenig am Hut hat.

Salt Lake Temple

Leider erwischen wir  nicht den besten Moment  für einen Besuch. Der gesamte Bereich rund um den Tempel  ist aktuell eine Baustelle. Große Renovierung, Gerüste, frisch ausgehobene Beete statt Blütenpracht.  Die Stimmung ist – sagen wir – reduziert.

Aber wir kennen den Ort ja noch anders:  Vor zwei Jahren standen wir hier bei Sonnenschein, offenen Gebäuden und perfekt gepflegten Gartenanlagen.  Der Kontrast ist groß – aber die Erinnerungen machen ihn erträglich. Trotzdem: Der Tempel beeindruckt. Selbst durch Bauzäune hindurch. Man spürt, dass dieser Ort Bedeutung hat – für viele Menschen, für die Stadt, für die Geschichte Utahs. Und genau das ist es, was Salt Lake City ausmacht:  nicht die Größe, nicht die Skyline – sondern die Mischung aus Symbolik, Historie und Alltagsleben.

Unser nächster Stopp führt uns ins City Creek Center – praktischerweise direkt neben dem Temple Square gelegen. Diese Mall ist nicht einfach ein Einkaufszentrum –  sie ist das Gegenteil von Einkaufszentrum-Stress.  Modern, offen, hell – mit Architektur zum Durchatmen statt Verlaufen. Alles wirkt gepflegt, ruhig, aufgeräumt –  kein Neon-Gebrüll, keine dröhnende Popmusik, keine Schnäppchen-Beschallung.  Stattdessen: stilvolle Läden, breite Gänge und Menschen, die wirken, als hätten sie das mit dem entspannten Einkaufen verstanden.

City Creek Center

Das wirklich Besondere?  Ein kleiner, echter Bach , der mitten durch das Center fließt. Mit Steinen, Brücken, kleinen Wasserfällen –  und einer Geräuschkulisse, die mehr nach Naturpark klingt als nach Kaufhaus. Brunnen, Wasserspiele, Plätschern statt Kassenpiepsen  – und an einem sonnigen Tag wie heute ist das fast schon Wellness. Wir schlendern gemütlich durch die Mall , und mein Blick bleibt plötzlich hängen –  Disney Store. Ein magischer Moment. Nicht für jeden – aber für jede  Oma mit Enkelkindern definitiv.  Direkt davor entdecke ich eine dieser komfortablen Sitzgruppen, die offenbar  nur für Stefan  dort hingestellt wurde.  Er parkt sich sofort ein.

Ich? Nutze das kostenfreie WLAN.  Videocall nach Hause, natürlich mit Live-Führung durch den Disney-Laden.  Unser Enkelkind ist begeistert, ich auch, und Opa übernimmt ohne Murren den Bezahlprozess.  Ein Rollentausch, wie er im Bilderbuch steht. Und wenige Minuten später bin ich stolze Besitzerin – besser gesagt: Trägerin – von vier überdimensionalen Disney-Plüschfiguren. Wir verlassen die Mall also mit vollen Händen, vollen Herzen und einem leicht überforderten Opa –  und einem ganz besonderen Shoppingmoment, den ich nicht so schnell vergessen werde.

Disney Kuscheltiere

Gegen Mittag meldet sich der Hunger – und zwar deutlich. Also machen wir uns auf den Weg zum  Squatters Brew Pub , wo unsere Disney-Ausbeute erstmal sicher im Auto verstaut wird. Plüschfiguren im Fond, Oma mit Appetit – die Reihenfolge stimmt.

Beim Betreten des Restaurants begrüßt uns der Duft frisch zubereiteter Speisen , und in dem Moment wird klar: Der Buffalo Burger ist kein Wunsch mehr, sondern ein festes Ziel. Die Einrichtung? Gemütlich, ein bisschen hip, mit Backsteinwänden, hohen Decken und der  genau richtigen Mischung aus Pub-Flair und Gastro-Kompetenz. Wir bestellen beide den Buffalo Burger , der nach der Shoppingtour wie ein Fünf-Gänge-Menü wirkt – saftig, würzig, genau richtig. Stefan bleibt pflichtbewusst beim alkoholfreien Getränk – schließlich sitzt er später noch am Steuer.

Squatters Pub

Ich hingegen gönne mir nach Wochen der Abstinenz ein kühles Bier – gestern habe ich endlich meine letzte Antibiotika-Tablette genommen, und das muss gefeiert werden. Das erste. Und was soll ich sagen? Es schmeckt wie der Beginn von Freiheit.  Wir stoßen an – auf das Ende der Medizin und den Anfang der Weiterfahrt.

Nach dem Essen steht noch ein kleiner Abstecher bei ROSS und Target an. Man kann schließlich nie genug  Kinder- und Babysachen  haben – vor allem, wenn man Oma ist. Mission erfüllt, Tüten verstaut, Stimmung: bestens. Nachdem wir uns bei  ROSS und Target mit Kinder- und Babysachen eingedeckt  haben, machen wir uns wieder auf den Weg – diesmal in Richtung  Kanab . Ein kleines Städtchen im Süden Utahs, das für uns allerdings  kein Zwischenstopp, sondern fast schon ein Sehnsuchtsort  ist. Kanab ist für uns das, was für andere Paris oder New York ist – der Dreh- und Angelpunkt für große Abenteuer.

Hier haben unsere Roadtrips schon oft hingeführt.  Bryce Canyon? Zion? Lake Powell? Vermillion Cliffs? Alles um die Ecke. Aber es ist vor allem  ein Ort , der uns immer wieder ruft: Die legendäre WAVE in den Coyote Buttes North. Vor zwei Jahren hatten wir unglaubliches Glück:  zwei Permits bei der Online-Lotterie gewonnen –  ein Erlebnis, das wir nicht mehr loslassen.  Wer denkt, einmal WAVE reicht – der war nie dort.  Es zieht einen zurück. Immer wieder.

Diesmal versuche ich es mit der Walk-In-Lotterie. Persönlich, vor Ort, mit Nervenkitzel. Der Gedanke,  in einem Raum voller Menschen zu sitzen, alle mit dem gleichen Traum , und dann zuzuschauen, wie  eine Handvoll Permits  vergeben wird, ist fast schon absurd spannend. Und falls der eigene Name gezogen wird –  dieser Moment! Ein kollektiver „Oooooh“, ein „Yesss“ von der eigenen Bankreihe, ein innerer Luftsprung. Allein der Gedanke daran  kribbelt schon jetzt.

Und so verlassen wir Salt Lake City Richtung Süden – der Tank ist voll, der Magen ebenfalls, und die Vorfreude auf das, was kommt, schaltet alle Müdigkeit aus. Vor uns: die Interstate 15 , unser langgezogener Begleiter durch Utahs Zentralachse.  215 Meilen liegen vor uns , aber wir sind vorbereitet: Musik läuft, Getränke stehen griffbereit, und  die Landschaft… naja.

Zu Beginn etwas eintönig.  Viel braun, viel geradeaus, ein bisschen „Haben wir das nicht eben schon gesehen?“ Aber wir wissen: Das hier ist  nur das Vorspiel. Irgendwann – nach gefühlt zehn Podcasts und einem halben Gummibärchenvorrat – biegen wir ab auf den  Highway 20 Richtung Westen. Und plötzlich: Veränderung. Die Landschaft wird  abwechslungsreicher , Hügel, Wälder, erste Kurven.

Utah State Route 20

Ein bisschen wie das Umschalten vom Fernsehschlaf in den Reisemodus. Nach etwa 20 Meilen nehmen wir die nächste Abzweigung –  Highway 89. Und  jetzt wird’s richtig schön. Der 89er ist eine dieser Strecken, bei der man auch nach 50 Bildern nicht aufhört, nach dem nächsten Fotomotiv zu suchen. Kurven, Ausblicke, Lichtstimmungen –  Utah zeigt, was es kann.

Und je näher wir unserem Ziel kommen, desto mehr steigt diese typische Kanab-Vorfreude. Das kleine Städtchen, das bei uns längst Legendenstatus hat. Bevor wir dort ankommen, passieren wir noch einen alten Bekannten:  Panguitch. Ein kleiner Ort, der sich mit seiner Backsteinfassade, dem NAPA-Auto-Shop und dem nostalgischen Schild am Cowboy-Diner  nicht verändert zu haben scheint. Und ja – hier liegt sogar noch Schnee.  Nicht viel, aber genug, um die Landschaft in ein leichtes Winterkostüm zu kleiden.

Downtown Panguitch

Bryce Canyon ist hier gleich um die Ecke , und allein der Gedanke an die roten Felsen, die Hoodoos und das glühende Abendlicht zaubert uns ein Grinsen ins Gesicht. Wir waren schon so oft hier – und trotzdem hat der Gedanke an Bryce immer noch etwas Magisches.

Während wir durch Panguitch rollen, läuft im Radio ein Country-Song – und für einen kurzen Moment fühlt sich alles an wie aus einem amerikanischen Roadmovie. Nur mit weniger Staub, mehr Kaffee – und ziemlich guter Gesellschaft. Um 19 Uhr ist es endlich so weit: Wir rollen in Kanab ein. Das Licht ist weich, die Straßen vertraut, und dieser Ort fühlt sich sofort wieder an wie ein Lieblingspulli –  man schlüpft rein, und alles passt. Unsere Unterkunft für die nächsten vier Nächte: das nagelneue La Quinta Hotel.

La Quinta Kanab

Und ja – neu heißt hier wirklich neu. Beim Betreten der Lobby fühlt sich alles an wie gerade erst ausgepackt:  helle Farben, moderne Einrichtung, frischer Teppichgeruch statt altem Reinigungsmittel-Mief.

Die Rezeption glänzt, die Decke leuchtet grün, und irgendwo im Hintergrund murmelt ein Flachbildschirm beruhigend vor sich hin. Unser Zimmer? Geräumig, stylisch, sauber – mit einem Bett, das schon beim ersten Hinsetzen das magische Geräusch von „Hier bleib ich“ von sich gibt. Die Vorhänge sind nicht nur Dekoration, sondern funktionieren tatsächlich. Das Bad glänzt, ohne dass man sich fragt, mit was. Und  das WLAN läuft stabil, ohne dass man sich dafür in der Lobby an die Wand drücken muss. Fazit: Gelandet. Angekommen. Klare Empfehlung.

Vier Nächte hier – und wir sind bereit für alles, was kommt:  Slot Canyons, Sandpisten, Permit-Lotterie. Die Vorfreude auf die kommenden Tage? Jenseits von messbar. Kanab ist – wie immer – der perfekte Ausgangspunkt:  ideal gelegen, überschaubar, sympathisch , und drumherum lauert  eine ganze Welt aus rotem Fels, staubigen Pfaden und Naturwundern.  Morgen geht’s los – und wir können es kaum erwarten,  wieder in die dramatische Kulisse Utahs einzutauchen.

Doch erst mal: Abendessen. Dieses Mal haben wir uns vorgenommen,  ein paar Restaurants auszuprobieren, die bisher auf unserer „Müssen-wir-mal-hin“-Liste standen. Unsere Wahl fällt auf das Wild Thyme Café  – ein Lokal, das uns schon beim letzten Besuch durch seine hübsche Außenfassade aufgefallen ist. Heute ist es so weit.

Wild Thyme Cafe

Das Restaurant ist voll – ein gutes Zeichen. Wir haben Glück:  Der letzte freie Tisch ist unserer.  Keine Wartezeit, keine Warteliste –  einfach rein und los. Drinnen herrscht eine angenehme Atmosphäre:  entspannt, aber lebendig, modern, aber nicht überkandidelt. Man merkt sofort:  Hier wird Wert auf Qualität gelegt.

Unsere Kellnerin kommt mit einem Strahlen, das fast schon professionell wirkt, aber dennoch ehrlich.  Sie schwärmt von zwei persönlichen Favoriten:  dem  Shredded Chicken Verde , einem geschmorten Hühnchen in grüner Soße, und dem  Cliff Hanger , einem Burger, der laut ihr zu den besten in ganz Kanab zählt.

Cliff Hanger

Klingt gut – nehmen wir. Und siehe da:  Der Cliff Hanger sieht aus wie ein Food-Festival auf einem Teller. Das Chicken dagegen eher… unscheinbar. Ehrlich gesagt: optisch kein Knaller.  Ein bisschen blass, ein bisschen formlos – nicht gerade Instagram-Material.

Aber dann der erste Bissen – und plötzlich ist alles egal. Zart geschmort, würzig, überraschend lecker.  Die grüne Sauce bringt genau die richtige Mischung aus Säure, Schärfe und Frische mit –  eine echte Geschmacksexplosion , die das Auge großzügig übergehen lässt.

Chicken Verde

Manchmal sind es genau diese unscheinbaren Gerichte, die einen umhauen.  Der Moment, in dem man den Löffel hebt und merkt: „Okay, das ist richtig gut.“ Gut, dass wir auf die Empfehlung gehört haben. Man muss eben manchmal was wagen. Und das hat sich gelohnt.

Zurück im Hotel , mit vollem Bauch und leichtem Fresskoma, checke ich noch kurz die Nachrichten – und bleibe an einer Meldung hängen, die mich kurz aus der Kanab-Idylle reißt: Die USA haben die Grenzen für Deutschland und andere Schengen-Staaten wegen Corona geschlossen. Mein erster Gedanke: „Puh. Glück gehabt.“

Wir sind Dienstag gelandet –  zwei Tage vorher, alles richtig gemacht. Ein kurzer Moment der Erleichterung mischt sich mit einer Prise Unruhe. Also schnell auf die Condor-Seite – Rückflug checken. Status:  Alles sieht gut aus.  Ich atme durch. Und dann kommt er wieder, der Gedanke, der mich schon seit Tagen begleitet: Morgen ist die Wave Lottery. Und obwohl es nicht mein erstes Mal ist,  kribbelt’s trotzdem.

Was, wenn wir diesmal wirklich gezogen werden? Ich versuche, den Kopf auszuschalten. Aber so ganz lässt sich die Vorfreude nicht beruhigen. Nicht heute. Nicht in Kanab.

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