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Condor wackelt, die Welt dreht durch – und wir fliegen nach Nevada

Manche Dinge, die wir im Leben tun, werden mit der Zeit zur Routine, verlieren ihren Reiz und werden zur Selbstverständlichkeit. Aber es gibt Ausnahmen. Und unsere zweimal jährlichen Reisen in die USA gehören definitiv dazu. Sie sind und bleiben ein echtes Highlight – kein bisschen Routine, sondern jedes Mal wieder Aufregung, Kribbeln, Kofferchaos und Vorfreude wie beim allerersten Mal.

Doch bei unserer Reise im März 2020 lag… nun ja, nennen wir es vorsichtig: ein gewisser Fluch in der Luft.

Alles begann noch harmlos und wie aus dem Bilderbuch: Februar 2019, wir buchen bei Condor, klopfen uns für den sensationellen Preis begeistert gegenseitig auf die Schultern und fühlen uns wie die Schatzsucher von Flugportalen. Euphorisch machen wir uns an die Planung.

Tja. Falsch gedacht. Ein paar Monate später – zack! – meldet Thomas Cook Insolvenz an. Und mit ihnen wankt auch unser Condor-Flug. Die Urlaubsstimmung bekommt den ersten Riss, die Augenbrauen heben sich skeptisch. Doch siehe da: der Staat springt ein, Condor wird gerettet, wir atmen auf und tun so, als wäre nichts gewesen. Zurück an die Reiseplanung – abenteuerlustig wie eh und je.

Condor

Dann kam der 10. März 2020 in Sicht. Der Tag des Abflugs rückte näher – und mit ihm eine ganz eigene Epidemie: der Familieninfekt. Erst meine Tochter, dann der Enkel, dann der Schwiegersohn, dann mein Mann… eine Art Dominoschnupfen, der reihum ging, aber mich – haha! – mich verschonte. Ich war überzeugt: „Mich kriegt ihr nicht!“ Ich war das gallische Dorf unter den Schleimhäuten. Bis genau sieben Tage vor Abreise.

Und da traf’s mich. Natürlich. Mit Fieber, Husten und einer Bronchitis, die direkt aus der Hölle zu kommen schien. Ich taumelte zum Arzt und sagte ungefähr sowas wie: „Geben Sie mir alles, was Sie haben – ich muss gesund werden, ich habe einen Flug in die USA!“ Er nickte verständnisvoll und rührte mir eine pharmazeutische Kernwaffe zusammen.

Die Wirkung kam schnell – zumindest was Fieber und allgemeine Lebensgeister anging. Aber der Husten? Der blieb. Und zwar so hartnäckig, dass ich bei jedem Huster das Gefühl hatte, meine Lunge hätte Kündigung eingereicht.

Inzwischen machten erste Meldungen über ein seltsames Virus namens Corona die Runde. Drei Fälle in Deutschland – das wirkte noch wie ein Randthema, so ungefähr auf dem Niveau von „Zugausfälle in der Lausitz“. Doch dann wurde plötzlich ein ICE gestoppt – wegen eines hustenden Fahrgasts. Und da wurde es real. Was, wenn sie auch unseren ICE stoppen würden?

Noch während ich mir ein Hustenbonbon nach dem anderen einwarf, riefen schon die ersten Kollegen:

„Mit DEM Husten lassen die dich doch niemals in die USA!“
„Die holen dich direkt aus der Schlange und sperren dich in Quarantäne!“
„Sag bloß nicht, dass du überhaupt Husten hast – oder nur jemanden kennst, der mal gehustet hat!“

Und plötzlich war da nicht nur Husten, sondern auch die Sorge: Wird das alles noch klappen? Wird das Virus uns einen Strich durch die Route machen? Und vor allem: Wie klingen Huster, die nach Corona riechen? Gibt’s da eine Frequenz?

Hyundai von Buchbinder

Ich ging auf Nummer sicher: Die Rail&Fly-Tickets wurden storniert, stattdessen organisierte ich einen Oneway-Mietwagen nach Frankfurt. Damit war wenigstens die Anreise geklärt – und ich konnte mich auf dem Weg zum Flughafen in aller Ruhe räuspern, ohne gleich eine Evakuierung auszulösen.

Was dann kam, wusste noch keiner. Aber eines war klar: Die Reise hatte schon vor dem ersten Flug so viel Spannung wie sonst andere erst nach drei Nationalparks.

Den Husten würde ich schon irgendwie in den Griff bekommen. Zumindest bis zur Einreise. Danach – nun ja – konnte ich ja immer noch ein bisschen diskret vor mich hin röcheln. Ich fühlte mich jedenfalls nicht fiebrig. Hoffte ich. Schließlich hatte ich gelesen, dass an einigen Flughäfen inzwischen Temperaturkontrollen durchgeführt wurden. Was, wenn mein Körper spontan auf „Tropenfieber mit Thermometerschock“ machte, nur weil jemand mit einem Stirnscanner wedelte? Aber ach – wird schon gutgehen. Tut’s doch irgendwie immer. Meistens.

Da wir ohnehin mit dem Mietwagen unterwegs waren, entschieden wir uns, noch eine Prise Luxus in den Plan zu streuen und schon am Vorabend nach Frankfurt zu fahren. So konnten wir dem klassischen Reisedienstagswahnsinn entgehen, bequem den Vorabend-Check-in erledigen und uns am nächsten Morgen in aller Ruhe durch ein Hotelfrühstück kämpfen, statt panisch Brötchen auf der Autobahn zu balancieren.

Vorabend Check-In

Nach einem köstlichen Abendessen bei unserer Tochter – die übrigens wieder gesund war, der Virus-Zug war da ja schon weitergerollt – machten wir uns also montags auf den Weg. Das Asthmaspray, den mir mein Arzt mit ernster Miene in die Hand gedrückt hatte, schien tatsächlich zu wirken. Hustenfrei ging’s auf die Autobahn – begleitet von leiser Hoffnung und einem Mietwagen, der für 57 Euro (inklusive Einweggebühr!) so unfassbar günstig war, dass ich kurz überlegte, ob sie uns dafür bei Rückgabe vielleicht Geld abziehen würden.

Unser kleiner Hyundai schnurrte brav die A5 entlang und brachte uns in knapp zwei Stunden zum Frankfurter Flughafen. Dort: Vorabend-Check-in. Kein Gedränge, keine Schlangen, keine nervigen Lautsprecherdurchsagen – wir waren die Einzigen. Der Mitarbeiter hinterm Schalter war vermutlich heilfroh, dass überhaupt mal jemand kam und war entsprechend freundlich. Zwei-Sitzer-Reihe am Fenster? Kein Problem. Jackpot. Ich sah uns schon mit ausgestreckten Beinen gen Las Vegas gleiten.

Danach ging’s noch ins Hotel – das „Goethe“, irgendwo in der Stadt. Laut Adresse im Herzen Frankfurts, laut Navi… na ja, irgendwo in einem Herzkranzgefäß. Das Hotel bestand aus mehreren Gebäuden, verwinkelter als ein Escape Room. Bis wir unser Zimmer fanden, hatten wir quasi die halbe Einrichtung gesehen – und standen schließlich vor einem Raum im Kellergeschoss.

Fensterlos. Dunkel. Eine Mischung aus Notunterkunft und Lagerraum für böse Träume. Ich marschierte entschlossen zurück zur Rezeption – und siehe da: falscher Schlüssel. Da hatte sich jemand vertan.

Goethe Hotel Frankfurt

Also nochmal durchs Labyrinth – diesmal in den zweiten Stock. Und hurra: Fenster! Tageslicht! Ein Zimmer, das nicht nach Kühlhaus roch! Schnell noch frisch gemacht, ein bisschen Hotel-Fernsehen mit dem Reiz eines Diaprojektors, und dann fielen wir erschöpft, aber glücklich ins Bett.

Morgen sollte es endlich losgehen – nach Las Vegas. Und trotz Husten, Chaos und Kellerüberraschung war die Vorfreude ungebremst. Fast schon verdächtig gut, um wahr zu sein…

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