
Von Moab nach Durango – mit Picknick unter einem Steinwunder
Frühstück im Camper. Mittlerweile lief das morgendliche Ritual bei uns so geschmeidig ab, dass man fast von einem choreografierten Camper-Ballett sprechen konnte. Fast.
Denn natürlich gab es – wie jeden Morgen – kleine, charmante Ausrutscher im System: Der Kaffee war zwar da, aber stand in meinem Weg (Kaffeepfütze auf dem Tisch inklusive), die Cornflakes fanden ihren Weg zielsicher an der Schüssel vorbei, und mindestens eine Socke hatte sich über Nacht für ein Solo-Abenteuer unter dem Sitz entschieden.
Aber hey – wir waren wach. Wir waren unterwegs. Und wir hatten ein Ziel. Abfahrt gegen 8:30 Uhr, nach einer letzten Runde „Wer hat die Sonnencreme?“ und „Wo ist mein linkes Kindersandalenexemplar?“
Unser Ziel heute: der Corona Arch. Und nein – er hat nichts mit dem bekannten Getränk zu tun, auch wenn wir uns nach der Wanderung sehr wohl ein kühles Bier verdient hätten. Der Corona Arch ist einer dieser Orte, von denen man vorher noch nie gehört hat – und die man danach nie wieder vergisst.
Um 9:00 Uhr standen wir auf dem Parkplatz. Kein Eintritt, keine Ranger, keine Menschenmassen. Kein Nationalpark – und das war ein echtes Geschenk. Wir durften in aller Ruhe loslaufen, später unsere Drohne steigen lassen, und hatten das Gefühl, unsere ganz persönliche Felsbühne zu betreten.

Schon der Einstieg war filmreif. Die Wanderung begann mit einer Überquerung von echten, aktiven Bahngleisen – eine Szene, die direkt aus einem Western stammen könnte. Der rote Sand, der weite Himmel, und dann diese Gleise, die sich mitten durch die Landschaft schlängeln, als hätten sie einfach vergessen, dass hier sonst nur Kakteen wohnen.
Natürlich kam genau in dem Moment kein Zug – aber für mich als Lokführerin war das eine Mischung aus Berufsehre und innerer Rebellion: Ohne Warnweste, ohne Durchsage, einfach so über die Gleise? Ein Skandal. Aber ein schöner.
Der Weg schlängelte sich weiter – leicht ansteigend, mit immer neuen Ausblicken auf die rot glühende Steinlandschaft rund um Moab. Die Kinder hüpften von Fels zu Fels wie junge Bergziegen, während wir Erwachsenen langsam in den Wandermodus fanden – nicht mehr ganz frisch, aber immer noch motiviert.
Und irgendwo da vorne: der Corona Arch. Majestätisch. Riesig. Und bereit, uns zu beeindrucken.
Der Weg zum Corona Arch war wie eine gut geplante Dramaturgie – er steigerte sich langsam. Erst sandige Pfade, weicher Untergrund, warm unter den Füßen. Dann schmale Felspassagen, die sich durch die rote Landschaft schlängelten wie Natur-gewordene Einbahnstraßen.
Doch dann kam der Teil, den man in keinem Hochglanz-Broschürchen findet – eine kleine, aber feine Kletterpartie, die alles hatte: Nervenkitzel, Teamgeist und ein bisschen Muskelkater im Anschluss.
Zuerst: die Leiter. Mitten in der Felswand, wie ein vergessener Fluchtweg aus einem Westernfilm, lehnte sie an einer senkrechten Sandsteinrinne. Noah überlegte keine Sekunde. Er packte die Sprossen wie ein Profi, kletterte zielsicher hinauf – Schritt für Schritt, hochkonzentriert, mit der Eleganz eines jungen Indiana Jones. Oben angekommen, grinste er wie jemand, der gerade einen Preis gewonnen hat.

Und irgendwie hatte er das auch. Wir anderen folgten – mit leichtem Knirschen in den Knien, aber mit viel Motivation. Und dann: die Kette. Eine lange Eisenkette, befestigt in einer geneigten Felsplatte, führte quer hinauf. Kein Netz, kein Geländer, nur Vertrauen in Metall, Stein und den eigenen Gleichgewichtssinn.
Nadine vorneweg, Oli gleich hinterher, ich dicht an Noahs Seite, und Emilia wartete bei Opa – wie eine Mini-Expedition mit Picknickrucksack. Langsam, konzentriert, Schritt für Schritt. Nicht schwierig im technischen Sinne – aber fordernd genug, dass man spürte: Das ist hier nicht der Fußweg zum Eiscafé. Für Noah war es das reinste Kletterparadies. Für Emilia: ein Balanceakt auf hohem Niveau.
BILDERGALERIE: Corona Arch Trail
Aber wir hatten mittlerweile ein System: Einer vorne zieht, einer hinten sichert, und dazwischen gibt’s Ermutigung in Dauerschleife. Und als wir dachten, der spannendste Teil sei vorbei, öffnete sich vor uns das Finale. Nach gut einer Stunde: der große Moment.
Vor uns – groß, elegant, fast unwirklich – erhob sich der Corona Arch. Ein gewaltiger Bogen, freistehend, perfekt geschwungen, wie aus der Erde gehoben und in die Luft gespannt. Ein Monument aus Zeit, Wind und Sand.
Und etwas näher, linker Hand, der Bowtie Arch – ein natürliches Oberlicht im Fels, wie ein Fenster in eine andere Welt. Kein Ranger, kein Schild, kein Verbot. Also endlich: Drohne raus.
Der Himmel war klar, die Luft flimmerte – und unsere Drohne stieg auf wie ein Falke auf Patrouille. Sie kreiste über den Arch, schoss Fotos aus schwindelerregenden Blickwinkeln – und fing dieses Gefühl ein, das man nur kennt, wenn man sich einen Ort wirklich erarbeitet hat. Freiheit. Stolz. Und ganz viel Staunen.

Nachdem die einzige Wandergruppe außer uns den Rückweg antrat und der Staub ihrer Schritte sich langsam legte, geschah etwas Seltenes: Wir waren allein. Allein mit dem Corona Arch.
Keine Stimmen, keine Kameraklicks, kein Verkehr, keine Eile. Nur wir – und dieses steinerne Wunder. Der Bogen spannte sich über uns wie ein offenes Tor in eine andere Welt. So groß, dass man sich darunter fast klein vorkam. So ruhig, dass selbst die Kinder für einen Moment still blieben – und das will was heißen.
Wir suchten uns ein schattiges Plätzchen unterhalb des Bogens, lehnten uns an warme Felsen und holten unser improvisiertes Picknick aus dem Rucksack. Ein paar Brote, Bananen, Obst, Wasser. Kein großes Menü – aber was für ein Ort, um zu essen! Picknick im Schatten des Corona Arch.
Man kann sich schlechtere Kantinen vorstellen. Der Wind streichelte durch die Stille, irgendwo zirpte etwas – und wir kauten andächtig unsere Müsliriegel, als wären sie Trüffelpralinen. Die Drohne war längst gelandet, die Kamera aus der Hand gelegt – jetzt zählte nur der Moment.
Ein satter Bauch, müde Beine und ein Herz, das ganz leise „Wow“ flüsterte. Manchmal ist das Abenteuer nicht laut. Manchmal ist es genau das: Sitzen, schauen, schweigen.

Doch auch der schönste Steinbogen schreibt keine Entschuldigung fürs Fernbleiben. Also packten wir langsam zusammen, warfen noch einen letzten Blick zurück und traten den Rückweg an. Der Abstieg fiel leichter. Die Sonne stand jetzt höher, die Schatten kürzer – aber unsere Schritte waren ruhiger, gelöster.
Wir wussten, was kommt: Die Leiter, die Kette, die kleinen Kletterstellen. Diesmal gingen wir sie nicht mit Anspannung, sondern mit Routine. Noah kletterte wieder als Erster – der Fels sein persönlicher Abenteuerspielplatz. Emilia wurde diesmal weniger getragen – sie stapfte mit stolzem Blick und müdem Lächeln, als würde sie selbst spüren, dass sie heute Großes geleistet hatte.
Um 13:00 Uhr waren wir zurück am Camper. Die Schuhe voller Sand, die Gesichter leicht gerötet, der Kopf voller Bilder. Kurze Pause. Trinken. Durchschnaufen. Und dann: Abfahrt.
Die Strecke nach Durango, Colorado – eine dieser klassischen US-Fahrten, bei denen man nach zwei Stunden glaubt, gleich da zu sein, und nach drei Stunden merkt, dass man noch nicht mal auf der Hälfte ist. Die Kinder? Vorbildlich. Also: Sie schliefen. Vollkommen erschöpft vom Arch, dem Klettern, der Sonne – und vermutlich auch vom inneren Glanz dieses Tages.

Hinten hörte man nur tiefes Atmen und gelegentlich ein leises Schnarchen. Wir hatten jetzt den Ruhemodus aktiviert. Der Camper rollte dahin, sanft summend über den Asphalt. Vor uns die endlose Weite, rote Felsen am Horizont, dahinter irgendwo Durango.
Wir Erwachsenen beschäftigten uns mit den großen Fragen des Roadtrips: Was ist eigentlich die perfekte Snack-Kombination für unterwegs? Warum gibt es keine Chips, die nach Kaffee schmecken? Ist es okay, wenn man sich auf Podcasts über Serienmörder besser konzentrieren kann als auf Hörbücher über Achtsamkeit? Und während draußen die Wüste langsam in Grün überging, kam auch unser Ziel näher.
Nach vier Stunden Fahrt rollten wir um Punkt 17:00 Uhr in Durango ein – etwas steif, etwas hungrig, aber mit sehr guter Laune. Als erste Belohnung: ein Spielplatz. Ein richtig schöner, mit Rutsche, Schaukeln und diesen Wippen, bei denen immer einer zu hart abstößt. Noah und Emilia testeten alles. Voller Energie, als hätte es die letzten vier Stunden nie gegeben.
Unser Ziel war klar: Essen. Jetzt. Sofort. Also parkten wir den Camper in einer ruhigen Seitenstraße eines Wohngebiets – praktisch, unspektakulär, aber mit genau dem richtigen Maß an „Wir gehören hier nicht hin, bleiben aber trotzdem.“ Um Punkt 18:00 Uhr marschierten wir – hungrig, sonnenmüde, aber gut gelaunt – zur Steamworks Brewing Co.
Die Erwartungen? Hoch. Die Realität? Eine 50-minütige Wartezeit. Autsch. Aber hey – wir waren mittlerweile geprüfte Meister im Überbrücken von Lücken. Noah verwandelte ein paar gefundene Stöckchen in Lichtschwerter, Speere und Doppelsense.
Emilia saß zufrieden und leicht gläsern auf der Bank und dachte vermutlich an den Spielplatz von vorhin – oder schlief einfach mit offenen Augen. Und wir? Studierten die Getränkekarte, als hinge unser Überleben davon ab. Craft Beer, IPA, Amber Ale, saisonale Specials – ein Gedicht in Hopfenform.

Als wir schließlich platziert wurden, knurrten unsere Mägen im Kanon. Doch dann kam das Essen – und es war jede einzelne gewartete Minute wert. Deftiges Brauerei-Essen mit Roadtrip-Charakter: Burger, Ribs, knusprige Pommes, Salate mit mehr Käse als Gemüse – kurzum: der perfekte Mix aus kulinarischem Pflaster und innerem High-Five.
Das Bier? Eiskalt. Hausgebraut. Herzhaft. Und nach dem Tag genau richtig. Satt, zufrieden und ein bisschen bewegungsträge wankten wir danach zurück zum Camper. Unser heutiger Schlafplatz? Ein guter alter Walmart-Parkplatz.

Unromantisch, aber zuverlässig – wie ein Motelzimmer ohne Wände. Doch bevor wir endgültig in die Kojen fielen, gab’s noch einen kleinen Endspurt: Gabi, Stefan und Noah zogen los zum Late-Night-Einkauf.
Denn wer auf Roadtrip ist, weiß: Ein entspannter Tag beginnt mit einem Vorrat an Snacks, Wasser und mindestens fünf neuen Sorten BBQ-Sauce. Dinge, die man im Alltag nie braucht – und unterwegs nie genug davon hat. Irgendwann danach: Ruhe. Der Camper wurde dunkel. Die Stimmen verstummten. Die Kinder atmeten tief. Die Erwachsenen ließen die letzten Sätze im Halbschlaf ausklingen.
Ein Tag ging zu Ende – gefüllt mit Sandstein, Picknick-Glück, Spielplatzheldentum und dem besten Bier seit Wochen. Und morgen? Morgen wartet das nächste Abenteuer.
Mit Dampf, Schienen und nostalgischem Pfeifen. Wir steigen um – in den Durango & Silverton Railroad. To be continued… 🚂