
Zwei Camper, ein Ziel – und Sterzing als erster Zwischenstopp in Richtung Gelato-Glück
Heute geht’s los.
Nach Wochen des Planens, Packens, Listen-Schreibens und gedanklichen Durchspielens von „Was ist, wenn…?“-Szenarien (von Regen bis Revolution im Kinderabteil), startet endlich unser großes Familienabenteuer in Richtung Italien.
Stefan und ich führen unseren geliebten Camper zum ersten Mal in diesem Jahr aus – das rollende Heim ist frisch geputzt, vollgetankt und bereit, neue Geschichten zu schreiben. Unsere Reisebegleitung: Nadine, Oli, Noah und Emilia die sich für dieses Abenteuer einen Mietcamper organisiert haben. Zwei Haushalte auf vier Rädern – ein rollender Familienkonvoi, wie gemacht für Chaos, Camperromantik und kindliche Eskalation am Frühstückstisch.
10:15 Uhr – der Startschuss.
Nadine, Oli und Stefan machen sich auf den Weg, um den Mietcamper abzuholen. Und ich? Ich sitze in aller Ruhe mit einem heißen Kaffee auf dem Sofa, lasse mir die Sonne durchs Fenster scheinen und denke mir: „Wie schön, wenn andere erstmal die Vorarbeit leisten.“ Ein Moment, den ich mit aller Dankbarkeit genieße – denn ich weiß, was noch kommt: Wendekreise, die nicht zum Wenden taugen, Kurven, die nach Drama schreien, und Kinder, die plötzlich Pipi müssen, sobald man in die Autobahn einfädelt.
Noah hat heute schon schulfrei – ein Geschenk des Kalenders und gleichzeitig die beste Gelegenheit, seinen ehemaligen Kindergarten zu besuchen.
Obwohl er längst ein stolzer Zweitklässler ist, liebt er es, dort einen Tag lang wieder “der Große” zu sein. Zwischen Bausteinen, Matschküche und alten Erzieherinnen, die ihn noch als Dreikäsehoch kennen, blüht er auf wie ein kleiner Rückwärts-Zeitreisender. Und Emilia? Die ist sowieso dort – mitten im Kindergartenalltag und mächtig stolz, wenn ihr großer Bruder neben ihr im Bauzimmer sitzt, als wäre er nie weg gewesen. Für einen Tag sind die beiden wieder ein Team, das Sandburgen bauen, Klettergerüste bezwingen und die Brotdose teilen könnte – als gäbe es keine Grundschule und keine zweite Klasse.
Um Punkt 12 Uhr hole ich die beiden ab – aufgeregt, aufgedreht, voller Geschichten. Noah hat mindestens fünfmal erzählt, dass er schon „fast zu groß“ für den Kindergarten ist, und Emilia findet das einfach nur cool. Der erste gemeinsame Reisetag beginnt also nicht mit Italien, sondern mit Erinnerungen – und das ist irgendwie die schönste Einstimmung überhaupt.
BILDERGALERIE: Camper-Abholung
12:30 Uhr – es brummt in der Straße. Stefan, Oli und Nadine rollen mit dem Mietcamper an. Die Euphorie ist groß, die Logistik… sagen wir, kreativ. Alles, was wir in den letzten Tagen sorgfältig zusammengepackt, beschriftet und gestapelt haben, wird jetzt erst mal reingestopft. Hauptsache drin.
Koffer, Taschen, Brotdosen, Spielsachen, Technik, eine verlorene Socke – es sieht aus wie bei einer Raumstation kurz vor dem Countdown. In Wirklichkeit irrt Nadine nur dreimal zwischen Haus und Camper hin und her. Einmal wegen dem Ladekabel, das sich offensichtlich unsichtbar machen kann, einmal wegen den Zahnbürsten, die auf mysteriöse Weise in einem der Beutel wieder aufgetaucht sind, die längst in den Tiefen des Camperhecks vergraben lagen, und einmal, weil irgendjemand (wir nennen keine Namen) Trinkflasche und Vesperdose noch auf der Küchentheke geparkt hat.
Aber das gehört dazu. Zwei Camper. Zwei Kinder. Drei Generationen. Und ein gemeinsames Ziel: Italien. Nicht weniger. Nicht mehr. Aber mit ziemlich viel Vorfreude, einem guten Schuss Wahnsinn, zwei leicht überdrehten Kindern – und vermutlich mindestens einem vergessenen Ladekabel, das sich erst wieder zeigt, wenn wir in den Alpen stehen und jemand fragt: „Wo ist eigentlich das Tablet-Ladegerät?“

Eine Stunde später ist es vollbracht. Alles ist eingepackt, gestapelt, eingeräumt, verschnürt – und irgendwie hat alles seinen Platz gefunden.
Die Kinder sind verteilt wie beim perfekten Strategiespiel: Noah fährt bei Oma und Opa, wo er seine Rolle als Ansager, Fragensteller und Co-Pilot mit großer Hingabe ausfüllt, während Emilia es sich bei Oli und Nadine bequem macht, vermutlich schon mit einem Auge auf die Snackbox und dem anderen auf den Straßenverkehr. Wir rollen los. Richtung Süden. Zwei Camper, ein Konvoi.
Die Sonne steht gut, die Laune besser – und im Rückspiegel sehe ich, wie Emilia bereits die ersten Gummibären vertilgt, während Noah im Minutentakt fragt, ob der Gardasee jetzt endlich „da“ ist. „Ist das schon Italien?“ – „Sind wir gleich da?“ – „Wie viele Minuten sind das in Gummibären?“
Kurz gesagt: alles läuft nach Plan. Und dann passiert das Unfassbare. Kein Stau. Kein! Weder der berühmt-berüchtigte Drackensteiner Hang auf der A8, der sonst gerne zum Standbild mutiert, noch der Fernpass, wo üblicherweise eine halbe Alpenbevölkerung gleichzeitig Urlaub machen will.

Und weil selbst die entspannteste Fahrt nach Italien ohne einen kleinen Zwischenstopp nicht komplett wäre, legten wir auf dem Fernpass einen kurzen Halt am Zugspitzblick ein – einem dieser Orte, die aussehen, als hätte die Natur beschlossen, einfach mal alles richtig zu machen.
Ein großer, rustikaler Holzrahmen, übersät mit Stickern aus aller Welt, lud förmlich zum Familienfoto ein. Und wir ließen uns natürlich nicht zweimal bitten. Einmal alle rein in den Rahmen, ein paar Schnappschüsse später war klar: Das wird ein Urlaubsbild für die Ewigkeit.
Mit dem Herz aus Draht, den verschneiten Bergen im Hintergrund und sechs Paar glücklichen Augen (plus zwei, die heimlich auf den nächsten Snack schielten), hätte das Motiv auch auf eine Titelseite für „Familienurlaub mit Stil“ gepasst.

Dann weiter. Zurück in die rollenden Wohnlandschaften, zurück auf die Straße, weiter Richtung Süden – mit einem Foto mehr im Speicher und der Gewissheit, dass der Urlaub jetzt endgültig richtig begonnen hatte. Nicht mal der Brenner, der zuverlässig für graue Haare und Bluthochdruck sorgt, hat heute schlechte Laune – wir kommen trotz Mega-Baustelle zügig über die Brenner Autobahn.
Die Camper gleiten dahin wie in einem Werbespot. Zeitlupe. Sonnenuntergang. Die Playlist spielt italienischen Pop mit genau der richtigen Mischung aus Herzschmerz und Sommerfeeling, und irgendwo zwischen Kilometer 340 und 341 denke ich: Ja. Genau so fühlt sich Freiheit an.
Unser Ziel für heute: Autohof Sterzing. Ein Ort, an dem sich Trucker, Familiencamper und durchreisende Eiskaffee-Romantiker einträchtig auf demselben Asphalt versammeln. Kein Luxus, aber dafür alles da: Stellplatz, Duschen, Pizza – und der Duft von Diesel in der Abendluft.
Um 19 Uhr rollen wir in Sterzing ein – nicht direkt, sondern mit Umwegen. Genauer gesagt: durch gefühlt jeden Kreisverkehr, den Südtirol aufzubieten hat. Es wirkt fast, als würden wir einem internen Wettbewerb für den elegantesten Kreisbahntanz beiwohnen. Kurve, Blinker, Kurve, Orientierung, Lacher im Bordfunk – und irgendwann dann doch: die Einfahrt zum Camping-Stellplatz.

Ich steige aus, marschiere entschlossen zur kleinen, leicht schiefen Kassenhütte, die aussieht, als hätte sie schon Generationen von Truckerträumen verwaltet – und bezahle für beide Camper. Zwei Camper. Zwei Plätze. Zwei mal 24 Euro. Preislich Top!
Der Charme? Geht so. Aber: die Sanitäranlagen – ein Gedicht. So modern, so stylisch, so sauber, dass man fast freiwillig zweimal duschen möchte, nur um sich ein bisschen schöner zu fühlen. Hochglanzfliesen, indirektes Licht, Duft nach Zitrone. Wer braucht da noch ein Spa?
Das Restaurant? Besser als erwartet. Kein Sternekoch, keine weißen Tischdecken, aber eine Pizza, die heiß, knusprig und herrlich käsig daherkommt, Penne mit genau der richtigen Schärfe, eine Lasagne, die beim Anschneiden leise seufzt, und dazu ein kühles Bier, das direkt und ohne Umwege in den „Wir sind angekommen“-Modus überleitet. Einfach. Perfekt. Urlaub.
BILDERGALERIE: Topstop – Sadobre AG SpA
Und das Beste: Für gerade mal knapp 70 Euro haben wir alle zusammen gegessen wie die Könige von Südtirol. Kein Vergleich zu Autobahnraststätten, wo man für die gleiche Summe eine labberige Brezel und einen Gesichtsausdruck des Kassierers bekommt, der nach innerer Kündigung riecht.
Der Campingplatz mag vielleicht nicht durch Schönheit glänzen – aber sanitäre Pracht und kulinarische Bodenständigkeit? Absolut vorhanden.
Und hier stehen sie, unsere zwei Helden auf vier Rädern – frisch verkabelt und bereit für die Nacht. Wobei… das mit dem Strom war so eine Sache. Der gelbliche Kasten rechts im Bild ist übrigens ein Stromverteiler. Also theoretisch. Praktisch lag er lieblos auf dem Boden, herausgerissen aus seiner Verankerung – wahrscheinlich von jemandem, der entweder sehr wütend oder sehr schlecht im Rückwärtsfahren war.

Wir wunderten uns erst höflich, dann technisch interessiert, warum kein Strom floss, bis wir realisierten: Der Stromkasten steht nicht, er liegt. Und das ist selten ein gutes Zeichen. Lösung: Wir verlegten unser Kabel zum nächsten Kasten, der immerhin noch aufrecht auf seiner Stange thronte, als hätte er all dem Chaos trotzen wollen. Und siehe da – es wurde Licht! Und Kaffee. Und Ladung für alle unsere Geräte.
Moral der Geschichte: Camper sind flexibel. Und Stromverteiler auch. Zumindest, wenn man sie nicht komplett aus dem Boden reißt.
20:00 Uhr. Ruhe kehrt ein. Noah liegt quer in unserem Dinetten-Bett und erzählt noch die letzten Abenteuer des Tages, bevor seine Stimme langsam gegen das leise Surren der Truma-Heizung verliert.
Emilia schnarcht vermutlich schon selig im Nachbarcamper – eingerollt wie ein kleiner Zimtschneckenmensch in ihrer Decke. Draußen parken weitere Reisegefährten ihre Wohnmobile ein, leise klappert irgendwo noch ein Geschirrkorb, ein letzter Lichtschein flackert durch ein Fenster.
In unseren Köpfen läuft längst der Trailer zum nächsten Tag: Gardasee, wir kommen. Mit Sonnenbrille, Salami-Vorrat, einem Hauch Stil –und einem ganz natürlichen Hang zum Chaos.