
Rauf. Runter. Rüber. Durch. – Arches National Park in seiner ganzen Pracht
6:45 Uhr. Eine Uhrzeit, die für normale Menschen mit „Warum eigentlich?“ beginnt – und für uns mit halb geschlossenen Augen und knurrendem Magen.
Es war einer dieser frühen Starts, bei denen selbst der Kaffee noch zu verschlafen war, um Wirkung zu zeigen. Aber wir rollten. Ohne Frühstück. Ohne Gnade. Aber mit Ziel: Arches National Park.
Einer der bekanntesten Nationalparks der USA – und gleichzeitig eine der spektakulärsten Kulissen, die Mutter Natur je in rotem Sandstein gemeißelt hat. Hinter jeder Kurve: ein Fotomotiv. Hinter jedem Felsen: ein neues Wow. Und vor jedem Wanderweg: ein Parkplatzdrama.
Denn wer Arches kennt, weiß: Hier gibt es eine ungeschriebene Regel – und die lautet: Wenn du denkst, du bist früh dran, sind andere schon längst da.

Parkplätze sind eine Währung. Wer zu spät kommt, darf Kreise drehen. Oder wieder fahren. Deshalb: Kein Umweg, keine Pause, kein Espresso-Stop. Wir fuhren direkt bis ans Ende des Parks – zum Devils Garden Trailhead.
Strategie: erst parken, dann frühstücken. So viel Vernunft war selbst mit leerem Magen noch drin. Sicherheit vor Koffein. Ein Satz, den ich selbst nicht gern sage – aber manchmal muss man Opfer bringen.
Die Sonne ging gerade hinter den roten Felsen auf, tauchte die Landschaft in ein warmes, goldenes Licht, während unsere Mägen langsam anfingen, sich gegenseitig zu beschuldigen. Aber wir hatten einen Parkplatz. Einen echten. Ohne „nur für 15 Minuten“-Schild, ohne Schotter am Abgrund. Ein fester Platz, auf festem Grund – mit Aussicht auf Frühstück. Mission erfüllt. Erstmal.
BILDERGALERIE: Arches National Park Road
Frühstück am Devils Garden Trailhead: Noch im Camper, denn draußen war es frisch – nicht „zieh dir mal was über“-frisch, sondern „könnte ich mich eventuell in meinen Schlafsack setzen“-frisch.
Aber das Panorama entschädigte für alles: vor uns die aufgehende Sonne, die den roten Sandstein langsam aufwärmte wie ein Brötchen im Toaster – und dahinter der Trail, der uns gleich Richtung Landscape Arch führen würde. Doch erstmal: Kaffee. Toast. Bagels. Und das gute Gefühl, dass der Tag noch jung war.

Dann ging’s los. Wir stapften zum Trailhead, schlugen den Weg Richtung Landscape Arch ein, Sonne im Gesicht, Vorfreude im Gepäck – und, wie sich herausstellte, leider auch ein kleiner Denkfehler.
Nach knapp 1,5 Kilometern kam die Erkenntnis wie ein kleiner Donnerschlag: Emilias Essen für unser Picknick lag gemütlich und völlig vergessen im Camper. Stille. Blicke. Schulterzucken. Dann: Oli. Unser Jogger des Tages.
Ohne zu murren drehte er um, nahm die Strecke zurück im Laufschritt, während wir anderen in leichter Zeitlupe weiterliefen – und dabei heimlich die Uhr stoppten, als wären wir bei einer olympischen Elternstaffel.
Kurz darauf holte er uns wieder ein – mit Emilias Proviant, einem leichten Schwitzglanz auf der Stirn und dem unsichtbaren Orden für „Logistikheld des Tages“.

Und das Timing hätte besser nicht sein können – denn: Wenig später standen wir vor dem Landscape Arch. Ein Bogen? Nicht wirklich. Der Landscape Arch ist eher eine Linie – ein schwebender Strich aus Stein, so filigran, dass man fast meint, ein kräftiger Windstoß würde ihn wegwehen.
Mit 88 Metern Spannweite zählt er zu den längsten natürlichen Steinbögen der Welt – und ganz sicher zu den schmalsten. Er spannt sich über das Tal wie ein in Stein gemeißelter Regenbogen. So zart, so zerbrechlich, dass man unwillkürlich leiser spricht, als könnte eine falsche Vibration ihn zum Einsturz bringen.
Man darf ihn längst nicht mehr betreten – und das ist auch gut so. Aber der Anblick? Unvergesslich. Die meisten drehen hier um. Der gut ausgebaute Weg endet. Aber wir? Drehten nicht um. Wir gingen weiter.

Rein in den Primitive Loop Trail – eine Route, die den Begriff „Wanderweg“ eher als grobe Empfehlung versteht. Der Trail ist weniger Weg als Hindernisparcours mit Aussicht. Schmale Sandsteinrücken, steile Anstiege, lose Kanten – eine Mischung aus Balanceakt, Klettertour und Familien-Teambuilding. Emilia wurde abwechselnd getragen, weitergereicht und mit Motivationssprüchen versorgt.
Manchmal zogen wir sie hoch, manchmal rutschte sie heldenhaft auf dem Po, und einmal erklomm sie einen steilen Fels, als hätte sie das bei Merida gesehen – nicht die romantische Disney-Prinzessin, sondern die mit Pfeil, Bogen und Wagemut.
BILDERGALERIE: Primitive Loop Trail
Oli und Noah übernahmen die Rolle der Scouts: Vorlaufen, prüfen, sichern. Wir anderen kamen in Schlangenlinie hinterher – flach atmend, schwitzend, aber mit wachsendem Stolz. Das war kein Spaziergang – das war ein echtes Naturabenteuer.
Und dann: die Abzweigungen zu den Arches. Erster Halt: Partition Arch. Zwei steinerne Fenster mit gigantischem Panoramablick über die Wüste – wie der Balkon einer Festung mitten im Nichts. Der Weg dorthin? Schmal, sandig, spektakulär. Aber die Aussicht? Eine dieser Kulissen, bei der man die Kamera gar nicht mehr wegpackt – weil jedes Bild ein Poster sein könnte.

Weiter ging es zum Navajo Arch, einem mächtigen Bogen, der sich wie ein Naturtunnel über eine sandige Lichtung spannt. Die Atmosphäre war beinahe mystisch – kühl, schattig, vollkommen still. Ein Rückzugsort aus Fels und Licht. Hier legten wir eine kurze Pause ein, tranken Wasser, aßen eine Kleinigkeit und machten Fotos – und sammelten Kraft für den Rückweg.

Der Rückweg führte über dieselben Felsen, Rinnen und Rutschpassagen, die jetzt, mit müden Beinen und vollem Speicherchip, nochmal eine neue Herausforderung darstellten. Aber wie das bei guten Filmen ist: Beim zweiten Mal kennt man die Stellen – und genießt sie mehr.
Zurück am Camper waren wir erschöpft, staubig, sonnengewärmt und überglücklich. Dieser Trail hatte uns gefordert, unsere Waden getestet und unser Improvisationstalent auf die Probe gestellt. Aber er hatte uns auch belohnt – mit Ausblicken, Erinnerungen und dem Gefühl, den Tag wirklich erlebt zu haben. Und das Beste daran? Der war noch lange nicht vorbei.
BILDERGALERIE: Die Arches Auf Dem Primitive Loop Trail
Nach einer kurzen Pause – Wasser, Luft, Beine ausstrecken – stand sie an: DIE Wanderung. Nicht irgendein Trail. Sondern der Trail zum Delicate Arch.
Das Wahrzeichen von Utah. Der Bogen, der auf Postkarten, T-Shirts, Werbeplakaten und – ganz offiziell – auf den Autokennzeichen des Bundesstaats prangt. Wer hier war und nicht dort oben – der war nur fast hier.
Also steuerten wir den Parkplatz an. Rucksack auf, Mützen fest, Sonnencreme nochmal nachziehen. Denn bevor man die Aussicht genießen kann, muss man sie sich verdienen. Und wie. Der Weg beginnt noch harmlos.
Ein breiter Pfad führt an einer alten Ranch vorbei, mit knorrigen Zäunen und der romantischen Illusion, dass dieser Trail vielleicht ja doch gar nicht so wild wird. Aber dann kommt der Teil, den man nicht auf Instagram sieht: Eine endlose, schräge Sandsteinplatte.
So breit wie ein Fußballfeld, so geneigt wie ein Skatepark – und so eine gnadenlos schlechte Idee nach dem Mittagessen. Noah rannte los, als hätte er einen Weltrekord zu brechen. Er scheint entweder unerschöpflich oder aus einer geheimen Energiequelle gespeist zu werden, die nur Kindern vorbehalten ist. Wir anderen? Schleppten uns hinterher.

In gemäßigtem Tempo. Mit sehr bewussten Trinkpausen, bei denen wir vorgaben, „die Aussicht zu genießen“, obwohl wir eigentlich nur versuchten, wieder Luft zu bekommen. Die Sonne brannte, der Stein reflektierte, der Weg wollte kein Ende nehmen.
Aber die Aussicht wurde mit jedem Schritt grandioser – und die Spannung wuchs. Denn dieser Bogen, dieser eine Moment, erwartete uns da oben. Kurz vor dem Ziel dann: Verwirrung. Stefan und ich, im Wanderrhythmus, plötzlich allein. Wo war der Rest? Wir drehten um, liefen ein Stück zurück – und da kamen sie auch schon: leicht verschwitzt, leicht zerknirscht. Falsch abgebogen.
BILDERGALERIE: Delicate Arch Trail
Der Canyon hatte sich wohl gedacht, ein bisschen Extra-Drama gehört dazu. Aber nach gut einer Stunde standen wir dann wirklich oben. Und was für ein Anblick!
Der Delicate Arch. Wie eine Kathedrale aus Stein, freistehend, perfekt gewölbt, mit einem Panorama im Hintergrund, das einem den Atem raubt – und das nicht nur wegen des Aufstiegs. Fotos wurden gemacht. Viele. Alle! Dann: einfach nur dasitzen. Staunen. Durchatmen.
Klein-Emilia allerdings hatte jetzt den Punkt erreicht, an dem das Wort „Abenteuer“ in „Ich hab keine Lust mehr“ umschlägt. Völlig verständlich. Denn immerhin hatte sie heute schon einen gro0en teil des Primitive Loop hinter sich gebracht. Unsere jüngste im Team verdiente an dieser Stelle ein riesiges Lob – die kleine Abenteurerin hatte alles gegeben.

Also machten sich Nadine und Oli mit ihr langsam auf den Rückweg – und irgendwann schlief sie einfach ein. Auf Olis Schulter. Ein Zeichen, dass der Tag alles rausgeholt hatte, was möglich war. Wir anderen blieben noch ein wenig. Genossen den Blick. Schauten schweigend durch den Bogen.
Wieder zurück am Camper: Pause. Süßigkeiten. Wasser. Füße hoch. Aber nur kurz!
Die Kinder wurden wieder munter, die Erwachsenen langsam wieder menschlich. Der Staub legte sich. Der Blick wurde weich. Und das Gefühl setzte ein, das man nur nach einem Tag wie diesem hat: erschöpft, staubig – und rundum lebendig.

Auf dem Rückweg aus dem Park machten wir noch einen kurzen Stopp bei der Windows Section – also rein theoretisch. Denn was sich dort abspielte, war weniger Naturerlebnis und mehr Festivalstimmung. Der Parkplatz war voll. Nicht „oh, da finden wir schon noch was“-voll, sondern „Such dir ein Lagerfeuer und bleib für immer“-voll.
Was war los? Ganz einfach: Morgen sollte dieser Bereich für Bauarbeiten gesperrt werden, und ganz offenbar hatte sich halb Utah vorgenommen, noch schnell ein Abschiedsfoto zu knipsen. Die Autos stauten sich bis auf die Zufahrtsstraße zurück, Menschen mit Stativen sprinteten wie Paparazzi durch den roten Staub, und ein Ranger versuchte mit stoischer Ruhe das Chaos zu ignorieren.
Wir entschieden uns für die einfachste Lösung: Fenster runter, Kamera raus, Klick. Fotodokumentation aus dem fahrenden Wohnzimmer. Nicht ganz Instagram-tauglich – aber angesichts der Umstände absolut legitim.

Nächster Halt – und letzte Etappe des Tages: Double Arch. Ein kurzer Hike, nochmal ein bisschen Staub, nochmal ein bisschen Fels – aber langsam ließ die Kraft nach. Wir waren müde. Und ausgehungert. Aber der Double Arch? Der verdient ein paar Worte.
Denn dieser Bogen kommt nicht allein. Wie ein Duett in Stein, ein monumentales „Guck mal, was wir können!“ der Natur, stehen zwei riesige Bögen nebeneinander, ineinander verschachtelt, so groß, dass man sich darunter plötzlich ganz klein fühlt.
Sie erheben sich wie zwei gigantische Tore in eine andere Welt – offen, einladend und doch ehrfurchtgebietend. Kein Wunder, dass hier Szenen aus „Indiana Jones“ gedreht wurden – der Double Arch hat definitiv Blockbuster-Qualitäten.

Man steht drunter, schaut hoch, und weiß nicht, ob man zuerst staunen oder sich an den nächsten Superlativ erinnern soll. Emilia zeigte vorsichtig mit dem Finger nach oben und fragte: „Ist das ein Klettergerüst?“
Theoretisch nein. Praktisch… naja, einige Erwachsene schienen das anders zu sehen. Wir machten ein paar letzte Fotos – die Kinder hielten tapfer durch, aber wir alle hatten diesen leicht glasigen Blick, den Menschen bekommen, wenn der Blutzuckerspiegel auf Tauchstation geht.
Es war Zeit. Zeit für Essen. Zeit für Sitzplätze. Zeit für Besteck.
Und so traten wir den Rückweg zum Camper an – der letzte Schritt eines langen Tages voller Felsen, Höhenmeter und Eindrücke, die sich so schnell nicht abschütteln lassen.
BILDERGALERIE: Mehr aus dem Arches National Park
Und dann – endlich: Abendessen. Wieder in der Moab Brewery, unserem persönlichen Tempel für Kalorien, hausgebrautes Bier und das süße Gefühl von „Jetzt haben wir’s uns aber wirklich verdient“.
Die Entscheidung fiel leicht. Nach einem Tag wie diesem braucht man kein kulinarisches Feintuning, sondern: Fleisch. Viel Fleisch. Burger, Steak, Ribs – einmal bitte die „Heute war anstrengend“-Platte mit allem.
Dazu: ein kühles Glas Braukunst, das so perfekt zu den staubigen Kehlen passte, als hätte es den ganzen Tag auf uns gewartet. Der Service war schnell, das Essen warm, die Stimmung leicht überdreht – eine Mischung aus Erschöpfung und Endorphinen.

Doch die Mission war noch nicht ganz beendet. Nach dem letzten Bissen sprinteten ich, Nadine und Noah noch zu Fuß Richtung City Market – denn „nur kurz was einkaufen“ klingt irgendwie harmloser, wenn man es schnell ausspricht.
Wir brauchten noch das Nötigste – Wasser, Snacks, ein paar Frühstücksretter – und vielleicht auch einen Schokoriegel zur Belohnung. Währenddessen machte der Rest das mobile Zuhause startklar für die Nacht: Licht dimmen, Fenster lüften, Zahnbürsten sortieren.
Jeder Handgriff saß. Die Routine funktionierte. Die Akkus – zumindest die körperlichen – waren leer. Zurück am Campingplatz dann nur noch eins: Duschen. Bett. Keine Diskussion.
Die Kinder fielen um wie zwei Rucksäcke, die man einfach auf die Matratze warf. Auch wir Erwachsenen waren nicht mehr weit davon entfernt. Ein Tag voller Felsen, Höhenmeter, Kinderlachen, Kletterei, falscher Abzweigungen, Sonnenuntergängen und spektakulären Bögen.
Ein Tag, der uns gefordert hat – körperlich, logistisch, emotional. Und einer, der mit einem Food-Koma der Deluxe-Kategorie endete. Besser kann man so ein Kapitel nicht schließen.