Bier-Stop in Prince George & die Rearguard Falls
Unsere ungeplante Reise am Yellowhead Hwy
Der neue Tag beginnt luxuriös – zumindest für Camper-Verhältnisse. Wir stehen auf einem Full-Hook-Up-Platz, was so viel bedeutet wie: Strom, Wasser, Abwasser. Für uns heißt das vor allem: knusprig getoastetes Brot zum Frühstück! Ein kleiner Luxus, der sich anfühlt wie die Business-Class des Camperlebens.
Während wir gemütlich am Tisch sitzen, schnelles WLAN genießen und den Toast mit Marmelade veredeln, feilen wir an unseren nächsten Schritten. Ursprünglich hatten wir geplant, über Prince George nach Süden auf den Highway 97, den Cariboo Highway, abzubiegen. Doch wie so oft auf diesem Roadtrip kommt alles anders. Die Fähre nach Inuvik hatte uns einen Strich durch die Rechnung gemacht und so sind wir auf dem Dempster Highway schneller durchgekommen als gedacht. Ergebnis: ein Zeitpolster, das wir jetzt kreativ füllen können.
Und wenn man schon mal in Kanada ist – warum nicht gleich das volle Natur- und Abenteuerpaket mitnehmen? Zum 150-jährigen Jubiläum Kanadas sind nämlich die Eintritte in die Nationalparks frei, und wir haben uns natürlich eine entsprechende Parkkarte gesichert. Also Planänderung: Statt Richtung Süden geht’s jetzt geradewegs nach Osten, in die großen Namen der kanadischen Rockies – Jasper und Banff, wir kommen!

Gut gestärkt und voller Tatendrang lassen wirden Campingplatz hinter uns und folgen weiter dem Trans-Canada Highway 16, auch bekannt als Yellowhead Highway. Wir gönnen uns einen kleinen Zwischenstopp in McBride. Dort thront am Straßenrand die kleine St. Patrick’s Church, die aussieht, als wäre sie direkt einem Westernfilm entsprungen. Ein winziges Kirchlein mit weißer Fassade, schlichtem Holzkreuz und einem Engel aus Neonröhren auf dem Dach – irgendwo zwischen ehrwürdig und skurril. Man könnte meinen, die Kulisse sei für einen Low-Budget-Weihnachtsfilm vorbereitet worden, bei dem jederzeit jemand „Stille Nacht“ anstimmt.

Die Fahrt nach Prince George zieht sich insgesamt über rund vier Stunden, und mal ehrlich: Diese Etappe ist nicht gerade der spannendste Blockbuster unseres Roadtrips. Spektakuläre Ausblicke? Fehlanzeige. Dafür gibt es jede Menge Wald – so viel, dass man fast meint, Kanada wolle uns mit einem Running Gag testen. Aber hey, wir sind ja im Reisemodus, und manchmal ist es auch schön, einfach Kilometer zu machen.
Am Mittag erreichen wir dann Prince George. Und natürlich lassen wir uns den Klassiker nicht entgehen – den Stopp im Harley Store. Mit dem Kauf von Roadtrip-T-Shirts haben wir mittlerweile wahrscheinlich schon eine halbe Boutique zuhause, aber hey – jedes Shirt erzählt eine Geschichte, und diese hier duftet noch nach Abenteuer (und ein bisschen nach Motoröl).
Direkt nebenan wartet unser Lunch-Highlight: Crossroads Brewing. Das Timing könnte nicht besser sein, denn mein Magen knurrt schon lauter als ein startender Greyhound-Bus. Auf dem Tisch landen eine knusprige Pizza, ein Sandwich mit Tomatensuppe und – natürlich – ein Glas hausgebrautes Bier. Leute, das ist kein Lunch, das ist pure Glückseligkeit im Roadtrip-Format.

Besonders cool: Man kann sich hier sein Lieblingsbier in einer schicken Souvenirflasche mitnehmen. Und genau das tun wir. Denn was gibt es Schöneres, als den Tag am Camper mit einem kühlen Craft Beer in der Hand ausklingen zu lassen?
Crossroads Brewing
Nachdem das Bier gesichert ist, geht’s noch schnell einkaufen für unser DIY-Dinner! Ein saftiges Steak wäre die perfekte Begleitung zum frisch erbeuteten Brauereischatz. Also nix wie ab zum Walmart: Steaks und Brot in den Wagen, und schon steht der abendlichen Grillparty nichts mehr im Weg.
Natürlich denken wir auch an unseren rollenden Brontosaurus, der nach all den Kilometern dringend eine frische Tankfüllung verlangt. Dann heißt es: Adieu Prince George, hallo Abenteuer! Mit jedem Kilometer wird die Landschaft spektakulärer, die Wälder lichten sich, und am Horizont tauchen die ersten schneebedeckten Gipfel auf – wie eine Filmkulisse, die sich langsam entfaltet.

Ein schlichtes Schild am Straßenrand – „Rearguard Falls“ – weckt unsere Neugier. Warum nicht? Wir treten auf die Bremse, biegen ab und gönnen uns einen spontanen Stopp. Und wie sich herausstellt: eine der besten Entscheidungen des Tages. Der kleine Parkplatz liegt direkt am Trailhead, und schon nach wenigen Minuten Fußweg durch den Wald erreichen wir die Aussichtsplattform.
Vor uns entfaltet sich ein Schauspiel der Natur: Der mächtige Fraser River zwängt sich durch die Felsen und stürzt sich hier auf einer Breite von rund 18 Metern fast sechs Meter in die Tiefe. Das donnernde Grollen des Wassers mischt sich mit dem feinen Sprühnebel, der in der Luft liegt. Die Tropfen glitzern im Sonnenlicht, während das satte Grün der Bäume und Sträucher den perfekten Rahmen bildet.
Wir lehnen uns an das Geländer, lassen den Blick über die Gischt tanzen und spüren dieses vertraute Roadtrip-Gefühl: Zufällig irgendwo abgebogen, und plötzlich steht man vor einem kleinen Naturwunder. Kein Mensch könnte so einen Stopp planen – er muss einem einfach in den Schoß fallen.
Rearguard Falls
Und noch dazu steckt hinter diesem Ort eine Geschichte, die ihn besonders macht: Hier endet die epische Reise der Pazifiklachse. Sie schwimmen bis zu 1.200 Kilometer vom Ozean hierher, kämpfen gegen Stromschnellen, Felsen und Fressfeinde – und scheitern schließlich an diesem Wasserfall, den kein Lachs der Welt überwinden kann. Ein tragisches Ende, aber gleichzeitig der Beginn neuen Lebens, denn ihre Körper nähren die nächste Generation.
Die unglaubliche Reise der Pazifiklachse / The Circle Of Life
Die Chinook-Lachse (auch Königslachse genannt) starten ihre Reise im Pazifik, oft vor der Küste von Alaska oder British Columbia. Dort verbringen sie mehrere Jahre im offenen Ozean, bis sie der Instinkt zurück in ihre Heimatflüsse treibt.
Distanz: Bis zu 1.200 Kilometer schwimmen die Lachse flussaufwärts – gegen die Strömung, über Stromschnellen hinweg, und immer wieder vorbei an hungrigen Bären, Adlern und Menschen.
Ziel: Die Stelle, an der sie einst selbst geschlüpft sind. Dort laichen sie, legen ihre Eier ab – und beenden danach ihr Leben. Ein Kreis schließt sich.
Warum hier Schluss ist: Die Rearguard Falls bilden die natürliche Endstation. Der Wasserfall ist zu hoch und zu stark, als dass die Lachse ihn überwinden könnten. Kein Springen, kein Kämpfen hilft – hier endet ihre epische Reise.
Der Kreislauf des Lebens: Mit ihrem Tod liefern die Lachse wichtige Nährstoffe für das Ökosystem. Ihre Körper werden zu Nahrung für andere Tiere und reichern den Fluss mit Nährstoffen an – wovon am Ende auch die frisch geschlüpften Jungfische profitieren. So nähren die Eltern indirekt ihre eigene Nachkommenschaft.
👉 Damit gilt dieser Ort als der am weitesten von der Pazifikküste entfernte Punkt, an dem Lachse noch gesichtet werden können. Ein kleines Naturwunder – und ein ziemlich bewegender Moment für alle, die es miterleben.

Zurück auf dem Highway wartet das nächste große Kino: Mount Robson. Mit seinen imposanten 3.954 Metern ragt er wie ein Riese über die Landschaft hinaus – der höchste Gipfel der gesamten Rocky Mountains. Wir haben Glück, das Wetter spielt mit: wolkenlos, klare Sicht. Die Gletscher glitzern im späten Sonnenlicht, und die Szenerie wirkt so perfekt, als hätte jemand einen „Kanada-Reiseführer zum Leben erweckt“. Wir knipsen begeistert Fotos – und die Kamera schafft es kaum, diese monumentale Szenerie einzufangen.

Die Fahrt fühlt sich an wie ein Film in Cinemascope: weite Täler, dichte Wälder, glitzernde Flüsse und Berge, die man am liebsten in die Tasche stecken würde, um sie daheim wieder auszupacken. Und während der Soundtrack in unserem Kopf läuft (irgendwo zwischen „Into the Wild“ und „Jurassic Park“), steuern wir auf unser Tagesziel zu.

Um 18 Uhr rollen wir schließlich auf den Robson Meadows Campground. Schon am Eingang begrüßen uns die freundlichen Rangers – das Geld wird direkt vor Ort kassiert, alles ganz unkompliziert. Überraschung: Auch hier ist die Dame, die für unseren Stellplatz zuständig ist, ist deutschstämmig. „Die Welt ist klein“, sagt man – und heute wirkt sie fast wie ein Dorf. Nach einem kurzen Plausch zahlen wir die $28 für den Stellplatz und gönnen uns für weitere $10 ein Bündel Feuerholz.
Das Holz allerdings – sagen wir mal so – hat ein bisschen zu innig mit der Feuchtigkeit der letzten Tage gekuschelt. Entzünden? Gar nicht so einfach. Doch Stefan gibt nicht auf, hantiert geduldig mit Funken und Flammen, und irgendwann knistert es doch. Auf dem Feuer brutzelt bald ein respektables Steak, dazu das frisch erbeutete Bier der Crossroads Brewery – ein Festmahl mitten in der Wildnis.

Später wagen wir uns noch zu den Duschen. Das klingt trivial – doch der Weg dorthin ist stockfinster, der Wald atmet mit jedem Schritt, und wir fühlen uns wie in einer Szene aus einem Thriller. Die Duschräume entpuppen sich als rustikale Kabinen, und prompt sorgt eine fette Spinne für Aufregung: Zwei junge Frauen stehen davor, trauen sich nicht hinein und verschwinden kreischend wieder. Ich hingegen? Sehe die Spinne, seufze, zucke mit den Schultern – und gehe duschen. Die Spinne thront dabei wie ein stiller Türsteher über mir.
Auf dem Rückweg denke ich schmunzelnd: Sollte ich die Spinne nicht einfach mitnehmen? Als persönlicher „Dusch-Bodyguard“ würde sie künftig bestimmt die Kabinen freihalten. Vielleicht eine Geschäftsidee für Camper? „Spider-Security – garantiert frei von Mitnutzern.“
Doch Spaß beiseite: zurück im Camper kuscheln wir uns zufrieden ins Bett. Gute Nacht, Robson Meadows! Morgen warten die großen Namen – Jasper und Banff – und wir können es kaum erwarten, diese legendären Nationalparks zu erkunden.