Abenteuer im Sidestep Canyon und ein
unfreiwilliger „Tauchgang“ im Cathedral Wash

Es sieht ganz danach aus, als würde auch heute wieder ein spannender Tag in der Wildnis auf uns warten.  Unser Ziel: der  Sidestep Canyon und das sagenumwobene Rainbow Valley  – zwei Namen, die klingen wie aus einem Western-Drehbuch, und wir sind bereit für die Hauptrolle.

Punkt 8:00 Uhr verlassen wir unser gemütliches Hotelzimmer , das uns nur mit einem Hauch von Bett-Widerstand zurückhalten wollte. Doch die Abenteuerlust siegt.  Highway 89 ruft – unser alter Bekannter.  Inzwischen kennen wir ihn besser als die eigene Straße zu Hause, inklusive aller Kurven, Tempolimits und „Achtung: Hirsch“-Schilder.

Nach etwa einer Stunde Fahrt erreichen wir einen Ort, den man nur mit viel Wohlwollen als „Ort“ bezeichnen kann – sagen wir mal:  ein Häufchen Häuser kurz vor Big Water. Dort irren wir zunächst ein bisschen durch die Straßen.  Unser Navi scheint beschlossen zu haben, sich heute mit dem Satellit zu verkrachen.  Es zeigt Richtungen, die nicht existieren, und Straßen, die eher an Feldwege erinnern. Also:  Instinkt statt GPS.  Wir fahren einfach weiter geradeaus – bis  die Straße plötzlich… endet.

Rainbow Valley

Aber hey – da ist ein Tor. Und dahinter?  Eine erstaunlich gute Schotterstraße. Nach dem Matschchaos gestern wirkt das hier wie  ein frisch gesaugter Teppich.  Wir nehmen die Einladung an, biegen bei der Gabelung rechts ab (K7065 – klingt wie ein Drucker, fährt sich aber gut) und tuckern  völlig unbehelligt durch eine karge, aber schöne Landschaft. Nach etwa einer halben Meile stehen wir plötzlich vor einem  eingezäunten Weidegebiet. Keine Schilder. Kein Trailhead. Kein Willkommen.  Nur: Zaun. Also parken wir das Auto einfach auf einem Feld. Ob das erlaubt ist? Keine Ahnung. Aber unser Jeep sieht dank gestern immer noch aus wie ein rollender Lehmbrocken, also fällt er  nicht weiter auf.   Camouflage durch Dreck – man nimmt, was man kriegt.

Laut unseren Internetquellen müsste es irgendwo  eine Öffnung im Zaun geben.  Spoiler: Gibt’s auch. Nur finden wir sie nicht. Stefan steht schon kurz davor, einen Rückzug anzutreten („Dann halt nicht…“),  als ich ganz am Ende des Zauns eine Drahtschlaufe entdecke.  Sie sieht aus wie etwas zwischen Viehzaun und Kindersicherung. Ich fädele sie auf, wir schlüpfen durch – und schließen brav hinter uns ab.  Nicht dass noch ein Rindvieh wegrennt. Oder wir.

Jetzt kann’s losgehen. Der Trail beginnt harmlos.  Ein schmaler Pfad, ein sanfter Anstieg, ein paar störrische Wüstenbüsche. Karg, still, völlig unspektakulär.  Stefan schaut skeptisch. Ich auch. Canyon? Wo? Noch sieht’s eher nach „verpasstem Abzweig“ aus als nach Naturwunder.

Rainbow Valley

Plötzlich piept  Stefans GPS  und schlägt eine neue Richtung vor:  rechts ab – querfeldein. Na super.  Der Trail war eh langweilig. Also rein ins Dickicht. Der Boden wird sandiger , die Büsche kratziger,  unsere Orientierung eher gefühlt als GPS-genau.  Aber – wir sind unterwegs. Nach etwa 20 Minuten Marsch  zeigt sich plötzlich  am Horizont eine strahlend weiße Abbruchkante. Wir beschleunigen automatisch. Die Neugier ist geweckt. Was dahinter wohl auf uns wartet?

Als wir die Abbruchkante erreichen, bleibt uns kurz die Spucke weg. Unter uns breitet sich ein Kessel aus,  der aussieht wie ein Pastell-Tuschkasten auf LSD.  Zarte Töne von Rosa über Vanillegelb bis Cremeweiß –  alles so weich, dass man fast glaubt, es wäre gezeichnet und nicht echt. Wir stehen einfach nur da. Und staunen.

Rainbow Valley

Wie bitte hat die Natur das hier hingekriegt – und warum steht das nicht in jedem Reiseführer in Großbuchstaben auf Seite 1? Langsam steigen wir den Abhang hinunter. Vorsichtig, Schritt für Schritt –  nicht nur wegen der Kamera, sondern auch wegen der knirschenden Knie. Der Sandstein unter unseren Füßen wirkt fast zerbrechlich , als hätte jemand eine Sahnetorte zu lange in der Sonne stehen lassen –  aber in schön.

Je näher wir kommen, desto unglaublicher wird’s.  Kunstvolle Linien, geschwungene Formen, Farben wie mit der Spritzpistole aufgetragen. Diese Felsen wirken nicht geologisch, sondern dekorativ. Man möchte fast fragen, ob es irgendwo einen Künstler gibt, der das hier alles am Computer modelliert hat. Und ja – Utah, du alte Trickserin – wir dachten, wir kennen dich. Aber du haust uns immer wieder aus den Wanderschuhen.

Unsere Tour durch den  Sidestep Canyon  entwickelt sich zur  puren Schatzsuche. Hoodoos überall – als hätte jemand Stein-Muppets aus der Erde gezogen.  Jede Formation ein bisschen anders, ein bisschen seltsam, ein bisschen: „Was zur Hölle ist das eigentlich?“

Rainbow Valley

Wir laufen drum herum, gucken von links, von rechts, von unten –  fotografieren wie auf Speed  und reden irgendwann nur noch in Superlativen. Dann kommt unser Technik-Star zum Einsatz:  die Drohne. Wir lassen sie steigen – und die Landschaft entfaltet sich unter uns wie ein Natur-Puzzle in Übergröße. Von oben sehen die Hoodoos plötzlich aus wie Spielzeug.

Die Farben, die Weite, die Struktur – ein Mosaik aus Zeit, Wind und Überraschung. Nur das Display zeigt irgendwann: „Signal schwach.“ Und ich denke: „Komm bitte zurück, kleine Drohne. Ich schwöre, du kriegst auch frischen Akku.“ Aber sie ist brav, hört aufs Knöpfchen – und landet zuverlässig neben uns. Ein Hoch auf moderne Technik und unsere zittrigen Daumen.

Drei Stunden  verlieren wir uns in diesem wilden, farbigen Wunderland – ohne auf die Uhr zu schauen, ohne an Essen zu denken. (Ein echter Indikator dafür, wie schön es ist.) Als wir irgendwann aufs Handy gucken, stellen wir fest: Ups, halber Tag weg. Und der eigentlich geplante Sidestep Canyon? Liegt irgendwo direkt nebenan. Haben wir vergessen. Aber ehrlich gesagt – war völlig okay so. Was für ein Tag bisher. Und dabei ist er noch nicht mal vorbei.

Um 13 Uhr erreichen wir unseren Jeep – staubig, verschwitzt, aber voller Glückshormone. Der Vormittag hat geliefert. Und jetzt? Jetzt spricht der Magen.  Laut. Und deutlich. Also auf nach Page. Essen, bitte. Sofort. Rund eine Stunde später rollen wir in die Stadt – und schauen etwas irritiert auf die Uhr: Immer noch 13 Uhr. Hä?  Wir haben Zeit gefressen, aber offenbar nichts verloren . Arizona, du Schlingel!

Die Lösung:  Arizona ignoriert die Sommerzeit. Obwohl wir geografisch in der Mountain Time Zone bleiben,  springen wir mit einem Bein in die Vergangenheit. Zeitreisen sind möglich. Und offenbar auch hungrig. Unser Ziel ist klar:  Big John’s Texas BBQ. Schon beim letzten Besuch war klar –  wir kommen wieder. Der Geruch von gegrilltem Fleisch hängt wie ein Versprechen in der Luft. Also rein, wieder Platz genommen auf der überdachten Terrasse –  Picknickbank, rote Saucenflaschen, Countrymusik.

Big John’s Texas BBQ

Hier passt einfach alles. Wir bestellen wieder das Full-Rack Spareribs – zu zweit. Die Portion ist ein Statement.  Zart, rauchig, glasiert mit Liebe und BBQ-Sauce. Ein Knochen nach dem anderen wandert durch die Hände, und jedes Mal denken wir: Noch besser als beim letzten Mal. Wir schweigen, wir schmatzen, wir feiern. Und das Beste:  Wir sind gestärkt – UND haben immer noch eine Bonusstunde im Gepäck. Also:  Was fangen wir jetzt mit unserem Geschenk der Zeitzonen-Götter an?

Beim letzten Bissen entsteht der Plan: Cathedral Wash Trail. Schon länger auf der Liste – und jetzt liegt er  in perfekter Halbtagesdistanz. Klingt ideal:  Canyon runter zum Colorado River, ein bisschen kraxeln, ein bisschen staunen,  und rechtzeitig zurück, bevor das Abendlicht zur Taschenlampe ruft. Von Page sind es rund 60 Minuten bis zum Trailhead – also genau die richtige Zeit, um das Essen zu verdauen, ohne einzuschlafen. Und mal ehrlich:  Nach dem Rainbow Valley kann heute eh nichts mehr schiefgehen.

Entschluss gefasst! Um Punkt  14 Uhr parken wir unseren Jeep am Trailhead des Cathedral Wash , direkt an der Lees Ferry Road – ein vertrauter Ort mit neuem Elan. Rucksäcke geschultert, Wasserflaschen geschnappt – das Abenteuer kann losgehen.

Wir waren 2017 schon einmal hier.  Damals standen wir noch ratlos vor jeder steinigen Stufe und dachten: „Hier geht’s doch nicht weiter?!“ Heute fühlen wir uns fast wie Canyon-Veteranen.  Wir wissen, wo’s runtergeht – zumindest, wenn sich in den letzten drei Jahren nicht heimlich jemand eine neue Felswand hat einbauen lassen.

Der Einstieg? Eine kleine Böschung. Easy.  Der Trail beginnt freundlich, fast zu nett – flach, offen, als wollte er sagen: „Kommt ruhig näher, ich tu euch nichts.“ Aber keine zehn Minuten später zeigt er uns die wüste Seite des Lebens: Absätze, Felsbrocken, Hindernisse aller Art. Man braucht ein bisschen Geschick – und eine Portion Humor, wenn man sich wieder mal elegant wie ein Maikäfer über einen Brocken rollt.

Cathedral Wash

Aber klar:  Dafür sind wir hier. Felsige Realität statt gestyltem Wanderweg. Dann die ersten Wasserpools –  spiegelnd, mystisch, Instagram-würdig. Aber eben auch:  im Weg. Wir tänzeln links, balancieren rechts, schieben uns über schmale Felsbänke und fühlen uns dabei ein bisschen wie Indiana Jones auf Wandertour. Immer auf der Suche nach dem besten Weg. Oder wenigstens einem, der nicht durch die Pfütze führt.

Je tiefer wir in den Canyon vordringen, desto eindrucksvoller wird’s: Steil aufragende Wände, Lichtstrahlen, die durch die Spalten brechen, als hätte Spielberg sie dort platziert. Es wirkt beinahe unwirklich –  und das ist nicht übertrieben. Die Atmosphäre?  Unwirklich still. Keine Stimmen, kein Motorbrummen. Nur Wind, Sand und das leise Knirschen unserer Schuhe.

Ein Canyon ganz für uns allein.  Und das ganz ohne Eintrittskarte. Der Cathedral Wash Trail überrascht – mal eng und schroff, mal weit und weich. Ein ständiger Wechsel zwischen Drama und Durchatmen. Und wir mittendrin. Begeistert, verdreckt, beseelt. Und ja –  noch wartet das große Finale: der Colorado River.

Aber zuerst kommt Stefan. Oder besser gesagt: Stefans großes Bad. Wir stehen vor einem dieser Pools.  Die Route ist unklar, das Wasser klar – und kalt. Stefan entdeckt einen schmalen Felsvorsprung:  „Das ist mein Weg“, verkündet er in Abenteuermanier, während ich skeptisch gucke.

„Ich glaub, da vorne ist’s einfacher“, werfe ich ein. Doch mein Vorschlag? Prallt an Stefans Entdecker-Ego ab wie ein Pingpongball am Stahlhelm. Gerade, als ich noch sinniere, wie ich elegant drum herum komme, taucht ein freundliches Paar auf. Sie nicken, deuten, grinsen: „Da vorne gibt’s eine leichte Stelle – wirklich ganz easy.“ Ich: begeistert. Stefan:  entschlossen, stur, bereit für seinen Solo-Stunt. Und siehe da:  Platsch.

Ein Geräusch wie aus einer Wasserrutschbahn –  nur ohne Rutsche. Stefan landet mittendrin. Ich lache laut –  nicht schadenfroh, sondern… okay, doch ein bisschen. Heldentat: Er hat die Kamera trocken gehalten –  über dem Kopf wie ein Olympiasieger.

Weniger heldenhaft:  Das iPhone in der Hosentasche schwimmt eine Runde mit. Zum Glück:  Das iPhone überlebt. Stefan auch. Nur seine Würde bekommt ein paar Tropfen ab. Er zieht das nasse Sweatshirt aus, legt es über einen Felsen und sieht aus wie ein trauriger Pinguin mit Abenteuerlizenz.

Ich frage vorsichtig: „Sollen wir umkehren?“ Sein Blick? Entschlossen. Seine Antwort? Klar:  „Niemals.“ Also weiter – mit triefenden Schuhen und einem Soundtrack aus „Watsch-Watsch“ bei jedem Schritt. Ich versuche, nicht bei jedem Ton laut los zu lachen. Stefan versucht, so zu tun, als sei das alles genauso geplant gewesen. Und vielleicht, ganz vielleicht, denkt er beim nächsten Wasserhindernis: „Was würde Gabi sagen?“

Cathedral Wash

Nachdem wir etwa eine Meile im Canyon unterwegs sind, steht es plötzlich wieder vor uns –  der Dryfall.  Zehn Meter steil nach unten. Und mit ihm taucht auch eine alte Bekannte wieder auf:  die Erinnerung an 2018 , als wir an genau dieser Stelle dachten: „Okay, das war’s. Hier geht’s nicht weiter. Trail zu Ende. Danke für nichts.“

Damals standen wir ratlos am Abgrund –  keine Idee, wie runter, keine Absperrung, keine Wegweiser.  Nur zwei Leute mit leicht panischem Blick und einer vagen Hoffnung, dass da unten irgendein Indiana Jones schon mal eine Treppe gelassen hat. Hat er nicht.  Aber wir haben’s trotzdem geschafft. Irgendwie. Und genau dieses alte Kribbeln ist jetzt wieder da. Also los. Auf ein Neues. Wir erinnern uns: Rechts. Unter dem Überhang durch. Bücken, zwängen, hoffen. Tatsächlich – da ist sie:  die schmale Rinne .

Der Einstieg in den nächsten Abschnitt des Cathedral Wash, und ganz ehrlich –  er sieht kein Stück weniger wild aus als damals. Ab hier wird’s sportlich. Und kreativ. Der Wash hat sich in ein Spielplatz-Labyrinth aus Felskuhlen, Tümpeln und Felsbrocken verwandelt. Wir laufen links, dann rechts, steigen rüber, krabbeln drunter. Jeder Meter ist so eine Mischung aus Hindernisparcours und „Findest-du-den-Weg?“-Rätsel.

Cathedral Wash

Und ja –  wir finden ihn. Immer wieder. Mit etwas Fluchen, viel Grinsen und gelegentlich sehr seltsamen Körperhaltungen. Je weiter wir vordringen, desto dramatischer wird’s. Die Canyonwände schrauben sich nach oben, der Himmel wird zu einem schmalen Streifen.

Der Slot wird enger – und wir kleiner. Mal müssen wir uns ducken, mal kriechen. Manchmal schleichen wir mit eingezogenem Bauch an einer Wand entlang, als wären wir auf einer Spionagemission. Nur dass die Gegner hier Felsen sind. Und der Einsatz: trockene Klamotten. Aber dann:  Wow. Einfach wow. Die Formen, die Farben, die Schatten.  Es sieht aus wie aus einem Film – nur ohne Spezialeffekte. Die Natur hat hier ganze Arbeit geleistet – und uns mittendrin abgestellt.

Und obwohl wir uns mittlerweile wie halbe Kletterprofis fühlen, ist jedes neue Hindernis wieder spannend. Ein echter Trail, der nicht einfach nur schön, sondern  lebendig ist. Kurz vor dem Ziel ändert sich plötzlich alles. Der Canyon öffnet sich , das Licht wird heller, und wir hören es ganz leise: Das Rauschen des Colorado Rivers.

Ein Geräusch wie ein Versprechen. Aber der Weg dorthin? Noch einmal eine kleine Mutprobe. Riesige Felsbrocken liegen wie Puzzle-Stücke im Sand. Hier klettern, da ducken, dort schlängeln.

Cathedral Wash

Der Trail wird zum Strategiespiel. Ein bisschen wie Tetris – nur dass man selbst das Tetristeil ist und möglichst nicht irgendwo steckenbleiben sollte. Und dann: Plötzlich, fast unerwartet, stehen wir am Ufer. Der Colorado. Breit, ruhig, kraftvoll. Eingebettet in rote Felswände, die aussehen, als hätte jemand die Sättigung zu hoch gedreht.

Der Fluss rauscht, die Luft ist kühl, wir stehen da – und sagen erstmal… nichts. Weil’s nicht nötig ist. Der Moment spricht für sich. Wir setzen uns ans Ufer. Keine Menschen, keine Geräusche außer dem Fluss und dem Wind. Es fühlt sich an wie der Zielpunkt einer Mission.

Colorado River

Nach einer Weile – die Flaschen leer, der Kopf voll, der Schritt ein bisschen langsamer – treten wir den Rückweg an. Und obwohl uns der Cathedral Wash noch einmal ordentlich fordert, tun wir das mit einer gewissen Lässigkeit. Vielleicht ist es Erschöpfung, vielleicht auch diese stille Zufriedenheit, wenn man etwas geschafft hat, das nach “kann man machen” klang, aber sich wie “Wow – wir haben’s wirklich gemacht” anfühlt. Jeder Schritt zurück trägt ein Stück Erinnerung – an enge Durchschlüpfe, rutschige Pools, knarzende Felsen und das Gefühl, etwas Besonderes erlebt zu haben.

Wir am Colorado

Der Canyon hat uns durchgewürfelt –  aber wir sind nicht nur heil rausgekommen, sondern ein bisschen reich beschenkt. Mit Eindrücken. Und Geschichten. Und Muskelkater.

Ach ja,  das Sweatshirt. Stefan hatte es klug in der Sonne drapiert, ganz nach dem Motto: „Das wird schon.“ Spoiler:  wurde es nicht. Als wir es aufheben, tropft es immer noch. Nicht viel, aber genug, dass man denkt: „Das hat Charakter. Und vielleicht auch eine eigene Meinung.“ Es fühlte sich an, als würde das Shirt uns beleidigt anstarren: „Trocknen? Für euch? Sicher nicht.“ Wir lachen – und nehmen es natürlich mit. Schwer, nass, bockig.  Aber ein vollwertiges Mitglied des Teams. Und dann… das letzte Hindernis. Ein eher unscheinbarer Dryfall. Keine 1,50 Meter hoch. Sah harmlos aus. War er aber nicht.

Die Oberfläche glatt wie frisch gewachster Küchenboden – und unsere Motivation ungefähr so fest wie Seife in der Dusche. Wir versuchen’s. Rutschen ab. Versuchen’s wieder. Langsam schleicht sich der Gedanke ein: „War das alles etwa umsonst? Bleiben wir jetzt hier wohnen?“ Doch dann:  Hilfe naht. Vier junge Männer. Sportlich. Mutig. Frisch gewaschen. Ich denke noch:  „Die machen das jetzt mit einem Sprung rückwärts.“ Tun sie nicht. Auch sie rutschen ab wie frisch paniertes Schnitzel. Und plötzlich fühlen wir uns nicht mehr ganz so albern.

Wir stehen da. Fünf Leute, ein Problem. Dann kommt mir die Idee: Fuß gegen die Wand. Impro-Trittstufe. Der erste junge Mann setzt an – tritt auf meinen Schuh, schiebt sich hoch –  zack, oben. Die anderen folgen. Und dann:  Ladies and Gentlemen, wir präsentieren: Das große Finale – Teamwork Edition. Ich werde hochgezogen wie eine Kiste Sprudel. Stefan ebenfalls. Und mein Schuh? Held des Tages. Tapfer, belastbar, voller Schmutz – aber erfolgreich.

Der Rest des Weges? Ein Spaziergang. Ein Auslaufen nach dem Canyon-Halbmarathon. Keine Stolperfallen mehr, keine Überraschungen. Nur das angenehme Gefühl: Wir sind zurück. Am Jeep. Am Ende. Aber auch irgendwie am Anfang – von einer ziemlich guten Geschichte.

Zurück nach Kanab. Und natürlich war klar:  Die gewonnene Stunde aus Arizona mussten wir brav wieder abgeben.  Willkommen zurück in der Mountain Time –  wo die Uhren wieder schneller ticken und die Pizza dafür langsamer duftet. Um  20:30 Uhr  bogen wir erschöpft, verstaubt und glücklich auf den Hotelparkplatz ein. Aber damit war der Tag noch lange nicht vorbei. Ziel erreicht? Check. Zustand? Fragwürdig. Lösungsansatz? Erst mal was essen – dann eventuell duschen. Vielleicht.

Stefan sah aus, als hätte ihn jemand auf dem Rückweg durch ein Trocknerprogramm gejagt. Sein Sweatshirt hing wie ein trauriger Vorhang im Auto – einst klatschnass, jetzt knittrig, staubig und leicht beleidigt. Ich selbst war nicht besser dran: Haare wie geplatzte Popcornkügelchen, Schuhe voll Canyonstaub, Gesicht mit Wüstenglanz.

Pizza Hut

Direkt neben dem Hotel leuchtete ein Pizza Hut-Logo verheißungsvoll in die Nacht. „Lass uns einfach Pizza holen und im Zimmer essen“, schlug einer von uns vor – niemand weiß mehr genau, wer. Doch dann: Käsegeruch im Hotelzimmer? Tomatensauce auf der Bettdecke? Krümel im Bett? Ein kurzer Blick –  und wir wussten beide: Nein. Das ist heute keine Pizzaparty im Pyjama. Also rein in den Pizza Hut. So wie wir waren. Naturbelassen. Canyon-authentisch. Touri-Couture in Beige und Schlamm.

Wir bestellten eine  Pan Pizza, extra Käse, doppelt Pepperoni – wenn schon, denn schon. Der Duft des schmelzenden Käses, die würzige Sauce, der heiße Teig… Das war kein Abendessen – das war eine Belohnung. Eine kulinarische Umarmung nach einem Tag voller Schluchten, Platscher und Stolperabstiege. Mit jedem Bissen wurde der Tag noch ein bisschen schöner. Wir dachten an den Slot Canyon, den Colorado River, das Heldenschuh-Finale und Stefans Tauchgang mit dem iPhone.

Pan Pizza Pepperoni

Jede Erinnerung schmeckte plötzlich nach Käse und Zufriedenheit. So muss das sein, wenn ein Abenteuer in den Feierabend rollt. Zurück im Hotel dann endlich das große Duschen. Wasser marsch gegen Canyonstaub, Salzkristalle und Sonnencreme-Reste.

Frisch geduscht, in trockene Klamotten gehüllt und mit vollem Bauch ließen wir uns ins Bett fallen – müde, satt, glücklich. Und während draußen Kanab zur Ruhe kam, flüsterte drinnen nur noch das Klimagerät: „Gute Nacht, ihr staubigen Helden.“

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