Abenteuer am Polarkreis: 2 Reifenpannen
eine spontane Übernachtung beim Peel River
Die Wettervorhersage hat uns mal wieder gezeigt, dass sie im hohen Norden eher ein Ratespiel ist als eine verlässliche Quelle. Von „strahlend blauem Himmel“ war die Rede, doch stattdessen trommeln Regentropfen auf unser Camperdach. Na gut, immerhin eine kostenlose Soundkulisse – beruhigend wie ein Natur-Spa, nur ohne Duftkerzen.
Ein kurzer Blick auf die matschige Fahrbahn reicht, um mich innerlich leise „Houston, wir haben ein Problem“ murmeln zu lassen. Wenn der Dempster Highway im Trockenen schon als „abenteuerlich“ gilt, dann ist er bei Nässe ungefähr so charmant wie eine Rutschbahn im Freizeitpark. Nur dass am Ende kein lachender Bademeister, sondern bestenfalls ein Elch wartet. Aber hey, wir sind nicht hier für Wellness – wir sind hier fürs Abenteuer!
Erstmal Frühstück. Schließlich sollte man jede potenzielle Schlammschlacht mit vollem Magen bestreiten. Unser Ziel: der Aussichtspunkt am Tombstone Mountain. Fünf Minuten Fahrt – so viel Spannung am frühen Morgen kann kaum gesund sein – und schon parken wir auf dem »North Fork Pass Summit« in stolzen 1289 Metern Höhe. Der Regen gibt sich gnädig und legt eine kleine Pause ein, als wolle er uns gönnerhaft ein „Na los, genießt die Aussicht“ zuflüstern.

Also: Camper mit Bergpanorama geparkt, Stefan schwingt die Frühstückspfanne, während ich mit meiner Kamera wie eine wildgewordene Paparazza den Himmel ablichte. Der Sonnenaufgang lugt tatsächlich vorsichtig durch die Wolken – kein knalliger Blockbuster, eher ein Indie-Film mit subtilen Farben. Aber genau das macht es magisch.
Unser „Breakfast with a view“ schmeckt nach Abenteuer, Pfannengeruch und ein bisschen Vorfreude. Denn egal, ob der Dempster heute matschiger Spielplatz oder malerische Traumstraße ist – wir wissen jetzt schon: es wird ein Tag voller Geschichten, die man später mit viel Ironie und großen Gesten erzählen kann.
Und so rollen wir los, gen Norden, mitten hinein in die trübe Wildnis – bewaffnet mit Kamera, Camper und einer gehörigen Portion Optimismus

Mit der Hoffnung auf besseres Wetter auf dem Rückweg sparen wir uns heute ein paar Fotostopps. Schließlich kann man nicht hinter jeder zweiten Kurve bremsen – auch wenn der Dempster Highway es mit seinen Aussichten gnadenlos darauf anlegt. Doch dann gibt es diesen Moment, in dem selbst wir nicht mehr widerstehen können: ein Biber, so groß wie ein zu klein geratener Labrador, zieht seelenruhig einen halben Baum über die Straße.

Wir sitzen da wie im Naturfilm, nur dass David Attenborough fehlt, um die Szene zu kommentieren. Der Plan des Bibers scheitert allerdings zunächst am Flussufer: zu viele Büsche, kein Durchkommen. Doch statt beleidigt das Handtuch zu werfen, zeigt uns der kleine Holz-Ingenieur, wie Improvisation wirklich funktioniert. Zack, störende Äste abgenagt, Baum in Einzelteile zerlegt und ab ins Wasser. Effizienz, die man sich bei so manchem Straßenbau-Projekt wünschen würde.
Noch ganz begeistert von dieser tierischen Vorführung, rollen wir weiter – und keine zehn Minuten später läuft uns ein Dall-Schaf vor die Linse. Majestätisch, weiß wie frisch gewaschene Wäsche und völlig unbeeindruckt von unserem Camper, stolziert es am Straßenrand entlang, als gehöre die Schotterpiste ihm allein.

Bären lassen sich bis jetzt noch nicht blicken, aber das macht nichts. Das „Wildlife-Konto“ ist immerhin eröffnet, und was für ein Start das war! Mit Kamera, Fernglas und einem breiten Grinsen sind wir bereit für alles, was der Norden noch so für uns bereithält.

Um 12:30 Uhr rollen wir schließlich nach Eagle Plains ein – eine dieser Siedlungen, die eigentlich nur existieren, damit niemand auf halber Strecke zwischen „Nichts“ und „Noch mehr Nichts“ liegen bleibt. Satte 364 Kilometer liegen seit der letzten Tankstelle hinter uns, und genau hier, mitten in der endlosen Wildnis, taucht plötzlich ein Hotel mit Restaurant auf, wie eine Fata Morgana für hungrige und diesel-durstige Reisende.
Im Arctic Circle Restaurant lassen wir uns nieder, denn unser Magen knurrt lauter als der Motor. Auf der Karte: Soup & Sandwiches und saftige Burger. Wir entscheiden uns – welch Überraschung – für beides. Und ja, es schmeckt besser, als man es an diesem gottverlassenen Ort je erwarten würde!
Eagle Plains
Nach dem Essen geht’s raus zur Tanke. Und jetzt mal ehrlich: die Zapfsäule sieht so aus, als hätte sie schon zu Goldgräberzeiten ihren Dienst getan. Aber keine Sorge – hier wird noch Service großgeschrieben. Selbst tanken ist nicht, das macht ein freundlicher Mitarbeiter für uns. Irgendwie beruhigend, denn das Geflecht aus Schläuchen und Hebeln an dieser Station wirkt wie eine Mischung aus Museumsexponat und Bastelprojekt aus „MacGyver“.
Während wir noch grinsen, flattert im Restaurant die neueste Info herein: Die Fähre über den Peel River ist momentan außer Betrieb, soll aber in ungefähr zwei Stunden wieder laufen. Passt perfekt! Bis dahin können wir noch durchschnaufen, und das Wetter macht inzwischen auch mit – Wolken ja, aber hier und da lugt ein kleines, hoffnungsvolles Stückchen Blau hervor.

Eagle Plains liegt hinter uns, und der Dempster zieht sich nun wie ein endloses Band durch die weite Tundra. Der Indian Summer zeigt sich von seiner Schokoladenseite: Sträucher, Büsche und selbst die letzten Grashalme leuchten in einem Farbfeuerwerk aus knalligem Gelb, glühendem Orange, tiefem Rot und rostigem Braun. Es wirkt fast, als hätte jemand einen gigantischen Farbtopf über die Landschaft ausgeschüttet.
Und dann kommt dieser Moment, an dem ich zweimal hinschauen muss: Mitten auf dem Highway steht ein Schild. „Airstrip – No Stopping, No Parking“. Richtig gelesen – wir fahren gerade über eine Start- und Landebahn für Flugzeuge. Ein bisschen surreal, ehrlich gesagt. Ich werfe Stefan einen Blick zu und scherze: „Falls du im Rückspiegel einen A380 entdeckst, fahr bitte rechts ran – unser Truck Camper macht beim Start bestimmt keinen schlanken Fuß!“

Die Vorstellung, hier plötzlich zwischen einer Landung und unserem rollenden Zuhause eingeklemmt zu sein, hat schon was von einer absurden Szene aus einem Roadmovie. Doch wie so oft am Dempster: Nichts passiert. Keine Jumbojets, keine Propellermaschinen – nur wir, die Straße und dieses verrückte Gefühl, mitten im Nirgendwo gleichzeitig auf einer Landebahn zu stehen.
Dempster Highway (Yukon-Abschnitt)
Kilometer 405. Da ist er – der sagenumwobene Arctic Circle. Wir parken unseren Camper, springen fast aus der Tür wie Kinder auf dem Weg zum Süßigkeitenladen und stehen kurz darauf am berühmten Schild. Ein Moment, der sich anfühlt wie ein Ritterschlag für alle Roadtrip-Verrückten.

Natürlich zücken wir sofort die Kameras. Drohne in die Luft, Selfies in alle Richtungen, sogar ein kleines Tanz-Posing muss sein. Schließlich steht man nicht jeden Tag am Polarkreis! Die Landschaft um uns herum? Ein einziges, endloses Farbenmeer aus Gold und Rot.
Während wir uns gerade in unsere Foto-Session hineinsteigern, taucht eine Dame auf. Ihr Blick bleibt sofort an unserer Drohne hängen – ihre Augen leuchten, als hätte sie gerade ein UFO gesehen. Wir kommen ins Gespräch, und sie erzählt lachend, dass ihr Mann Straßenarbeiter am Dempster sei. Sie selbst ist von Whitehorse hier hochgereist, nur um ihn zu besuchen. Respekt! Während wir uns über die harten Bedingungen, Pannen und Abenteuer austauschen, wird klar: Wer hier lebt und arbeitet, hat Geschichten auf Lager, gegen die jeder Großstadtkrimi wie eine Gutenachtgeschichte wirkt.
Arctic Circle
Schließlich verabschieden wir uns – um ein paar Anekdoten und eine kleine Portion Staunen reicher – und rollen weiter Richtung Norden. Der Polarkreis liegt nun hinter uns, doch das Abenteuer Dempster Highway hat gerade erst richtig angefangen.
Oh, Freunde, wenn man denkt, man hat auf Reisen schon alles erlebt – dann schlägt der Dempster Highway gnadenlos zu. Kaum eine halbe Stunde nach unserer Weiterfahrt, macht es pling im Display: Reifendruckverlust hinten links. Ein Satz, der jedem Roadtripper das Blut in den Adern gefrieren lässt. Wir halten an, steigen aus – und sehen es schwarz auf grau: Total platt. Unser Camper hockt auf drei Beinen wie ein angeschlagener Zirkuselefant, der dringend in Rente gehen möchte. Und wir? Wir stehen in der kanadischen Wildnis und fragen uns, ob uns die Reiseleitung (also ich) gerade in die größte Pleite des Trips manövriert hat.
Also los: Werkzeug raus. Im Camperhandbuch klingt das Ganze noch so easy: Wagenheber, Schraubenschlüssel, Ersatzrad. Fertig. Realität: eine Comedy-Show mitten im Nirgendwo. Erst die Radschrauben gelöst, dann den Wagenheber angesetzt. Doch während wir schwitzend kurbeln, fällt uns auf: Wo zur Hölle steckt man eigentlich diese Stange rein, um das Ersatzrad unterm Wagen herunterzulassen? Das Handbuch? Hilft genau gar nicht – außer mit dem freundlichen Hinweis, dass das Ganze „ausschließlich vom Fachmann“ gemacht werden sollte. Vielen Dank auch!

Und dann passiert es: Ein Straßenbaufahrzeug hält neben uns. Heraus steigt ein freundlicher Kanadier, der aussieht, als hätte er schon mehr Reifen gewechselt, als wir Hotdogs gegessen haben. Er schaut sich die Sache an, kriecht kurzerhand unter den Wagen – zack! – er findet sofort den geheimnisvollen Eingang, den wir in 20 Minuten nicht gesehen haben. Peinlich? Ach was. Wir tun so, als hätten wir ihm nur die Ehre lassen wollen.

Doch die nächste Hürde lässt nicht lange auf sich warten. Das Ersatzrad ist zusätzlich mit einem Drahtseil gesichert, das offenbar seit der letzten Eiszeit nicht mehr bewegt wurde. Wir drehen und fluchen, unsere Finger sind schwarz vor Dreck, die Schraube bewegt sich keinen Millimeter. Gerade, als wir uns schon vorstellen, für immer im Nirgendwo zu wohnen und eine Bieberfarm aufzumachen, kehrt unser Helfer zurück. Mit eigenem Werkzeug. Zwei Handgriffe später – Schraube offen. Wir könnten ihn knutschen, tun es aber nicht.
Also, ran ans Eingemachte: Altes Rad runter, Ersatzrad drauf. Doch oh Schreck! Das neue Rad passt nicht auf die Nabe. Der Grund: Der Wagenheber hat zwar alles gegeben, aber der Camper hängt immer noch zu tief. Unser Auto schwebt so halb in der Luft, aber nicht hoch genug, um das Ersatzrad unterzubekommen. Ich schaue Stefan an, Stefan schaut mich an – und wir wissen beide: Das wird nix ohne Plan B.

Und da kommt er: unser kanadischer Held. Mit einem Spaten bewaffnet, gräbt er kurzerhand den Schotter unter dem Rad weg. Ernsthaft – der Mann buddelt einfach die Straße unter unserem Camper aus. Improvisation in Reinform! Und siehe da: Es funktioniert. Das Rad passt drauf, die Schrauben sitzen, wir lassen den Wagen wieder runter. Unser Camper steht wieder auf vier Beinen – wie ein alter Elefant, der sich nochmal für die letzte Runde im Zirkus aufrafft.
Wir wollen ihm natürlich ein dickes Trinkgeld geben. Doch er winkt nur ab: „Here, everybody helps everybody.“ Hier oben im Yukon zählt Gemeinschaft mehr als Geld. Und wir wissen in diesem Moment: ohne solche Menschen wären Reisende wie wir verloren.
Reifenpanne #1
Aber nun zum nächsten Problem: Wir haben kein Ersatzrad mehr. Das heißt: Jeder weitere Platten wäre das Ende unseres Abenteuers. Und mit „Ende“ meine ich wirklich: Ende. 70 Kilometer bis Eagle Plains zurück, 100 Kilometer bis Fort McPherson nach vorne – und keiner weiß, wie die Straßen aussehen. Wir überlegen kurz, spielen alle Szenarien durch, und dann ist klar: Zurück. Sicherheit geht vor.
Um Punkt 17 Uhr rollen wir staubig, müde, aber heil bei der Service-Station in Eagle Plains ein. Die Jungs dort sind so entspannt, als würden sie jeden Tag fünf solcher Reifen sehen – was vermutlich auch stimmt. „Kein Problem, machen wir ständig. Kostet 52 Dollar.“ Nach 20 Minuten hängt unser repariertes Rad wieder da, wo es hingehört – und das Ersatzrad wieder brav unterm Wagen.

Fazit: Der Dempster Highway hat uns gezeigt, dass hier nichts selbstverständlich ist. Nicht einmal vier funktionierende Reifen. Aber seien wir ehrlich: Was wäre ein echter Roadtrip ohne ein bisschen Drama, Schweiß, Dreck und den Helden im orangefarbenen Sicherheitsjäckchen, der uns einfach gerettet hat?
Ach Leute, ihr glaubt gar nicht, wie schnell ein Roadtrip vom epischen Abenteuer zur nervenaufreibenden Reifen-Soap mutieren kann. Da denkt man nach der ersten Panne: „Okay, abgehakt, wir haben’s überlebt, wir sind jetzt quasi Profis im Radwechseln.“ Und dann – drei Minuten später, exakt an der Stelle, wo wir vorhin noch schwitzend im Schotter gekniet haben – pling! im Display. Wieder Reifendruckverlust. Ich schaue Stefan an, Stefan schaut mich an, und in unseren Köpfen läuft synchron derselbe Gedanke ab: Das kann doch nicht wahr sein!
Diesmal erwischt es die rechte Hinterachse. Also genau die Seite, die uns bisher verschont hatte – wahrscheinlich wollte sie sich nicht länger benachteiligt fühlen. Wir steigen aus, und tatsächlich: platt wie eine Flunder. Ich schwöre, in diesem Moment hatte ich das Gefühl, der Dempster Highway flüstert hämisch: „Na, wie viel Luft habt ihr eigentlich noch in Reserve?“

Aber wisst ihr was? Nach Panne Nummer 1 sind wir schon so geübt, dass wir fast ein kleines Formel-1-Team abgeben könnten. Stefan zieht das Werkzeug aus dem Fach, ich schnappe mir schon mal die Handschuhe, und in unter 30 Minuten liegt der kaputte Reifen im Camper, während das Ersatzrad seinen großen Auftritt hat. Ganz ohne Drama diesmal – na gut, fast. Ein bisschen Schweiß, ein paar Flüche, aber hey: Das Rad sitzt.
Und jetzt? Wieder zurück nach Eagle Plains? Noch mal $52 und den Spott der Mechaniker kassieren, die uns vermutlich schon in ihre Kundenkartei unter „Die mit den Platten“ einsortiert haben? Nee, danke. Wir schauen uns an und beschließen: No risk, no fun! Wir fahren weiter nach Norden. Klar, ohne Ersatzreifen ist das ungefähr so schlau wie Fallschirmspringen ohne Schirm – aber unser Optimismus (und die Hoffnung auf ein bisschen Glück) sind stärker.

Unser Plan: In Fort McPherson werden wir schon jemanden finden, der den Reifen wieder fit macht. Bis dahin fahren wir vorsichtig weiter, jede Bodenwelle doppelt so konzentriert wie vorher, jeden Stein misstrauisch beäugend. Der Dempster Highway hat uns auf die Probe gestellt – und wir nehmen die Herausforderung an.
Es fühlt sich an, als wären wir gerade in einem schlechten Road-Movie gelandet. Titelvorschlag: „Reifenroulette am Polarkreis“. Und wir? Hauptdarsteller, unfreiwillig, aber mit verdammt viel Durchhaltevermögen.
Der Dempster zeigt wieder einmal, dass er kein gewöhnlicher Highway ist, sondern eine Bühne für große Naturdramen. Die Richardson Mountains schieben sich vor uns auf, karg, rau und irgendwie majestätisch – wie eine letzte Prüfung, bevor man in eine andere Welt eintritt. Die Straße schlängelt sich zunächst gemächlich durch die Ausläufer des Gebirges, doch dann windet sie sich höher und höher hinauf. Der Asphalt? Den hat hier sowieso nie jemand erfunden. Stattdessen rumpeln wir über Schotter, als wolle der Dempster sicherstellen, dass wir diesen Moment nicht allzu bequem erleben.

Oben angekommen, erreichen wir den höchsten Punkt und gleichzeitig die Grenze zu den Northwest Territories. Ein einsames Schild mit Eisbär begrüßt uns. „Welcome to the Northwest Territories“ – nüchtern, sachlich, und doch fühlt es sich an, als hätte jemand einen roten Teppich in die Wildnis ausgerollt. Hier oben herrscht eine eigentümliche Stille, nur unterbrochen vom Wind, der über die Hochebene fegt. Der Blick reicht bis zum Horizont, wo die Sonne gerade ihr ganz eigenes Schauspiel vorbereitet.

Und dieses Schauspiel hat es in sich: Die Sonne senkt sich langsam, bricht durch dramatisch aufgeschichtete Wolken und wirft goldene Strahlen auf die kargen Bergrücken. Die Täler leuchten in warmen Orange- und Rottönen, während die Gipfel im Schatten fast mystisch wirken. Ein Panorama, das selbst im Kino in IMAX-Qualität nicht besser in Szene gesetzt wäre. Wir stehen da, sprachlos, und lassen die Schönheit einfach auf uns wirken. Ein Moment, den man nicht fotografieren muss, weil er sich ohnehin ins Gedächtnis brennt – und trotzdem knipsen wir wie die Weltmeister.
Nach diesem Höhepunkt beginnt die lange Abfahrt. Kilometer um Kilometer zieht sich die Straße bergab, fast endlos, wie eine Spirale in die Tiefe. Allmählich verändert sich die Vegetation: Aus karger Tundra werden wieder kleine Bäume, erst einzeln, dann dichter, bis wir uns wieder mitten in der Wildnis fühlen. Wir wissen, dass wir uns dem Peel River nähern – unserem nächsten Etappenziel.

Es ist inzwischen 22 Uhr, als wir das Flussufer erreichen. Doch anstatt eines reibungslosen Übergangs erwartet uns eine Szene wie aus einem Fernfahrerdrama: eine lange Schlange von Trucks, die geduldig darauf warten, dass es endlich weitergeht. Riesige Kolosse, voll beladen, reihen sich am Straßenrand auf wie schlafende Dinosaurier. Manche Fahrer sitzen in ihren Kabinen, andere lehnen draußen an den Türen, rauchen oder unterhalten sich – man spürt, dass sie diese Prozedur kennen.

Wir fahren vorsichtig an der Kolonne vorbei, bis wir direkt am Flussufer stehen. Und da liegt sie – die Fähre. Doch sie bewegt sich nicht. Sie steht einfach auf der anderen Seite des Peel Rivers, still und unbeirrt. Ein paar andere Reisende haben sich ebenfalls am Ufer eingerichtet. Man tauscht ein paar Worte aus: „Morgen früh geht’s weiter.“ Mehr Information gibt es nicht, mehr braucht es aber auch nicht.
Na gut, dann richten wir uns ein. Mit einem gewissen Pragmatismus suchen wir uns einen Platz, stellen den Camper so ab, dass wir die Fähre noch sehen können, und beschließen, den Abend hier zu verbringen. Zum Dinner gibt es nichts Großes – ein paar Reste aus dem Kühlschrank, schnell zusammengeworfen. Mehr ein „Survival-Snack“ als ein festliches Mahl, aber genau das passt zu diesem Moment.
Dempster Highway / Northwest Territories
Als wir schließlich ins Bett kriechen, ist es draußen noch immer nicht stockfinster. Die Sonne hat zwar ihren großen Auftritt hinter sich, doch am Himmel glimmt noch immer ein Rest von Orange und Violett. Dazu das leise Rauschen des Flusses – eine eigenartige Mischung aus Abenteuer, Improvisation und Gelassenheit.
So endet dieser Tag nicht mit einem Ziel, sondern mit einem Warten. Wir liegen am Peel River bei 67°20’14.1”N 134°52’53.5”W, zwischen Fernfahrern, Reisenden und einer unbewegten Fähre. Und auch wenn es nicht nach Plan läuft – es ist genau diese Art von Geschichten, die ein Roadtrip im Norden schreibt.
