Zwischen BHs, Einhörnern und Holzfällerhemden – ein Tag im Konsum-Dschungel

Der letzte Tag in der Stadt – bevor wir dem Asphalt der Highways und den Supermarktregalen „Adieu“ sagen und in unser rollendes Abenteuer starten – begann pünktlich um 9 Uhr. Und zwar dort, wo der Duft von Benzin auf Chrom trifft: bei Custom Chrome, einem Motorradhändler, der Herzen höherschlagen lässt – zumindest die mit Lederjacke im Schrank und Motorradführerschein in der Tasche.

Custom Chrome

Während wir zwischen Lenkergriffen, Fußrasten und Zubehör für Bikes stöberten, sah alles kurz so aus, als würden wir noch spontan auf zwei Räder umsatteln. Doch am Ende blieb es bei ein paar ausgesuchten Teilen für unsere Maschinen zu Hause – kleine Erinnerungen an Denver, die später in der Garage glänzen dürfen.

Nächster Stopp: der Denver City Park. In Reiseführern als grünes Herz der Stadt gepriesen, mit Blick auf Skyline und Berge – eigentlich. Denn heute zeigte sich der Park von seiner eher melancholischen Seite. Ein feiner Nieselregen hing in der Luft, der nicht so richtig nass machte, aber zuverlässig in jede Kleidung kroch. Die Skyline? Nahezu Unsichtbar. Verdeckt hinter einem grauen Vorhang, als hätte jemand die Kulisse abgebaut und vergessen, sie wieder aufzubauen. Die Bänke glänzten vom Regen, die Wege wirkten verlassen, und die Enten sahen aus, als würden sie sich über die fehlende Sonne genauso wundern wie wir.

Denver City Park

Aber dann: Rettung naht – in Gummistiefeln und Kapuzenjacke. Denn zum Glück hatten wir zwei wetterresistente Fröhlichmacher dabei: Noah und Emilia. Während wir Erwachsenen versuchten, dem Park wenigstens mit etwas Wohlwollen zu begegnen („Vielleicht hört’s ja gleich auf…“), hatten die beiden längst den Spielplatz entdeckt – eine kleine Oase aus Rutsche, Schaukel und Klettergerüst am Rand des Weges.

Für die Kinder gab es kein Grau. Kein Niesel. Kein „Ist das überhaupt trocken?“ Sie stürzten sich auf das Spielgerät-Ensemble, als wäre gerade Hochsommer mit Eisflatrate. Noah nahm sofort die Schaukel in Beschlag und testete, wie weit man mit Anlauf schwingen kann, bevor Mama nervös wird. Emilia erklomm das Klettergerüst mit der Eleganz einer kleinen Bergziege und rutschte in Dauerschleife – mit juchzenden Tönen, die eindeutig mehr Energie hatten als das Wetter.

Für einen Moment war der Regen egal. Der graue Himmel wich dem bunten Treiben zweier Kinder, die einfach das machten, was sie am besten können: den Moment genießen. Wir saßen auf den halbwegs trockenen Rändern einer Bank und beobachteten dieses kleine Schauspiel mit dem wohligen Gefühl, dass gute Laune manchmal wirklich ansteckend ist.

Denver City Park

Danach ging’s los mit dem finalen Shopping-Kapitel – das große Stadt-Finale, bevor wir Richtung Natur abbiegen. Der erste Halt: Dress For Less. Oder wie wir es mittlerweile nennen: die Schatzkammer des Zufalls. Hier ging es wie immer um die Jagd nach dem einen Teil, das niemand braucht, aber jeder haben will – solange das Preisschild die magische Kombination aus Rotstift und Prozentzeichen zeigt.

Schon beim Betreten verwandelten sich wir Frauen in eine Art Mode-Indiana-Jones-Truppe. Es wurde gewühlt, geflüstert, sortiert, gezweifelt, diskutiert, gerechnet. Stefan stellte sich pflichtbewusst in die Nähe des Eingangs, mit diesem leicht resignierten „Ich warte draußen“-Blick, den man von Männerbänken vor Umkleidekabinen kennt.

Und dann kam Emilia. Die keine Zeit mit Kleinkram wie Shirts oder Socken verschwendete, sondern direkt zur größten, plüschigsten Option griff, die der Laden hergab: ein gigantisches pinkes Einhorn. Mit stoischer Entschlossenheit marschierte sie zwischen BHs, Leggings und Preisetiketten hindurch, das Einhorn unter dem Arm, als wäre es ihre neue beste Freundin und gleichzeitig ihre Eintrittskarte in eine bessere Welt.

Keiner von uns hatte das gesehen kommen. Keine Diskussion, kein Zögern – nur eine klare Entscheidung, die größer war als sie selbst. Das rosa Ungetüm schleifte halb über den Boden, doch Emilia hielt es fest wie einen Schatz, den man unter keinen Umständen zurücklässt. Die Szene wirkte wie ein Standbild aus einem Pixar-Film: „Emilia und das Einhorn – Mission Sale.“

Doch die Realität schlug hart und schonungslos zu: Dieses Ding würde nicht mitkommen. Es bräuchte wahrscheinlich ein eigenes Flugticket, einen Sicherheitscheck und einen Gurtplatz am Fenster. Und so gut auch die Argumente von Emilia waren – der Rückflug hatte andere Pläne.

Entsprechend war Emilias Tag gelaufen. Tränen, trotziges Schweigen, der stille Blick zurück über die Schulter – das volle Drama-Programm. Das Einhorn blieb zurück, wahrscheinlich mit gebrochenem Herzen. Und wir? Mit dem diffusen Gefühl, dass große Emotionen auch mal in der Unterwäscheabteilung stattfinden können. Dress For Less hatte geliefert. Rabatte, Geschichten – und eine Tragödie in Rosa.

Mamaaaaaa! Ich will ein Einhorn 🦄

Doch das war nur das Warm-up. Der eigentliche Endgegner unseres Einkaufstages wartete noch: Colorado Mills. Ein Einkaufszentrum von solcher Ausdehnung, dass man es eigentlich nicht betritt – man taucht ein. Wer hier „nur mal kurz schauen“ will, verliert schneller den Überblick als in einem Ikea an einem Samstag im Hochsommer. Zeitgefühl? Nicht vorgesehen. Orientierung? Ein Glücksspiel.

Wir wollten wirklich nur kurz rein. Wirklich. Vielleicht ein paar Restgrößen durchstöbern, ein Mitbringsel ergattern, noch ein paar „dringend benötigte“ Basics. Vier Stunden später standen wir wieder draußen – mit weichen Knien, gefühlt doppelt so vielen Tüten und einem leicht glasigen Blick, der alles sagte: Wir hatten überlebt.

Zwischendurch wurde es chaotisch. Wir verloren uns – mehrfach. In den Gängen, in der Umkleide, in einem gigantischen Nike Store, der eher einem Stadion ähnelte. Wir fanden uns wieder. Mal in der Kinderabteilung, mal beim dritten Besuch bei Hilfiger. Wir fanden Schnäppchen. Mehrmals. Die Kinder kämpften tapfer mit – zwischen Spielplatz, Wasserspender und „Darf ich das haben?“ 

Morgen beginnt das Kontrastprogramm. Natur. Freiheit. Camperleben. Keine Rolltreppen, keine Umkleidekabinen, keine Hintergrundmusik mit Sonderangebotsdurchsage. Aber heute? Heute war Shopping-Showdown. Und wir haben geliefert.

Doch dann, wie in jedem epischen Abenteuer kurz vor dem Showdown, meldete sich das, was wirklich zählt – der Magen. „HUNGER!“, schallte es unisono durch den Van, als hätten wir gerade die Alpen überquert, fünf Drachen besiegt und seit Tagen nichts als Müsliriegel gehabt.

Und jetzt kommt eine dieser Enthüllungen, bei denen man nicht weiß, ob man lachen oder die Augen verdrehen soll: Stefan und Oli sind – laut eigener Aussage – bekennende Hooters-Fans. Aber natürlich, Hand aufs Herz: „Nur wegen der Chicken Wings!“ Alles andere sei eine böswillige Unterstellung, ein Gerücht, ein tragischer Irrtum. Klar doch.

Das Problem? Kein Hooters weit und breit. Die Gesichter der beiden lang wie der Colorado River in der Trockenzeit. Doch dann: Oli, unser kulinarischer Krisenmanager mit Google-Finger, zauberte eine Lösung aus dem Hut. „Twin Peaks“, murmelte er mit verschwörerischem Unterton – und das klang eindeutig weniger nach Bergidylle und mehr nach Konzeptübernahme mit frecher Note.

Der Name allein ließ schon vermuten, wohin die Reise geht – und wir lagen nicht falsch. Die Fahrt dorthin war begleitet von verschwörerischem Lachen, taktischem Schweigen und dem feierlichen Satz: „Wir gehen da nur wegen der Wings hin, ja?“

Drinnen dann die große Überraschung: Die Chicken Wings waren tatsächlich richtig gut. Und wenn Stefan und Oli das sagen – zwischen zwei Saucenbewertungen und prüfendem Blick auf die knusprige Haut – dann hat das Gewicht. Aber die wahre Unterhaltung spielte sich abseits der Teller ab.

Prall gefüllte Holzfällerhemden, Hotpants, die eher Stoffreste als Kleidungsstücke waren, und ein Service-Lächeln:. „Möchtet ihr noch was bestellen?“ Ja, bitte: Einen Moment zum Luftholen.

„Kommen wir morgen wieder?“, flüsterte Oli, den Blick über den Glasrand hinweg zu Stefan gerichtet. Und Stefan nickte mit einem Grinsen, das jede Erklärung überflüssig machte. Wir schauten uns an, lachten. Chicken Wings natürlich. Nur Chicken Wings. Ehrlich.

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