Bahn-Deutsch!
Hallo liebe Leser!
wisst ihr, ich werde immer wieder gefragt wie das eigentlich so ist, Lokführerin zu sein. Ob ich da einfach nur ein paar Knöpfe drücke und der Zug dann alles alleine macht? Ob ich da vorne ganz alleine bin, und wie zum Teufel ich überhaupt weiß, wohin ich fahren muss? Na, ich erzähl euch mal ein bisschen aus meinem spannenden Lokführerleben. Also, vor fast drei Jahren hab ich meine Ausbildung zur Lokführerin begonnen und seit gut zwei Jahren bin ich nun fertig ausgebildete Triebfahrzeugführerin, wie es offiziell heißt.
Geplant hatte ich ja, öfter mal zu bloggen und euch über meine Abenteuer auf den Schienen zu informieren – aber ihr wisst ja, die Zeit, die Zeit… Aber jetzt nehme ich mir endlich die Zeit und erzähle euch von meiner Ausbildung und meinem verrückten Alltag. Ich hoffe, ihr habt genauso viel Spaß beim Lesen wie ich beim Schreiben.
Also lasst uns mal in die Welt der Lokführer und Lokführerinnen eintauchen!
Kommen wir heute mal zu der Sprache. Die hat mich an manchem Tagen während der Ausbildung echt fertig gemacht. Und auch heute noch muss ich über einige der Begriffe schmunzeln. In unserer „Lokführer-Bibel“ die offiziell „Richtlinie 408 Züge fahren und Rangieren“ heißt, steht wirklich ALLES drin! Jede Regel wird bis ins kleinste Detail beschrieben. Aber dann gibt’s da noch diese total verrückten Definitionen, bei denen ich mir denke: Wer kommt denn auf sowas? Bevor ich euch mal zwei Beispiele gebe möchte ich euch wissen lassen: Jede dieser Regeln und Definitionen müssen für die Prüfungen genau auswendig gelernt werden – sonst heißt es da ganz schnell: durchgefallen!
Also lasst uns mal über Bahnhöfe reden. Bisher dachte ich – und ihr sicher auch: Ein Bahnhof ist halt einfach ein Bahnhof. Da steigt man in den Zug ein und fährt irgendwo hin. Aber jetzt mal offiziell:
Bahnhöfe sind Bahnanlagen mit mindestens einer Weiche, wo Züge beginnen, enden, halten, kreuzen, überholen oder wenden dürfen, Bahnhöfe können in Bahnhofsteile unterteilt sein. Bahnhofsteile können durch Zwischensignale bzw. Signale Ne 14 gegeneinander abgegrenzt sein.
Bereit für eine weitere Lektion? Ihr dachtet, ihr wüsstet, was ein Zug ist? Falsch gedacht! Hier kommt die korrekte Definition laut unserer „Lokführer-Bibel“:
Züge sind auf die freie Strecke übergehende oder innerhalb eines Bahnhofs nach einem Fahrplan verkehrende einzeln fahrende Triebfahrzeuge oder Einheiten, die zusammengesetzt sein können aus arbeitenden Triebfahrzeugen oder arbeitenden Triebfahrzeugen und dem Wagenzug, in den Wagen oder nicht arbeitende Triebfahrzeuge eingestellt sind.
Geeignete Nebenfahrzeuge dürfen wie Züge behandelt oder in Züge eingestellt werden. Das Eisenbahnverkehrsunternehmen gibt dem Zugpersonal bekannt, welche Nebenfahrzeuge für Züge geeignet sind.
Züge werden in Reise- und Güterzüge eingeteilt.
Alles klar, oder?
Richtig crazy wird es dann mit den Signalen! Ihr denkt vielleicht, es sind einfach nur so Ampeln, die mal rot oder grün zeigen und dann hält man halt an oder fährt weiter. So wie mit dem Auto. Aber in der Bahnsprache ist das viel zu einfach! Fast jedes Signal hat seinen eigenen Namen, eine Kurzbezeichnung und natürlich eine Bedeutung. Und wisst ihr, das muss man wortwörtlich bei der Prüfung wissen. Sonst hat man eine sogenannte BG (Betriebsgefahr) und ist direkt durchgefallen. Ja, richtig gehört, eine einzige falsche Bezeichnung und schwupps, ist man durchgefallen. Es ist verrückt, aber so kann es passieren, dass man eine Prüfung mit nur einem falschen Wort auch mit 97% durchfällt. Willkommen in der Welt der Bahnsprache, wo ein falsches Wort den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg ausmachen kann!
Einige Bespiele. Also bei Rot und grün ist es tatsächlich noch recht einfach.
Ein rotes Signal heiß HP0 und hat nur eine Bedeutung: Halt!
Ein grünes Signal heißt HP1 und hat ebenfalls nur eine Bedeutung: Fahrt
Das war es aber schon mit einfach. Jetzt gebe ich euch mal ein Beispiel für eine Geschwindigkeitsbeschränkung. Sagen wir mal wir dürfen nur 80 fahren. Dann würden wir dieses Signal sehen.
Das Signal heißt Zs3 – Kurzbezeichnung. Geschwindigkeitsanzeiger
Langbezeichnung: Die durch die Kennziffer angezeigt Geschwindigkeit darf vom Signal ab im anschließenden Weichenbereich nicht überschritten werden.
Irre, oder???? Einfach nur weil man ab dem Blechschild nur noch 80 fahren darf!
Dann gibt es noch andere Wörter, die man im nicht-Bahnleben leicht falsch verstehen könnte. Hier einige Beispiele:
Die Grünschleife ist kein schicke Mode Accessoire, sondern überwacht in Wahrheit die Türen bei Zügen. Sie signalisiert, dass alle Türen geschlossen sind und der Zug abfahren kann. Also, keine Mode, sondern Sicherheit geht vor!
Das Fleischgewicht ist echter Eisenbahnjargon. Das Fleischgewicht ist kein Maß dafür, wie viele Steaks auf den Grill passen, sondern vielmehr eine Schätzung des gesamten Gewichts aller Passagiere in einem Zug. Es ist weniger eine Frage des Genusses als vielmehr ein wichtiger Faktor für die Sicherheit und benötigte Bremskraft des Zuges.
Oder das Wort DoSto könnte auch eine exotische Tiersorte sein. Klingt irgendwie wie ein ferner Verwandter des Dodos, oder? Aber nein, in Wirklichkeit ist damit einfach nur ein Doppelstockwagen gemeint.
Die Kuppelstelle klingt vielleicht nach einem Treffpunkt für Singles, aber hier geht es tatsächlich um das Verbinden von Waggons. Obwohl, wenn man es sich vorstellt, hat das Ganze durchaus einen romantischen Touch. Stellt euch vor, zwei Waggons, die sich perfekt zusammenfügen, wie Puzzlestücke, die endlich zueinanderfinden. Schaut euch einfach mal das Video hier an. Es sieht fast so aus, als würden sich die beiden Züge zum Küssen verabreden! 😘
Der Durchrutschweg hat nichts mit Glatteis oder Rutschgefahr nach frisch geputzten Gleisen zu tun sondern – und hier ist die offizielle Beschreibung aus der „Bibel“ Der Durchrutschweg ist der Abstand von einem Ausfahr- oder Zwischensignal bis zum maßgebenden Gefahrpunkt.
Stellt euch vor, jeder Zug hat eine Sandstreu-Einrichtung – aber nein, wir bauen damit keine Sandburgen auf den Schienen! Der Sand dient dazu, die Bremsung zu unterstützen, indem feine Quarzsandkörner zwischen Rad und Schiene gesprüht werden, um den Reibwert zu erhöhen. Denn Metall auf Metall bremst nicht optimal. Selbst mit dieser Sandunterstützung benötigt ein Zug, der mit 160 km/h fährt, immer noch unglaubliche 1000 Meter, um zum Stehen zu kommen. Ist das nicht krass?
Die Gleissperre klingt vielleicht wie ein Hindernislauf für Züge, ist aber tatsächlich eine äußerst wichtige Sicherheitseinrichtung. Wisst ihr, dass Züge im Notfall kontrolliert entgleist werden können? Bevor zum Beispiel eine Rangierfahrt auf einer kreuzenden Weiche in einen anderen Zug kracht, kommt die Gleissperre zum Einsatz. Sie wird auf dem Gleis platziert und würde den Zug ins Gleisbett leiten. Da Rangierfahrten ohnehin mit maximal 25 km/h durchgeführt werden, passiert nicht viel – höchstens ein hoher Sachschaden am Zug. Aber das ist immer noch besser als ein Unfall!
Ach ich könnte ewig so weitermachen und diese Liste wird sicher mit der Zeit wachsen. Aber ich möchte unbedingt noch zwei Grammatik Kathasprohen loswerden über die ich einfach nicht wegkomme!
Da wäre die Bezeichnung bleiben Sie halten die man im Befehlsvordruck der Bahn lesen kann. Mal ehrlich wer sagt denn sowas! das ist doch kein Deutsch. Die Begründung ist aber: Weil man ja angehalten hat bleibt man eben halten – und nicht stehen. 🤪
Doch halt, das ist noch lange nicht das Ende! Denn was die Grammatik betrifft: Es wird noch schlimmer!
Die moderne Bahnsprache hat wirklich ihre ganz eigenen Wege, uns zum Grübeln zu bringen, nicht wahr? Nehmen wir diesen Satz: „Wenn die Sichtverbindung zwischen Triebfahrzeugführer und Zugbegleiter unterbrochen wird, muss der Triebfahrzeugführer die Geschwindigkeit ermäßigen. Wird die Sichtverbindung nicht alsbald wieder hergestellt, muss der Triebfahrzeugführer anhalten.“
Schauen wir uns zum Beispiel mal das Wort alsbald an – das klingt eher nach einem Relikt aus vergangenen Jahrhunderten als nach etwas, das wir in einem modernen Bahnhandbuch erwarten würden. Warum also nicht einfach klar und deutlich sagen, wie lange genau die Sichtverbindung unterbrochen sein darf? Wir wollen schließlich keine Märchen erzählen, sondern klare Anweisungen geben! And they lived happily ever after…
…und jetzt bestellen wir uns noch zwei Bier und diskutieren über Damen-Hygiene Artikel! Oder doch nicht?!
Wenn ich mich beim Fahrdienstleiter melde, um die Erlaubnis zum Rangieren zu bekommen, höre ich manchmal: „Alles klar, ich mach dir dann gleich zwei Helle.“ Da denkt man ja zuerst an ein gemütliches Bierchen 🍻 – frisch gezapft und direkt in den Führerstand geliefert. Aber nein – Alkohol bei diesem verantwortungsvollen Job geht natürlich überhaupt nicht!! Mit Zwei Helle meint der Fahrdienstleiter, mir per Signal die Erlaubnis zu erteilen meine Rangierfahrt zu beginnen. Das Signal zeigt dann zwei weiße Lichter und offiziell heißt es Sh1 Und weil wir es hier ja ganz genau nehmen:
Die Kurzbezeichung des Signals Sh1 heißt: Rangierfahrt Signal
Die Bedeutung: Fahrverbot aufgehoben.
Klingt kompliziert, ist es auch!
Und übrigens – ganze diese Signal welches „zwei Helle“ anzeigt nennen wir liebevoll Schotterzwerg. Ja, ich weiß, das klingt ein bisschen wie ein Charakter aus einem Märchenbuch. Aber nein, es ist kein winziges Wesen, das im Schotterbett herumtollt. Es ist einfach nur ein kleines Signal, das dort steht und uns Lokführer anzeigt, ob wir rangieren dürfen, oder nicht. Und warum „Schotterzwerg“? Nun ja, es ist klein wie ein Zwerg und steht im Schotterbett herum. Manchmal ist die Logik in der Bahnwelt eben wie in einem Märchen.
Aber es wird noch besser!
Kürzlich rief ich beim Fahrdienstleiter an, um meine Abfahrt vom Bahnsteig zu melden. Seine Antwort? „Einen Moment, ich muss erst noch den Tunnel-Tampon rauslassen.“ Da denkt man sofort wir führen via Zugfunk Gespräche über Damenhygiene Artikel – aber weit gefehlt! Hier geht’s um unseren geliebten ICE, diesen langen, schlanken Zug mit seinem roten Streifen, der durch Tunnel gleitet wie… nun ja, ihr wisst schon! Ja, ja – ich weiß klingt unappetitlich. 🤷🏼♀️
Unsere Insider-Begriffe mögen zwar auf den ersten Blick etwas eigenartig klingen – ist aber der Beweis dafür, das wir trotz des ständigen Stresses und der großen Verantwortung bei der Bahn unseren Sinn für Humor bewahren. 😊
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