
Von NYC nach D.C. : Delaware im Regen, ein Farmers Market und Amish-Leckereien!
Guten Morgen, 2022!
Das neue Jahr begrüßt uns – wie soll ich sagen – mit einem feuchten Händedruck. Trüber Himmel, Nieselregen und ein Wind, der uns direkt ins Gesicht pustet, als wollte er sagen: Willkommen im echten Leben! Aber hey, wir sind im Roadtrip-Modus, und der kennt bekanntlich kein schlechtes Wetter – nur falsche Regenjacken.

Heute beginnt unser einwöchiges Abenteuer durch den Osten der USA. Unser Ziel: Washington D.C., die Hauptstadt der Vereinigten Staaten. Und bevor du fragst: Ja, das „D.C.“ steht für „District of Columbia“ – der VIP-Bereich Amerikas, der weder zu New York noch zu Texas gehört, sondern direkt unter den Fittichen des Kongresses steht. Sozusagen die Bundeskanzlerin unter den Städten – unabhängig, wichtig und mit eigenem Sicherheitsdienst.
Doch bevor wir uns ins politische Herz der Nation stürzen, gibt’s zwei Zwischenstopps für alle Fans gepflegter Architektur und patriotischer Selfies: das State House von New Jersey und das State Capitol von Delaware. Leider sind Feiertage nicht gerade der optimale Moment für spontane Hausbesichtigungen. Aber was soll’s – wir sind hier für das perfekte Außenfoto, nicht für eine Führung mit Audioguide.

Also düsen wir voller Tatendrang Richtung Sussex. Nur leider… sehen wir statt ehrwürdiger Säulen und stolzer Kuppeln: Gerüste. Bauplanen. Absperrbänder. Unser erstes State Capitol 2022 ist – sagen wir’s freundlich – ein bisschen in der Pubertät: halb verhüllt, nicht fotogen, und bitte nicht anfassen.
Stefan drückt gar nicht erst auf die Bremse. Kein Fotostopp, kein Parkplatz, keine Klage. Weiter geht’s durch den grauen Januar, der sich inzwischen mit Regen vollgesogen hat wie ein schlecht gelaunter Schwamm.

Aber du kennst uns: Ein echter Roadtrip lebt nicht vom Wetter, sondern vom Willen. Und wir haben genug Willen für ein ganzes Reisebus voller Optimisten. Nächster Halt: Delaware – mal sehen, ob dort wenigstens die Fassade bereit für ihr Nahaufnahme-Shooting ist…
Unser Zwischenstopp: Cowtown Farmers Market in Pilesgrove, New Jersey. Ein Ort mit so viel Geschichte, dass selbst die Backsteine Geschichten erzählen könnten. Seit 1926 wird hier gehandelt, gefeilscht und gefuttert, was das Herz begehrt – früher auch mit echtem Vieh. Heute zum Glück ohne Muh und Mäh, dafür mit einem kunterbunten Sammelsurium aus allem, was man nicht braucht, aber unbedingt kaufen möchte.

Wegen des Dauer-Nieselns war der Außenbereich eher ein matschiger Albtraum für Gummistiefel-Fetischisten, doch die überdachten Hallen waren ein Fest für alle Sinne. Und genau dort schlug unser kleines Shopping-Herz höher – oder eher: Noahs Handschuhherz. Kaum waren wir drin, war er auch schon mittendrin. Zwischen Neonfarben, Tarnmustern und Rentieren mit Skibrillen. Er entschied sich – selbstverständlich – für zwei Paar, denn: „Oma, das Muster war so cool – und die sind sooo weich!“
Der eigentliche Star des Tages wartete aber ein paar Stände weiter. Ein kleiner Amish-Stand, der aussah wie direkt aus einer kitschigen Netflix-Weihnachtsserie gefallen – inklusive freundlicher Damen mit Hauben, die aussahen, als könnten sie mit bloßen Händen einen Apfelkuchen backen, stricken und dabei noch einen Traktor reparieren.
Erdbeer-Limonade, frisches Amish-Brot, Zimtschnecken, Kirsch-Taschen – wir probierten uns durch das halbe Sortiment und waren selig. Emilia klammerte sich an meinen Becher, trank, grinste, bekam einen roten Erdbeermund und erklärte: „Mehr!“ – was vermutlich „Diese Limo ist das Beste, was ich je hatte“ bedeutete.
BILDERGALERIE: Cowtown Farmers market
Inmitten von duftenden Backwaren und klammen Jacken vergaßen wir das Wetter für einen Moment. Die Stimmung? Gemütlich-chaotisch. Die Einkäufe? Deutlich kalorienreicher als geplant. Und trotzdem – oder gerade deshalb – war dieser Zwischenstopp ein kleines Highlight auf unserem Weg Richtung D.C.

Mit vollen Tüten, klebrigen Fingern (danke, Zimtschnecke) und einem glücklichen Grinsen verließen wir den Cowtown Farmers Market – bereit, dem nächsten Bundesstaat die Ehre zu erweisen. Nächster Halt: Dover, Hauptstadt von Delaware und gefühlt das ruhigste Stück Amerika, das man auf einem Roadtrip entdecken kann.
Unser Plan? Kein Sightseeing mit Audioguide, sondern: Foto – Klick – weiter! Das State Capitol präsentierte sich hübsch und gepflegt, wir parkten in Rekordzeit, Noah posierte professionell wie ein Politiker im Wahlkampf, und zack, ein weiterer Staat auf unserer „Capitol-Foto“-Bucketlist abgehakt. Es ist nicht immer Zeit für lange Reden – manchmal reicht auch ein richtig gutes Foto mit Kapitolskuppel im Hintergrund.

Danach wechselten wir vom historischen zum kommerziellen Teil der Tagesordnung: Shopping bei ROSS (wo das Motto „Dress for Less“ wörtlich genommen wird) und Carters, wo süße Kinderklamotten aus jeder Ecke winken wie übermotivierte Verkäufer auf einem Flohmarkt.
Und jetzt kommt der eigentliche Coup: Delaware hat keine Mehrwertsteuer! Kein Kleingedrucktes, keine Fußnoten – einfach kein Steueraufschlag. Das klingt so banal, fühlt sich aber beim Bezahlen an wie ein heimlicher Lottogewinn. Plötzlich schmeckt der Einkauf doppelt süß, und man neigt dazu, sich selbst zu rechtfertigen: „Das war kein Konsum – das war Finanzplanung!“
Leider fiel unser geplanter Abstecher zum Harley-Davidson-Shop ins Wasser. Geschlossene Tür, traurige Gesichter – besonders bei Stefan. Aber: Zeit ist auf Roadtrips ein harter Hund, und der Tacho sagt bereits 15:30 Uhr. Also zurück auf die Straße!

Über die William Preston Memorial Bridge ging’s weiter nach Maryland, wo wir – selbstverständlich – auch ein schnelles Foto vom dortigen State House einheimsten. Wieder so ein Klick-und-weiter-Moment, aber hey, das Album füllt sich!
Langsam aber sicher knurrte der Magen lauter als unser Motor. Und da – als hätte das Universum ein Einsehen – tauchte am Straßenrand ein vertrautes Logo auf: Applebee’s. Wie eine Oase in der kulinarischen Wüste. Direkt rein, direkt bestellt, direkt glücklich.
Mit Burgern, Salaten und einer Cola in der Hand war klar: Dieser Tag hatte alles – Wetterchaos, Marktcharme, Shoppingrausch, Staatsgebäude und ein warmes Abendessen. Was will man mehr? Vielleicht nur noch ein bisschen Platz im Kofferraum… aber den finden wir schon.

Wie jedes Mal bei Applebee’s gingen wir mit dem Sparfuchs-Modus auf Sendung. Diesmal war das Zauberwort „2-4-22“ – zwei Hauptgerichte für 22 Dollar. Ganz ehrlich: In einer Welt, in der man für einen Kaffee manchmal einen halben Stundenlohn hinlegen muss, fühlt sich das an wie ein kulinarischer Sechser im Lotto. Chicken Wings und Rippchen zogen auf unsere Teller ein, als wollten sie direkt einziehen. Und wir? Sagten natürlich nicht nein zu diesem kleinen Festbankett am Straßenrand.
Gegen 19 Uhr rollten wir satt und zufrieden zurück auf den Highway – Ziel: Washington D.C. Die Dunkelheit hatte sich über die Ostküste gelegt, die Kinder dösten vor sich hin, und wir glitten durch die Nacht wie ein schlecht gefedertes Raumschiff auf Asphalt. Gegen 20 Uhr tauchte es vor uns auf: „The Channel“, unser Apartmenthaus mitten im hippen Wharf District, direkt am Wasser gelegen.
Dank einer frisch eingetroffenen E-Mail wussten wir genau, was zu tun war: Schlüsselchip schnappen, Gepäck in den Aufzug, zack – drin! Die Wohnung? Stylish, sauber, ziemlich schick. Nur eine Frage blieb offen: Wo parken wir die Karre?
Also zogen Stefan und ich los auf eine nächtliche Parkplatz-Odyssee, bewaffnet mit Geduld, Google Maps und einem Funken Hoffnung. Nach einer Runde um den Block endlich: L’Enfant Plaza, direkt beim Spy Museum, und – tadaaa – ein freier Platz.
Unser AirBnB-Apartment im modernen Wohnkomplex „The Channel“ war der perfekte Kontrast zu unserer chaotischen Ankunft im Dauerregen: Stylisch, großzügig, durchdacht – und vor allem trocken. Schon die Lobby erinnerte eher an ein Boutique-Hotel als an ein normales Wohnhaus, und der Aufzug schnurrte uns wie von selbst in die obere Etage, wo unser temporäres Zuhause auf uns wartete.

Drinnen: große Fensterfronten mit dunklen Jalousien, ein Wohnbereich mit gemütlicher Couch, Fernseher und ordentlich Platz für Kinderkram und Shoppingbeute. Die Küche war komplett ausgestattet – inklusive Insel auf Rollen, falls man mal das Kochfeld tanzen lassen wollte. (Was wir natürlich nicht getan haben. Aber könnten.)
Das Schlafzimmer? Riesig. Bequem. Ruhig. Zwei Betten, auf denen man sich nach einem Tag auf den Beinen zwischen Washington Monument und Capitol Hill einfach nur hineinfallen lassen konnte. Alles in gedeckten Farben, schön schlicht – und genau das Richtige, um mal kurz den Trubel der Hauptstadt auszublenden.
Kurzum: Wir hätten es definitiv schlechter treffen können. „The Channel“ ist urban, entspannt und mittendrin – perfekter Ausgangspunkt für alles, was D.C. so hergibt.
Nur hatten wir ein Problem: die Milch war alle.Ein schneller Blick aufs Handy: Safeway, 0,7 Meilen entfernt, offen bis 21:30 Uhr. Die Uhr sagte: 21:03. Ich sagte: Challenge accepted.
BILDERGALERIE: The Channel
Doch kaum war ich unterwegs, öffnete sich der Himmel wie bei einem apokalyptischen Kurzfilm. Kein feiner Sprühregen, nein – ein Wolkenbruch deluxe, als hätte sich Washington gedacht: Na, da schicken wir der deutschen Touristin mal einen ordentlichen Empfang!
Nass bis auf die Socken erreichte ich Safeway, der Regen hörte exakt in dem Moment auf, als ich durch die Tür trat. Natürlich. Schnell Milch und Bananen gegriffen – denn was braucht man mehr im Leben? – und zurück in Richtung Apartment gestapft. Und was passiert? Runde zwei, diesmal mit Ansage. Wieder Regen. Wieder nur auf meinem Weg. Washington hatte Humor.
Triefend wie ein begossener Pudel kam ich zurück, woraufhin Stefan mit einem völlig ernst gemeinten: „Warum bist du so nass?“ die Atmosphäre endgültig zum Kabarett machte. Klar, er war trocken geblieben. Der Regen hatte sich offenbar exklusiv für meinen Weg entschieden.
Positiver Nebeneffekt: Duschen konnte ich mir sparen.
Nachdem die Kids im Bett verschwunden waren – friedlich, platt und glückselig – fiel auch für uns der Vorhang. D.C. wartete. Mit Denkmälern, Präsidenten und vielleicht, mit ein bisschen Glück, weniger Niederschlag.