Entlang der Columbia River Gorge
Eine Reise voller atemberaubender Ausblicke
Ein neuer Tag beginnt – und mit ihm die Hoffnung auf ein Frühstück, das diesen Namen verdient. Die Sonne scheint, die Koffer sind gepackt, die Laune ist gut… nur der Magen knurrt . Also steuern wir zielstrebig den Frühstücksbereich an – bereit für Rührei, frische Waffeln und vielleicht ein kleines Buffetwunder. Doch was wir stattdessen vorfinden, ist eher eine stille Mahnung an bessere Zeiten.
Zwei Filterkaffees in Pappbechern , zwei traurige Muffins, die aussehen, als hätten sie schon bessere Schultüten gesehen, drei Bananen mit Charakter und ein paar Joghurts, die sich gegenseitig beim Kühlbleiben Gesellschaft leisten. Dazwischen liegen vereinzelte Fruchtschälchen, Papplöffel und das berühmte Granola-Riegel-Duo, das gefühlt in jedem US-Motel zum Standardinventar gehört – gleich nach der Klimaanlage mit Hummelgeräusch. Das alles dekorativ angerichtet auf einem braunen Plastiktisch , der vermutlich selbst schon überlegt, ob er sich einfach auflösen soll.

„Na immerhin gibt’s Kaffee“, murmelt Stefan und rührt in seinem Becher mit dem Charme eines Mannes, der weiß, dass hier heute kein Cappuccino-Wunder mehr passieren wird. Ich hingegen rette die Situation mit einem beherzten Griff in unsere private Notversorgung: die berühmten Walmart-Bananen , verlässlich wie ein Schweizer Taschenmesser im Reisechaos. Es wird gegessen, was da ist – und gelächelt, was das Gesicht hergibt. Denn wenn das Frühstück schon enttäuscht, dann holen wir uns das Abenteuer eben auf der Straße.
Unser heutiges Ziel: St. Helens in Oregon . Von dort aus sind es morgen nur noch zwei Stunden bis Seattle – kurz genug, um Washington elegant zu durchqueren, ohne sich dort niederzulassen . Washington gilt aktuell als COVID-Risikogebiet, und wir haben keine Lust, uns bei der Rückreise plötzlich in Quarantäne erklären zu müssen, nur weil wir auf dem falschen Kopfkissen geschlafen haben. Also: durchfahren, nicht übernachten – das ist der Plan .
Aber bevor wir uns auf die Interstate stürzen, wartet noch ein ganz besonderer Abschnitt auf uns: die Columbia River Gorge . Vor fast neun Jahren sind wir hier schon einmal entlanggefahren – mit offenem Mund und Kamera im Anschlag, völlig begeistert von der schieren Schönheit dieser Schlucht und den zahllosen Wasserfällen. Heute wollen wir das Ganze noch einmal erleben. Zurück auf Anfang – nur mit mehr Geschichten im Gepäck.

Aber zunächst geht es weiter – immer der Interstate nach , quer durch die stillen Weiten von Idaho. Und still heißt in diesem Fall: sehr still. Die Landschaft scheint in Endlosschleife zu laufen – braune Hügel links, braune Hügel rechts, ab und zu ein Traktor und sehr viel Himmel . Das Ganze erinnert ein bisschen an einen schlecht programmierten Bildschirmschoner mit Landwirtschaftsthema. Aber gut – irgendjemand muss ja schließlich für die berühmten Idaho-Kartoffeln sorgen, und diese Felder hier scheinen das Rückgrat der Knollenwirtschaft zu sein.
Die Strecke ist zu Beginn zwar ein bisschen einschläfernd – aber gerade, als wir geistig schon beginnen, auf dem Beifahrersitz innerlich Sudoku zu spielen, reißen uns die Berge in der Ferne aus der Monotonie . Der Highway wird zum Aussichtsbalkon. Die Straße zieht sich schnurgerade durch sanfte Täler, die sich wie eine Kinoleinwand nach Westen öffnen. Kein Blockbuster – aber ein eindrucksvolles Panorama aus echtem Leben .
Nach rund zweieinhalb Stunden Fahrt kündigt ein Schild Abwechslung an: “Welcome to Baker City – Historic Downtown”. Und zack – wir sind hellwach. Historisch? Innenstadt? Kaffee? Genau unser Beuteschema. Also runter von der Autobahn, rein ins Abenteuer.

Baker City – einst als „Queen City of the Mines“ gefeiert – war zu Zeiten des Goldrausches um 1860 so etwas wie das Beverly Hills des amerikanischen Westens. Und man merkt es ihr bis heute an. Mehr als 100 Gebäude im viktorianischen Stil säumen die Main Street wie Darsteller in einem Western, der sich irgendwie ein bisschen herausgeputzt hat.
Ein echtes Highlight: das Geiser Grand Hotel. Schon der Name klingt wie eine Mischung aus Zauberer und alter Geldadel – und tatsächlich wurde dieses Schmuckstück 1889 von zwei Brüdern erbaut, die mit Goldfunden reich wurden und sich dachten: Wenn schon Geld, dann bitte mit Stil. Das Hotel sieht heute noch aus, als könnte jederzeit ein Gentleman mit Zylinder und Goldtaschenuhr aus der Drehtür schreiten.
Wir lassen den Wagen stehen und spazieren die Main Street entlang. Hier sieht alles ein bisschen aus wie Filmkulisse – nur echter . Breite Gehwege, kleine Läden mit verzierten Schaufenstern, restaurierte Fassaden mit liebevoll gemalten Schildern. Und dann: dieser Geruch. Frisches Brot, irgendwo zwischen Nostalgie und „Wir müssen da rein“ . Ein Café lockt uns mit seinem Charme und seinen Muffins – wir lassen uns nicht lange bitten.
Nach dieser kleinen Zeitreise, die so gar nichts mit dem Highway draußen zu tun hat, steigen wir erfrischt und fast ein bisschen sentimental wieder ins Auto. Baker City hat sich heimlich, still und leise einen Platz auf unserer „Da-müssen-wir-wieder-hin“-Liste erobert. So geht Zwischenstopp – nicht spektakulär, aber mit Herz und Geschichte. Und genau deswegen lieben wir Roadtrips: Nicht, weil jeder Ort ein Monument ist. Sondern weil man eben manchmal doch an einem vorbeikommt.
Unsere Reise rollt weiter – und irgendwo zwischen Alltag und Asphalt entdecken wir wieder einen dieser kleinen Momente, die das Navi nicht kennt, aber das Herz abspeichert. Kurz vor La Grande taucht plötzlich ein Schild am Straßenrand auf: „Historic Upper Perry Arch Bridge“ . Und weil wir bekanntlich nie an einem Hinweis mit dem Wort „ historic “ vorbeifahren können, schaltet Stefan instinktiv den Blinker. Brückenliebe auf den ersten Blick? Könnte sein.

Die Erwartung steigt mit jedem Meter – wir stellen uns einen fotogenen Steinbogen vor, dramatisch überspannt, irgendwo zwischen Eisenbahnromantik und Nationaldenkmal. Was wir bekommen, ist… na ja, sagen wir mal: schlicht. Sehr schlicht. Wenn man die Kamera lange genug draufhält, könnte man sie für eine Überführung im Hinterhof eines Baumarkts halten. Aber gut – nicht jeder Punkt auf unserer Landkarte kann ein Blockbuster sein.
Ein kurzer Blick, ein Klick auf den Auslöser, ein zustimmendes “Na immerhin schön ruhig hier” , und schon geht’s zurück auf die Straße. Diese führt uns nun auf die landschaftlich reizvoll benamste Hamilton Creek Frauentage Road , deren Name klingt wie eine Mischung aus Wildwestfilm und Buchclub-Treffen. Doch die Strecke macht das wieder wett: Die sanften Hügel wandeln sich allmählich zu den beeindruckenden Ausläufern der Blue Mountains .

Wir kommen ins Staunen. Die trockene, fast karge Landschaft hat etwas Archaisches – als würde hinter jedem Hügel gleich ein Western-Duell stattfinden. Und dann, wie auf Knopfdruck, öffnet sich vor uns das Panorama am Emigrant Hill .
Natürlich halten wir an. Der Deadman Pass Lookout ist so ein Ort, bei dem man automatisch langsamer wird – nicht nur mit dem Auto, sondern auch im Kopf. Wir stehen dort oben, blicken über die unendliche Ebene, sehen den Columbia River als silbernes Band durch die Ferne schlängeln, und ganz hinten recken sich die Cascade Mountains in den Himmel wie die Schlussakkorde eines perfekten Reisetages. Und es ist erst 11 Uhr.
Die Uhr tickt, aber niemand hetzt uns. Das ist das Schöne an solchen Tagen: man ist unterwegs – aber ohne Zielstress. Ohne Programmpunkt, der ruft, sondern mit der Freiheit, einfach zu schauen, was hinter der nächsten Kurve liegt. Und wer weiß, vielleicht kommt da ja noch eine Brücke. Eine richtige diesmal.

Nach etwa 45 Minuten Fahrt durch eine dieser Landschaften, bei denen man sich fragt, ob da hinten Gandalf, ein Cowboy oder ein Trucker-Gott auf uns wartet, erreichen wir das kleine Städtchen Boardman . Ab hier begleitet uns niemand Geringeres als der mächtige Columbia River – ein Fluss so breit, dass er locker als Ozean-Ersatz durchgeht. Zur Linken Oregon, zur Rechten Washington , und dazwischen dieses blaue Band, das sich elegant durch die trockenen Hügel schlängelt wie ein Flussmodel bei einer Dior-Parade.
Wir gleiten dahin auf der Interstate , die sich direkt an den Fluss schmiegt, als wäre sie ein besonders anhänglicher Roadtrip-Begleiter. Jeder Blick nach links ist ein Postkartenmotiv. Jeder Tunnel, jede Biegung ein neuer, filmreifer Moment. Stefan fährt, ich staune – und fotografiere. Und staune. Und fotografiere. Und vergesse fast, dass ich langsam hungrig werde (fast).

Ein Hinweisschild in der Nähe von Arlington lässt uns schließlich abbremsen: Scenic Viewpoint ahead. Und dieser Aussichtspunkt hält, was er verspricht. Der Columbia River glitzert im Sonnenlicht, die Hänge auf beiden Seiten wirken wie mit dem Lineal gezogen – karg, eindrucksvoll und zeitlos schön. Ich lehne mich über die Betonmauer, lasse den Wind durch die Haare wehen und denke: Das hier ist einer dieser „das bleibt“-Momente.
Doch kaum zurück im Jeep, meldet sich der Magen: Bitte bald servieren! . Und weil ich bekanntlich nicht nur Beifahrerin, sondern auch Chief Food Scout bin, zücke ich mein Handy. Lunch-Time-Recherche-Modus aktiviert. Was ich finde, klingt vielversprechend: Microbreweries. Jede Menge. Craft Beer ohne Ende. Ich male mir schon aus, wie wir in einem rustikalen Schankraum sitzen, mit Holzfassmöbeln und IPAs in allen Farben des Regenbogens.

Aber dann schlägt die Realität des Jahres 2023 zu – oder besser gesagt: die Pandemie-Realität. Die meisten Brauereien haben geschlossen. Temporarily unavailable , steht auf gefühlt jeder Website. Die Hoffnung stirbt zuletzt – aber sie hustet leise in ihren Ellbogen.
Und so rollen wir weiter – hungrig, leicht enttäuscht, aber mit dem Columbia River als treuem Weggefährten und dem festen Plan: Beim nächsten Mal gibt’s Bier. Ganz sicher.

Schließlich werde ich doch noch fündig. Im charmanten Städtchen Hood River hat die Double Mountain Brewery nicht nur geöffnet, sondern versorgt uns tatsächlich mit einer kleinen Rettung in der Not: Essen! Zwar nur zum Mitnehmen – aber ganz ehrlich, wir sind mittlerweile Profis im „To-Go-Dining mit Aussicht“. Wer braucht schon ein Restaurant, wenn man Picknicktische mit Panoramablick auf Flüsse, Berge oder wie heute: einen Park mit Bilderbuchkulisse haben kann?

Nur wenige Meter entfernt entdecken wir den Connery Square Park , ein friedliches Fleckchen Erde, das aussieht, als hätte jemand den Frühling auf „Maximalromantik“ gestellt: Kirschbäume in voller Blüte, strahlend blauer Himmel und exakt drei Parkbänke , die wie für uns reserviert wirken. Wir lassen uns auf einer davon nieder, packen unser Lunch aus und fühlen uns wie zwei Charaktere aus einer kitschfreien Version von „Eat Pray Love“.
Mein BLT-Sandwich (Bacon, Lettuce, Tomato – wer’s noch nicht weiß, hat nie gelebt) ist ein knusprig-frisches Gedicht. Dazu ein paar Chips und eine eingelegte Gurke, die aussieht, als hätte sie selbst überrascht festgestellt, wie gut sie zu diesem Mahl passt.

Das Bier lasse ich heute lieber links liegen. Nicht etwa, weil ich keine Lust hätte – sondern weil ich nicht sicher bin, ob öffentliches Biertrinken in Oregon legal ist. Und ganz ehrlich: Ich möchte meinen letzten Reisetag ungern mit einer Belehrung durch einen Polizeibeamten beenden, der mich mit erhobenem Zeigefinger an die lokalen Vorschriften erinnert. Also verzichte ich aufs Trinken – aber nicht aufs Souvenir-Glas ! Ein neues Stück für meine Sammlung wandert natürlich in die Tasche. Denn wenn ich schon kein Bier haben kann, will ich wenigstens eine Erinnerung daran.
Wir sitzen eine Weile da, lassen uns die Sonne ins Gesicht scheinen und genießen diese ungeplante Mittagspause in vollen Zügen. Es ist einer dieser perfekten, kleinen Roadtrip-Momente, die man nicht planen kann – aber unbedingt mitnehmen muss, wenn sie einem zufliegen. Spontane Entdeckungen wie diese sind es, die aus einer simplen Weiterfahrt einen kleinen Glücksmoment machen. Hood River, du warst definitiv ein Volltreffer.

Nach diesem lecker-lässigen Lunch setzen wir unsere Reise fort und sind fast ein wenig überrascht, wie nah die Columbia River Gorge tatsächlich an unserer Sandwich-Station liegt. Keine halbe Stunde später – genauer gesagt 25 Minuten Fahrtzeit – und wir stehen bereits vor einem Landschaftsspektakel, das sich wie ein Naturfilm in IMAX-Qualität anfühlt. Der Columbia River bahnt sich hier seinen Weg durch das Vulkangestein der Cascade Range , und die historische Columbia River Highway schmiegt sich spektakulär an den Berghang. Man spürt sofort: Hier wurde nicht einfach eine Straße gebaut, hier hat man sich Mühe gegeben, sie wie ein Aussichtsbalkon in die Natur zu legen.
Trotz aller COVID-19-Warnungen , die immer noch über dem Reisejahr 2023 schweben, ist hier einiges los – was wohl auch daran liegt, dass die Gorge magnetisch wirkt. Sobald man diesen Fluss und seine dramatischen Wasserfälle einmal gesehen hat, will man ihn nicht mehr vergessen. Unser erster Halt ist gleich ein echtes „Drive-In-Wasserfall“-Erlebnis: die Horsetail Falls . Keine Wanderung, keine Parkplatzsuche – einfach Fenster runterkurbeln, und zack: Wasserfall-Action direkt am Straßenrand. Der schmale, elegante Vorhang stürzt sich in einen glatten Pool und liefert ein optisches Vorspiel für das, was noch kommt.

Und das lässt nicht lange auf sich warten: Unser nächster Halt ist der unbestrittene Star der Gorge – Multnomah Falls . Mit 189 Metern Höhe ein echtes Schwergewicht unter den Wasserfällen und definitiv das Model auf allen Postkarten dieser Region. Direkt daneben: eine charmante Lodge aus dem Jahr 1925, die aussieht, als würde gleich ein Butler mit silbernem Tablett aus der Tür treten.
Die Parkplatzsuche ist, wie zu erwarten, eine Mischung aus Geduldsspiel und Ehrenrunde , aber mit etwas Hartnäckigkeit – und einem stillen Deal mit dem Universum – finden wir eine Lücke. Der Weg zur berühmten Benson-Hängebrücke ist kurz, angenehm und spektakulär zugleich. Die Brücke spannt sich wie ein steinerner Bogen zwischen zwei Welten – unten donnern die 21 Meter hohen Lower Falls , oben stürzt das Wasser weitere 165 Meter in die Tiefe . Und wir stehen genau dazwischen. Kamera gezückt, Mund offen. Ein bisschen Gischt, ein bisschen Staunen, sehr viel „Wow“.

Wir bleiben eine Weile, genießen die Frische, die von der Gischt in die Luft gezaubert wird, und klicken uns durch alle denkbaren Perspektiven. Selfie mit Wasserfall? Check. Romantisches Gegenlicht-Foto? Check. Stefan mit Tropfen auf der Brille? Doppel-Check.
Als wir schließlich den Rückweg zum Auto antreten, geben wir die Lücke frei – mit dem beruhigenden Gefühl, dass sich das Warten für die Nächsten auch lohnen wird. Doch natürlich war das noch lange nicht alles, was die Gorge zu bieten hat. Nächster Halt: Bridal Veil Falls.
Der Name klingt wie aus einem Jane-Austen-Roman, und der erste Eindruck? Zunächst eher nüchtern. Der Weg startet parallel zur Straße, mit dem Charme eines Autobahnparkplatzes. Aber dann: Abzweigung. Nordwärts. Und plötzlich wird’s poetisch. Der Pfad senkt sich, eine kleine Holzbrücke spannt sich über den Bridal Veil Creek , und wir bekommen einen ersten Vorgeschmack auf das, was noch kommt.
Bridal Veil Falls
Und dann – zack, Szenewechsel auf Hochglanz-Naturfilm . Von der Aussichtsplattform blicken wir auf einen Wasserfall, der so zart, so filigran in die Tiefe tanzt, dass man versteht, warum er den Namen Brautschleier trägt. Ein Schleier aus weißem Schaum, der sich über dunkle Basaltstufen ergießt – sanft, aber bestimmt. Es ist einer dieser Momente, in denen man automatisch langsamer atmet, einfach weil alles um einen herum so ruhig wirkt.
Natürlich müssen wir auch hier ein paar Fakten einstreuen – denn dieser Wasserfall hat’s in sich . Der Bridal Veil Creek entspringt am 1.203 Meter hohen Larch Mountain , schraubt sich dann durch ein uraltes Tal und kippt sich ganz zum Schluss in zwei fulminanten Stufen ins Columbia River Basin. Die obere Kante: 30 Meter , die untere: 9 Meter , beide überzogen mit Moos, Basalt und einer Geschichte, die sich wohl kein Mensch mehr genau merken kann – aber die Natur hat sie perfekt in Stein gemeißelt .
Wir lehnen uns an das Geländer, lassen den Blick über das Spiel aus Wasser, Licht und Fels gleiten – und wissen: Genau wegen solcher Orte fahren wir tausende Kilometer, nehmen Flugzeiten in Kauf und machen uns die Mühe, selbst die unscheinbarsten Trailheads zu finden.
Die Bridal Veil Falls sind nicht einfach ein Wasserfall – sie sind ein stiller Reminder daran, wie viel Poesie in der Natur steckt, wenn man nur hinschaut. Und mit einem letzten Blick auf diesen glitzernden Schleier machen wir uns wieder auf den Weg – bereit für das nächste Kapitel dieses grandiosen Reisetages.

Unser nächster Halt: Crown Point State Park – oder wie ich ihn nenne: der Aussichtsbalkon des Columbia River. Denn genau das erwartet uns hier. Fast am westlichen Ende der Gorge schraubt sich die Straße in eleganten Kurven nach oben, bis wir schließlich das berühmte Vista House erreichen – ein Bauwerk, das genauso aussieht, wie man sich ein Aussichtshaus im Jahr 1918 eben vorgestellt hat: kuppelig, steinern, ein bisschen mondän.
Schon beim Aussteigen merkt man: Hier wird’s episch. Der Wind bläst uns ordentlich um die Ohren, als wollte er sagen: „Na, jetzt haltet euch mal fest.“ Und das tun wir – am Geländer. Denn was sich vor uns ausbreitet, ist kein gewöhnlicher Flussblick, sondern eine filmreife Panorama-Einstellung . Der Columbia River zieht sich wie ein silbriges Band durch die Landschaft, eingerahmt von grünblauen Hügeln, goldbraunen Ebenen und einer Atmosphäre, die irgendwo zwischen “Der Herr der Ringe” und “Into the Wild” pendelt.
Das Licht spielt mit der Oberfläche des Wassers, und in der Ferne verlieren sich die Konturen der Berge im leichten Dunst. Wir sagen nicht viel – denn was will man schon groß sagen, wenn die Natur einen gerade in Grund und Boden beeindruckt?
Das Vista House selbst ist übrigens nicht nur wegen der Aussicht einen Stopp wert. Es ist ein Stück Architekturgeschichte mit einer Prise Poesie – gebaut „to inspire the traveler and refresh the spirit“, wie es auf einer alten Gedenktafel steht. Mission erfüllt, würde ich sagen.

Wir lehnen uns an die Brüstung, lassen den Blick über das Tal gleiten und spüren dieses wohltuende Gefühl, das sich nur dann einstellt, wenn man ganz oben steht – mit einem Hauch Fernweh im Nacken und einer ganzen Reise im Herzen.
Die Columbia River Gorge hat uns einmal mehr gezeigt, wie wunderbar unvernünftig spontane Abstecher sein können. Und das Vista House ist der perfekte Schlusspunkt dieser Etappe – majestätisch, windig, großartig. Manchmal reicht auf Reisen ein einziger Blick, um sich zu verlieben – oder zumindest um eine Stadt auf die „Müssen wir unbedingt nochmal richtig besuchen“-Liste zu setzen. Portland ist so ein Fall. Die Zeit ist knapp, der Tag lang, der Plan voll – aber ein kurzer Abstecher muss einfach sein. Schon allein, um sagen zu können: Ja, wir waren da!

Wir cruisen also durch die Innenstadt und lassen uns treiben. Vorbei an einer Armada von Brücken , die sich über den Willamette River spannen wie gut platzierte Accessoires in einem architektonischen Laufsteg, und an einigen der berühmten Food Trucks , die aus der Ferne wie bunte Container wirken, aber vermutlich kulinarische Weltreisen servieren. Der erste Eindruck? Urban, kreativ, ein bisschen verrückt – genau unser Ding.

Doch das mit dem längeren Stopp muss warten. Für heute bleibt es bei einem ersten Flirt – ein Blick, ein Hauch, ein „Bis bald, Portland“. Und der feste Vorsatz: Das nächste Mal nehmen wir uns mehr Zeit. Ganz sicher.
Was uns aber sofort klar wird: Der Mount Hood hat definitiv ein Gespür für große Auftritte. Kurz nachdem wir Portland wieder verlassen und uns auf den Weg nach St. Helens machen, taucht er plötzlich auf – wie ein Schneekönig in der Abendsonne . Majestätisch, fast kitschig schön, thront er über der Stadt und wirkt dabei so fotogen, dass selbst Stefan kurz vom Gas geht.
Klar, wir finden keinen perfekten Aussichtspunkt. Kein Parkplatz, kein „Vista Spot“, kein fancy Schild mit Infotafel. Nur die Frontscheibe unseres Jeeps und ein spontaner Griff zur Kamera. Und trotzdem – oder gerade deshalb – wird dieser Anblick unvergesslich bleiben . Kein gestelltes Panorama, kein Instagram-Filter. Nur wir, ein Schneegipfel und das weiche Licht des späten Nachmittags.

Ach ja – das mit dem Hooters in Portland? Geschlossen. Just an diesem Tag. Die heiß ersehnten Chicken Wings blieben also ein Wunschtraum, irgendwo zwischen Vorfreude und leerem Magen. Aber hey, dafür haben wir Mount Hood bekommen. Und der war deutlich besser gewürzt.
Nach einem Tag voller atemberaubender Ausblicke, Serpentinen, Wasserfälle und Waldluft rollen wir um 18:45 Uhr auf den Parkplatz unseres Hotels. Der Tag hängt uns in den Knochen – im positiven Sinne. Jetzt heißt es: Füße hoch, Schuhe aus, Abenteuer durch den Kopf wandern lassen.
Das Hotel verzichtet auf das übliche Frühstücksbuffet (übersetzt: lauwarme Eier, seltsam glänzende Würstchen und Toast mit dem Charme von Verpackungspappe), bietet stattdessen aber eine sympathische Alternative: eine Liste mit Frühstückswünschen zum Ankreuzen. Frühstück à la carte – auf Motel-Niveau, aber immerhin mit System. Also: Kreuze gesetzt, Kaffee gesichert, Eierwünsche kommuniziert. Morgen früh kann kommen.
Best Western St. Helens
Im Zimmer angekommen, stellen wir fest: Bett bequem, Bad sauber, Aussicht auf den Parkplatz – passt. Doch dann grummelt der Magen. Wir setzen uns ins Auto, auf der Suche nach einem Abendessen, das den Tag angemessen beschließt. Erster Versuch: eine gemütlich wirkende Brauerei-Gaststätte in der Nähe. Sieht super aus – nur leider ist sie geschlossen. Zweiter Versuch: McDonald’s. Klassischer Verlegenheits-Move. Doch was sehen wir da? Auch hier: dunkel, abgeschlossen, Corona lässt grüßen. Und der Hunger? Wird langsam unhöflich.

Und dann – wie ein kulinarischer Heiligenschein – leuchtet auf der anderen Straßenseite das Schild von MOD Pizza. OPEN. Es ist, als hätte uns der Pizza-Gott ein Zeichen geschickt. Wir zögern keine Sekunde. Pizza rettet immer.
MOD Pizza funktioniert wie Subway – nur eben mit Teigboden statt Baguette. Man wählt die Pizzagröße, sagt “Alles drauf!” oder wird zum eigenen Küchenchef und kreiert ein Kunstwerk aus Käse, Soßen, Peperoni, Oliven, Paprika, Zwiebeln, Jalapeños, Pilzen und… Moment, da hinten sind noch Artischockenherzen. Wir geben alles. Wenn schon Hunger, dann mit Stil.
Mit unserer selbst zusammengestellten Pizza-Kreation deluxe in der Hand fahren wir zurück ins Hotel. Und ganz ehrlich? Das war genau das Richtige. Kein schickes Dinner, kein Kellner mit Weinkarte – aber ein gemütliches Zimmer, warme Pizza und das Gefühl, dass auch improvisierte Abende ihren ganz eigenen Zauber haben.

MOD Pizza überrascht uns – frisch, unkompliziert, lecker. Und das Konzept? Volltreffer. Ein bisschen wie Roadtrip-Fahren: Man weiß nie ganz, was kommt – aber wenn’s gut läuft, schmeckt’s nach Abenteuer und Zufriedenheit.
Vollgefuttert und mit Pizza-Glück im Bauch lassen wir den Abend ausklingen. Vielleicht nicht glamourös, aber dafür genau richtig. Denn am Ende sind es doch genau diese kleinen Zufälle und improvisierten Lösungen , die eine Reise lebendig machen. Morgen wartet ein neuer Tag – und wahrscheinlich wieder irgendetwas, das wir so garantiert nicht geplant haben. Wir sind bereit.