Markt in Bardolino, Salami in Limone
dazwischen Malcesine und ein bisschen Cabrio-Feeling

Wir haben uns einen der beiden knallroten Fiat 500 Cabriolets vom Campingplatz gemietet – knuffige kleine Flitzer, die aussehen, als hätte jemand einem Matchbox-Auto Leben eingehaucht.

Übergabe: neun Uhr an der Rezeption. Wir – deutsch, effizient, roadtrip-erprobt – stehen natürlich schon zehn vor neun bereit. Mit dem entschlossenen Blick von Menschen, die ihre Tagesplanung in einem farblich sortierten iCal-Kalender führen.

Die Autos? Fehlanzeige. Fabrizio, der Campingplatzchef, wird nervös. Funkt seinen Sohn an – Funkgerät, Handy oder Telepathie, man weiß es nicht – jedenfalls wirkt seine Stimme wie Espresso unter Druck: „Wo sind die Fiats?!“

Der Sohn findet die Fahrzeuge – bei den vorherigen Mietern. Direkt am Stellplatz. Mitgenommen. Behalten. Quasi entführt – nur ohne Lösegeldforderung. „Sie kommen gleich“, sagt der Sohn, sichtlich genervt, aber mit dem Versuch, es charmant klingen zu lassen.

Fiat 500

Dann tauchen sie auf. Zwei junge Männer, optisch irgendwo zwischen Festival-Kater und Hostel-Auschecken um 13 Uhr, schlurfen zur Rezeption. Zerknitterte Gesichter, verschwommene Pupillen, T-Shirt falsch herum – die Siesta war wohl länger als die Mietzeit.

Sie drücken wortlos die Schlüssel rüber, nicken schuldbewusst und verziehen sich in Richtung Dusche oder Dunkelkammer.

Unser Fiat wird einmal kurz durchgelüftet, notdürftig vom Campingplatzstaub befreit, und uns mit einer freundlichen Entschuldigung von Fabrizios Sohn überreicht – und um 9:20 Uhr können wir endlich vom Hof rollen. Verzögert, ja. Aber stilvoll.

Dach offen, Playlist an, Abenteuer-Modus aktiviert.

Fiat 500

Erstes Ziel: Bardolino. Markttag. Der Gardasee im Kaufrausch. Die Straßen voll, die Parkplätze rar – aber Fortuna ist uns wohlgesonnen. Wir schnappen uns eine der letzten Lücken wie zwei Shopping-Ninjas in der finalen Runde „Supermarkt Sweep“.

Der Motor kaum aus, schon sind wir mitten im Geschehen: Stoffe flattern im Wind, Ledertaschen glitzern in der Sonne, und irgendwo ruft ein Standbesitzer lautstark „Tutto in offerta!“.

Willkommen bei Level zwei unseres Urlaubs-Shopping-Marathons. Vorgestern Desenzano – heute Bardolino.  Zwei Stunden lang lassen wir uns treiben, vorbei an leuchtenden Blusen, eleganten Espadrilles, glitzernden Gürteln und Taschen in mehr Farben als das Pantone-Regal zulässt.

Braucht man das alles? Nein. Kauft man es trotzdem? Aber sicher.

Weil man im Urlaub immer ein kleines bisschen mehr ist: mehr Genießer, mehr Entdecker, mehr Opfer von “3 für 10 Euro”-Angeboten.

Zwischendurch gibt’s Wasser aus der Flasche, einen kurzen Plausch mit der Dame am Tischtuch-mit-Zitronen-Print-Stand und ein inneres High-Five, als wir ein Kleid für Emilia zum halben Preis ergattern – obwohl sie ihn frühestens in zwei Jahren tragen kann.

Fazit: Bardolino – 1, Portemonnaie – 0. Aber die Stimmung? Unbezahlbar.

Dann: Mittagspause im Café Centrale. Klingt unspektakulär – war es aber nicht. Denn hier wurden Spaghetti nicht einfach gekocht, sondern regelrecht inszeniert.

Stefan greift zur klassischen Variante: Spaghetti Pomodoro. Ich wähle die schlichte Diva unter den Pastagerichten: Spaghetti aglio e olio.

Und was da auf unseren Tellern landet, sieht eher nach Haute Cuisine als nach Campingurlaub aus. Zwei perfekt gezwirbelte Spaghettiberge, gekrönt von Basilikumblättern und garniert mit dem Stolz eines Küchenchefs, der insgeheim auf einen Michelin-Stern hofft.

Cafe Centrale, Bardolino

Plötzlich beugt sich der Mann vom Nebentisch zu uns rüber, zückt sein Handy – und knipst unser Essen. Nicht uns. Nicht den See. Nicht die Weingläser. Die Pasta.

“Ich bin Gastronom,” sagt er. „Das ist so schön angerichtet – das muss ich mir merken.“ Ich fühle mich kurz wie ein Foodblogger auf Influencer-Dienstreise. Dann frage ich ihn, wo man in Deutschland dann in Zukunft die Spagetti so serviert bekommt: Seine Antwort? Die Toni Alm. In Garmisch-Partenkirchen.

Gut. Liegt nicht gerade ums Eck – aber hey, für gut inszenierte Spaghetti würden wir notfalls auch einen Ausflug ins Voralpenland einplanen.

Man muss Prioritäten setzen.

Nach dem Essen: zurück zum kleinen roten Flitzer und ab nach Malcesine. Und was soll ich sagen? Wieder ein Parkplatz. Direkt. Ohne Fluchen. Ohne Kreisen. Ohne Parkticketroulette. Es grenzt langsam an italienisches Parkwunder.

Wir schlängeln uns vorbei an der Burg und traben durch die Altstadt, wo jede Gasse aussieht wie aus einem Instagram-Filter. Ziel: Hafen. Denn heute haben wir eine Mission. Keine romantische Bootsfahrt, kein Seesightseeing, kein „Oh, wie schön das Wasser glitzert“.

Wir wollen Salami. Genauer gesagt: ins berühmte Salami-Haus in Limone sul Garda, das für uns ungefähr den Stellenwert hat wie für andere das Colosseum. Der ursprüngliche Plan – mit dem Fiat einmal rund um den ganzen See – wurde in Bardolino vom Shopping-Overload verschluckt. Die Zeit drängte. Also Plan B: Fähre.

Und wie es der Zufall will, fährt in Malcesine um Punkt 16 Uhr ein Shuttle-Schiff – ein bisschen zwischen Linienverkehr und Ausflugsromantik, aber egal: 10 Euro für hin und zurück, und wir sind dabei. Ziel: Limone. Auftrag: Wurst. Stimmung: entschlossen. Die Fähre legt ab – Operation Salami läuft.

Malcesine-Limone

Wir kommen in Limone an – und keine zwei Minuten später betreten wir das Mekka der luftgetrockneten Glückseligkeit. Das berühmte Salami-Haus ist kein Haus der stillen Andacht, sondern ein Tempel der Versuchung. Hier stapeln sich die Würste wie Bücher in einer alten Bibliothek, nur dass sie nicht nach Wissen, sondern nach Knoblauch, Pfeffer und Abenteuer duften.

Mission: Vorratskammer füllen. Vier Riesensalamis für Nadine – man könnte meinen, sie gründet einen Wurstverleih – und drei plus ein mächtiges Schinkenstück für uns. Preislich so fair, dass man sich kurz fragt, ob man heimlich in eine Parallelwelt mit anderen Lebensmittelpreisen geraten ist. In Deutschland bekäme man dafür vielleicht einen halben Aufschnitt im Reformhaus – ohne Geschmack, aber mit gutem Gewissen.

Salami-Haus Limone

Danach: Schlendern. Limone-Style. Durch enge Gassen mit abblätternden Fassaden, die aussehen wie aus einem Pinterest-Board für mediterrane Nostalgie. Über uns hängen Bougainvillea-Kaskaden in Instagram-Filter-Farben, unter uns Kopfsteinpflaster, das aussieht, als sei es seit Cäsars Zeiten nicht erneuert worden. Links eine Boutique mit Leinenkleidern, rechts ein Limoncello-Shop, geradeaus ein Eiscafé. Willkommen in der Matrix des charmanten Tourismus.

Limone sul Garda

Ich entscheide mich – wie immer – für das Zitroneneis in der gefrorenen Zitrone. Weil es großartig aussieht, göttlich schmeckt und weil man es nicht selbst machen muss. Was will man mehr? Einziger Nachteil: man sieht dabei beim Essen ein bisschen aus wie ein Dessert-Pirat mit Tropferlaubnis.

Wir bummeln weiter, vorbei an alten Steintreppen, hübschen Höfen und Schaufenstern voller Zitronen-Souvenirs, die vermutlich irgendwo in Fernost das Licht der Welt erblickt haben. Aber das ist egal – hier wirken sie wie handgepflückt vom Zitronenbaum des Glücks.

Erinnerungen kommen auf: Hier waren wir im März – mit Nadine, Oli, Noah und Emilia. Damals war Limone ein Abenteuerspielplatz voller Zitronen für die beiden: Noah aufgeregt wie ein Reporter auf Schatzsuche, Emilia quirlig wie ein Zitrusbällchen auf Speed. Überall gab’s etwas zu entdecken – Zitronenbäume, Zitronenlollis, Zitronen-Seife, sogar T-Shirts mit Zitronen. Und natürlich: das berühmte Zitroneneis in der gefrorenen Zitrone. Noah durfte probieren – und verzog das Gesicht, als hätte er gerade in eine saure Gurke gebissen. Ein Moment für die Familienchronik. Emilia tanzte derweil vor Begeisterung durchs Gassengewirr, als sei Limone ihr ganz persönlicher Zitrus-Zirkus. Heute ist alles etwas ruhiger, aber der Zauber – der ist geblieben.

Um 18 Uhr nehmen wir das letzte Schiff zurück nach Malcesine. Mit Salami-Vorrat, Eis-Glück und einem Hauch von Fernweh im Gepäck. Limone, du kleine Schönheit – wir kommen wieder. Allein schon wegen der Wurst.

Aber Schluss ist noch lange nicht! Der Tag hat schließlich noch Restlaufzeit – und wir auch. Also schlendern wir durch die abendliche Altstadt von Malcesine (schon wieder Bilderbuch!), zurück zum Parkplatz, steigen ein und fahren… nein, nicht direkt zurück. Denn wenn man schon so stilvoll im roten Fiat-Cabrio unterwegs ist, sollte man Garda nicht einfach links liegen lassen. Also kurzer Schlenker dorthin – und auch hier noch ein kleiner Stadtbummel mit Wasserblick, Schaufensterbummeln und der stillen Hoffnung, dass wir nicht versehentlich noch eine Zitronenplantage kaufen.

Eigentlich wollten wir in Garda auch noch nach ein bisschen Vespa-Merchandise schauen. So stylische Helme mit italienischer Flagge vielleicht, ein paar coole T-Shirts, irgendwas mit “La Dolce Vita” drauf. Aber leider war die Ausbeute mau – abgesehen von Helmen in sämtlichen Farben und Designs, die wir aber ja schon besitzen. Also Plan B: Abendessen.

In der Taverna Fregoso landet Stefan wieder bei seinen geliebten Spaghetti, ich dagegen ordere ein Schnitzel, das auf dem Teller verstecken spielt – unter einem halben Gemüsegarten aus Salat, Tomaten und Parmesan. So lecker, dass ich kurz überlege, ob ich heimlich den Teller mitnehme. Was mich zur nächsten Szene führt…

Irgendwo ist ein Schnitzel versteckt

Denn als ich durch einen Ladenfenster blinzele und dieses wundervolle, handbemalte italienische Pasta-Geschirr sehe – rot-gelb-grün wie aus einem Italo-Werbespot der 90er –, gibt’s kein Halten mehr. Eine große Schüssel, ein kleines Schälchen für Parmesan, ein Stoffbrotkörbchen und eine passende Ölflasche landen in meinen Armen. Stefan sagt nichts. Er weiß, wenn eine Frau in Italien auf Geschirr trifft, ist jede Diskussion zwecklos.

Und so tragen wir am Ende dieses Tages nicht nur Salami und Zitroneneis-Erinnerungen, sondern auch Porzellan in Rucksäcken durch die Gassen von Garda, zurück zum Cabrio. Stilvoll beladen mit kulinarischen und keramischen Schätzen endet unser Tag – und wir rollen zurück zum Campingplatz. Mit dem Wissen: Wenn der Kofferraum schon voll ist, findet sich im Fußraum bestimmt noch ein Plätzchen für die Ölflasche.

Satt, glücklich und mit einem Kofferraum voller Salami, Keramik und Kalorien steigen wir wieder in unseren kleinen Fiat. Der Sonnenuntergang glüht noch rosa über dem See, der Tag war voll – jetzt aber schnell zurück zum Campingplatz. Denkste.

Ich lehne mich entspannt zurück, klappe die Sonnenbrille hoch wie ein Roadtrip-Profi und sage zu Stefan: „Fahr einfach Richtung Verona. Und sobald Peschiera angeschrieben ist – da dann abbiegen, klar?“

Stefan nickt. Also das Stefan-Nicken, das in etwa bedeutet: „Ich hab was verstanden – nur nicht was.“ Denn was folgt, ist weniger Rückfahrt, mehr italienisches Orientierungsdrama mit satirischen Untertönen. Stefan fährt. Und fährt. Und fährt. Immer Richtung Verona. Irgendwann dämmert mir, dass wir den Punkt „sobald Peschiera angeschrieben ist“ wohl verpasst haben. Oder besser: ignoriert.

Ich: „Sag mal… kommt dir das hier bekannt vor?“ Stefan (unbeeindruckt): „Ja. Also… sieht italienisch aus.“ Es dauert eine Weile – und ein Autobahn-Ausfahrt-Schild „Verona-Nord“ – bis klar ist: Wir sind durchgefahren. Einfach so. Im zarten Glauben, ich hätte einfach „Fahr nach Verona“ gesagt. Hab ich aber nicht. Aber das hilft uns jetzt auch nicht mehr.

Also wenden wir mit Stil (und leichtem Frust) und cruisen die ganze Strecke wieder zurück, begleitet vom Duft getrockneter Salami im Fond und dem verdächtigen Klirren meiner neuen Porzellanschale bei jeder Bodenwelle.

Gegen 22 Uhr rollen wir wieder auf den Campingplatz. Ein bisschen müde. Ein bisschen verfahren. Aber ganz ehrlich: Wenn man sich schon verfährt, dann bitte in Italien. Mit Blick auf die Lichter von Verona, sieben Salamis im Gepäck und einem Tag, der sich anfühlt wie eine Staffel „Urlaub in schön“.

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