Bahn-Deutsch!

Hallo liebe Leser!

Ihr glaubt gar nicht, wie oft ich gefragt werde, wie das eigentlich so ist, Lokführerin zu sein. Ob ich da vorne nur ein paar Knöpfe drücke und der Zug dann alles von allein macht? Ob ich da wirklich ganz alleine sitze? Und – meine persönliche Lieblingsfrage – wie zum Teufel ich eigentlich weiß, wo ich hinfahren muss. Gute Fragen! Und weil ich euch nicht länger im Dunkeln lassen will, erzähle ich euch heute mal ein bisschen aus meinem aufregenden Leben auf den Schienen.

2021 habe ich meine Ausbildung zur Lokführerin begonnen und bin jetzt seit gut zwei Jahren offiziell „Triebfahrzeugführerin“. Ja, so nennt sich das in schönstem Bahn-Deutsch. Klingt beeindruckend, oder? Ich hatte mir ja eigentlich vorgenommen, euch viel öfter von meinen Abenteuern auf den Gleisen zu berichten – aber ihr wisst ja, die Zeit, die Zeit… Doch heute ist es endlich so weit! Also, schnappt euch einen Kaffee (oder einen Bahnsteig-Kaffee mit zweifelhafter Temperatur) und taucht mit mir ein in die wunderbare Welt der Lokführer und Lokführerinnen.

Heute sprechen wir mal über die Sprache – und ich meine nicht Deutsch oder Englisch, sondern das geheimnisvolle, bisweilen völlig absurde Lokführer-Fachchinesisch. Es gibt da nämlich so einige Begriffe, die mich während meiner Ausbildung regelmäßig an den Rand der Verzweiflung gebracht haben. Und selbst heute noch kann ich nicht anders, als über manche Definitionen zu schmunzeln. Die „Lokführer-Bibel“ – offiziell Richtlinie 408 „Züge fahren und Rangieren“ – ist dabei unser heiliger Gral. Darin steht wirklich ALLES! Jede Regel, jedes Szenario, jedes erdenkliche Detail, bis hin zur Frage, ob ein Zug in einem Bahnhof oder einem Haltepunkt hält. Und glaubt mir, das ist ein Unterschied!

Also lasst uns mal über Bahnhöfe reden. Bisher dachte ich – und ihr sicher auch: Ein Bahnhof ist halt einfach ein Bahnhof. Da steigt man in den Zug ein und fährt irgendwo hin. Aber jetzt mal offiziell:

Bahnhöfe sind Bahnanlagen mit mindestens einer Weiche, wo Züge beginnen, enden, halten, kreuzen, überholen oder wenden dürfen, Bahnhöfe können in Bahnhofsteile unterteilt sein. Bahnhofsteile können durch Zwischensignale bzw. Signale Ne 14 gegeneinander abgegrenzt sein.

Bereit für eine weitere Lektion? Ihr dachtet, ihr wüsstet, was ein Zug ist? Falsch gedacht! Hier kommt die korrekte Definition laut unserer „Lokführer-Bibel“:

Züge sind auf die freie Strecke übergehende oder innerhalb eines Bahnhofs nach einem Fahrplan verkehrende einzeln fahrende Triebfahrzeuge oder Einheiten, die zusammengesetzt sein können aus arbeitenden Triebfahrzeugen oder arbeitenden Triebfahrzeugen und dem Wagenzug, in den Wagen oder nicht arbeitende Triebfahrzeuge eingestellt sind.

Geeignete Nebenfahrzeuge dürfen wie Züge behandelt oder in Züge eingestellt werden. Das Eisenbahnverkehrsunternehmen gibt dem Zugpersonal bekannt, welche Nebenfahrzeuge für Züge geeignet sind.

Züge werden in Reise- und Güterzüge eingeteilt.

Alles klar, oder?

Richtig crazy wird es dann mit den Signalen! Ihr denkt vielleicht, das sind einfach nur Ampeln, die mal rot oder grün zeigen – so wie im Straßenverkehr. Rot: Stopp. Grün: Weiterfahren. Klingt simpel? Ha! Nicht in der Welt der Bahn!

Hier gibt es für fast jedes Signal einen eigenen Namen, eine Kurzbezeichnung und natürlich eine exakte Bedeutung.Und nein, das ist kein freundlicher Vorschlag, sich das irgendwann mal nebenbei anzusehen – das muss man wortwörtlich auswendig wissen! Sonst gibt es eine sogenannte BG (Betriebsgefahr), und das bedeutet: direkt durchgefallen! Ja, richtig gehört. Eine einzige falsche Bezeichnung, und zack, war’s das mit der Prüfung.

Und jetzt kommt der Clou: Man kann 97% richtig haben – aber wenn genau dieses eine Wort nicht stimmt, ist die Prüfung trotzdem futsch. Willkommen in der Welt der Bahnsprache, wo ein einziger Versprecher den Unterschied zwischen „bestanden“ und „nochmal von vorne“ bedeutet. Klingt unfair? Vielleicht. Aber hey, wenn ihr wüsstet, was manche Signale bedeuten, würdet ihr verstehen, warum wir das so genau wissen müssen. Einige Bespiele. Also bei Rot und grün ist es tatsächlich noch recht einfach.

Ein rotes Signal heiß HP0 und hat nur eine Bedeutung: Halt!
Ein grünes Signal heißt HP1 und hat ebenfalls nur eine Bedeutung: Fahrt

Das war es aber schon mit einfach. Jetzt gebe ich euch mal ein Beispiel für eine Geschwindigkeitsbeschränkung. Sagen wir mal wir dürfen nur 80 fahren. Dann würden wir dieses Signal sehen.

Das Signal heißt Zs3 – Kurzbezeichnung. Geschwindigkeitsanzeiger

Langbezeichnung: Die durch die Kennziffer angezeigt Geschwindigkeit darf vom Signal ab im anschließenden Weichenbereich nicht überschritten werden.

Irre, oder???? Einfach nur weil man ab dem Blechschild nur noch 80 fahren darf!

Dann gibt es noch andere Wörter, die man im nicht-Bahnleben leicht falsch verstehen könnte. Hier einige Beispiele:

Die Grünschleife – klingt nach einem schicken Modeaccessoire, oder? Vielleicht ein stylisches Armband oder ein eleganter Schal? Tja, weit gefehlt! In Wahrheit hat die Grünschleife nichts mit Mode zu tun, sondern überwacht die Türen eines Zuges. Erst wenn alle Türen geschlossen sind, gibt sie grünes Licht für die Abfahrt. Also, kein Fashion-Statement, sondern ein handfester Sicherheitsfaktor!

Das Fleischgewicht – jetzt wird’s interessant. Wer denkt, es handelt sich um eine neue Maßeinheit für Grillabende („Wie viele Steaks passen auf den Rost?“), liegt leider daneben. In der Bahnwelt bedeutet Fleischgewicht die geschätzte Gesamtmasse aller Fahrgäste in einem Zug. Klingt vielleicht etwas unappetitlich, ist aber ein wichtiger Faktor für die Bremskraft und die Sicherheit des Zuges. Denn glaubt mir, ob ein Zug mit fünf oder fünfhundert Menschen unterwegs ist, macht einen gewaltigen Unterschied!

DoSto – klingt irgendwie wie eine exotische Tierart, oder? Vielleicht ein entfernter Verwandter des Dodos? Aber nein, die Bahn ist nicht unter die Zoologen gegangen. DoSto steht ganz einfach für Doppelstockwagen. Züge mit zwei Etagen – perfekt für alle, die gerne den Überblick behalten.

Die Kuppelstelle – klingt das nicht ein bisschen nach einem Treffpunkt für Singles? Aber nein, hier wird nicht nach der großen Liebe gesucht, sondern nach der perfekten Verbindung – und zwar zwischen Waggons! Zwei Zugteile, die sich sanft aneinanderschmiegen, bis sie sich ineinander verhaken und eine Einheit bilden. Ein bisschen romantisch, oder? Schaut euch mal ein Kupplungsvideo an – es sieht fast so aus, als würden sich die Züge zum Küssen verabreden! 💋

Der Durchrutschweg – klingt erstmal nach einer besonders fiesen Glatteis-Strecke oder nach frisch polierten Schienen, auf denen man besser nicht ausrutscht, oder? Aber nein! Hier geht es nicht um Winterchaos oder unfreiwillige Schlitterpartien auf den Gleisen.

Laut unserer „Lokführer-Bibel“, also der berühmten Richtlinie 408, bedeutet der Durchrutschweg ganz offiziell: „Der Abstand von einem Ausfahr- oder Zwischensignal bis zum maßgebenden Gefahrpunkt.“

Klingt trocken? Ist es auch. Aber extrem wichtig! Denn wenn ein Zug trotz Bremsbefehl noch ein paar Meter weiterrollt – und das kann passieren, weil Züge nun mal nicht so abrupt stehen bleiben wie ein Fahrrad – dann stellt dieser Sicherheitsabstand sicher, dass es nicht zu einer ungewollten Begegnung der unfreundlichen Art mit anderen Zügen oder Hindernissen kommt.

Also, kein Glatteis, keine Schlitterschuhe – sondern einfach ein clever durchdachtes Sicherheitskonzept.

Stellt euch vor, jeder Zug hat eine Sandstreu-Einrichtung. Sandburgen auf den Schienen! Klingt nach einem lustigen Bauprojekt für Lokführer in ihrer Mittagspause, oder? Aber nein – hier geht es nicht ums Buddeln, sondern um knallharte Physik!

Wenn ein Zug bremst, dann trifft Metall auf Metall – und das ist, was die Haftung angeht, ungefähr so effektiv wie Bananenschalen auf Glatteis. Um das zu verbessern, wird feiner Quarzsand zwischen Rad und Schiene gesprüht, um den Reibwert zu erhöhen. Das sorgt dafür, dass der Zug sich nicht wie auf Schmierseife weitergleitet, sondern besser bremst.

Aber selbst mit dieser cleveren Unterstützung gilt: Ein Zug, der mit 160 km/h unterwegs ist, braucht immer noch unglaubliche 1000 Meter, um zum Stehen zu kommen! Eine komplette Länge von zehn Fußballfeldern! Ist das nicht irre? Also, falls ihr euch jemals gefragt habt, warum Züge nicht einfach „schnell mal“ bremsen können – genau deswegen.

Ach ich könnte ewig so weitermachen und diese Liste wird sicher mit der Zeit wachsen. Aber ich möchte unbedingt noch zwei Grammatik Kathasprohen loswerden über die ich einfach nicht wegkomme!

Da wäre die Bezeichnung bleiben Sie halten die man im Befehlsvordruck der Bahn lesen kann. Mal ehrlich wer sagt denn sowas! das ist doch kein Deutsch. Die Begründung ist aber: Weil man ja angehalten hat bleibt man eben halten – und nicht stehen. 🤪

Doch halt, das ist noch lange nicht das Ende! Denn was die Grammatik betrifft: Es wird noch schlimmer!

Die moderne Bahnsprache hat wirklich ihre ganz eigenen Wege, uns zum Grübeln zu bringen, oder? Nehmen wir nur mal diesen Satz aus der heiligen Richtlinie 408:

“Wenn die Sichtverbindung zwischen Triebfahrzeugführer und Zugbegleiter unterbrochen wird, muss der Triebfahrzeugführer die Geschwindigkeit ermäßigen. Wird die Sichtverbindung nicht alsbald wieder hergestellt, muss der Triebfahrzeugführer anhalten.”

Klingt erstmal ganz harmlos – bis man sich das Wort „alsbald“ genauer anschaut.

Alsbald? Mal ehrlich, wer benutzt dieses Wort heutzutage noch? Das klingt eher nach einem mittelalterlichen Dekret als nach einer klaren Regelung in einem modernen Bahnhandbuch. „Höret, höret, oh edle Triebfahrzeugführer, ermäßigt die Geschwindigkeit, so denn die Sichtverbindung alsbald nicht wiederhergestellt wird!“

Aber mal im Ernst: Warum sagt man nicht einfach klipp und klar, wie lange genau die Sichtverbindung unterbrochen sein darf? 5 Sekunden? 10? 30? Stattdessen gibt’s ein Wort, das sich irgendwie nach Märchenstundeanhört. And they lived happily ever after… oder eben nicht, wenn der Zug vorher anhalten musste.

…und jetzt bestellen wir uns noch zwei Bier und diskutieren über Damen-Hygiene Artikel! Oder doch nicht?!

Wenn ich mich beim Fahrdienstleiter melde, um die Erlaubnis zum Rangieren zu bekommen, kommt manchmal die Ansage: „Alles klar, ich mach dir dann gleich zwei Helle.“ Und mal ehrlich – wer denkt da nicht direkt an ein frisch gezapftes Bierchen, schön kühl, direkt in den Führerstand geliefert? Klingt nach einem entspannten Feierabend, oder? Tja, leider falsch!

Alkohol und dieser Job? Absolutes No-Go! Was der Fahrdienstleiter mir da verspricht, sind keine Getränke, sondern ein Signal. Zwei Helle bedeutet nämlich, dass er mir gleich per Sh1-Signal die Erlaubnis zum Rangieren gibt. Und das sieht dann auch genau so aus: zwei weiße Lichter. Also statt eines kühlen Biers gibt’s ein klares „Fahr los“ – auch nicht schlecht, oder?

Aber mal ehrlich: Wer hat sich diese Namen eigentlich ausgedacht? Man könnte meinen, das Bahnsystem wurde von Leuten erfunden, die gerne ein Feierabendbierchen in Ehren hielten. Und irgendwie mag ich diesen Gedanken…

Und weil wir es hier ja ganz genau nehmen:
Die Kurzbezeichung des Signals Sh1 heißt: Rangierfahrt Signal
Die Bedeutung: Fahrverbot aufgehoben.
Klingt kompliziert, ist es auch!

Und übrigens – dieses Signal mit den „zwei Hellen“ hat auch einen liebevollen Spitznamen: Schotterzwerg. Klingt wie ein Charakter aus einem Märchenbuch, oder? Vielleicht ein kleiner, bärtiger Geselle, der nachts durch die Gleise huscht und darauf achtet, dass alles in Ordnung ist? Tja, fast!

In Wirklichkeit ist es einfach nur ein kleines Rangiersignal, das uns anzeigt, ob wir losfahren dürfen oder nicht. Und warum „Schotterzwerg“? Ganz einfach: Es ist klein wie ein Zwerg und steht im Schotterbett herum. Manchmal ist die Logik in der Bahnwelt herrlich unkompliziert – fast wie in einem Märchen.

Aber es wird noch besser!

Neulich rief ich beim Fahrdienstleiter an, um meine Abfahrt vom Bahnsteig zu melden. Seine Antwort? „Einen Moment, ich muss erst noch den Tunnel-Tampon rauslassen.“

Ähm… bitte WAS?!

Ich sag’s euch – für den Bruchteil einer Sekunde dachte ich, wir hätten aus Versehen eine Zugfunk-Diskussion über Damenhygieneprodukte gestartet. Aber natürlich ist es nichts dergleichen. Gemeint war unser geliebter ICE. Dieser lange, schlanke Zug mit dem roten Streifen, der sich durch Tunnel schlängelt wie… nun ja, ihr wisst schon. Ja, ja, ich weiß – das Bild ist jetzt nicht gerade appetitlich. Aber hey, wer einmal den Begriff gehört hat, wird ihn nie wieder vergessen!

Unsere Insider-Begriffe mögen für Außenstehende vielleicht ein bisschen schräg klingen – aber genau das ist der Beweis dafür, dass wir trotz des ständigen Stresses und der großen Verantwortung immer noch unseren Humor behalten.Und das ist am Ende doch das Wichtigste, oder?

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