
Unser venezianisches Abenteuer: Zwischen Gassen, Gondeln und Gelato
Venedig also. Ich war noch nie dort – wenn man mal vom Venetian Hotel & Casino in Las Vegas absieht. Dort gibt es schließlich auch eine Rialto-Brücke, einen Markusplatz und sogar einen Canale Grande, inklusive singender Gondoliere, die auf Zuruf „O Sole Mio“ schmettern. Der einzige Unterschied? Das Wasser riecht nach Chlor statt nach Lagune, und es gibt deutlich weniger Tauben, die einem auf den Kopf zielen.
Ich hatte schon öfter gehört, dass Las Vegas das „schönere Venedig“ sei – weniger Geruch, weniger Touristen, mehr Klimaanlage. Meine Erwartungen an das echte Venedig waren also, sagen wir mal, vorsichtig optimistisch.
Stefan hingegen hatte ganz andere Erinnerungen. Er war vor vielen Jahren schon einmal in Venedig – und hatte es nicht unbedingt in bester Erinnerung behalten. Übel riechende Kanäle, schwindelerregende Preise und eine Touristen-Abzocke nach der anderen – seine Begeisterung hielt sich, vorsichtig ausgedrückt, in Grenzen. Ich hingegen war mir sicher: Entweder hat sich die Stadt inzwischen gewandelt – oder wir lassen uns einfach nicht übers Ohr hauen.
Also auf nach Venedig – und mal sehen, ob es wirklich nur nach Abwasser und Abzocke riecht oder ob die Stadt vielleicht doch noch ein paar Asse im Ärmel hat.



Aber jetzt war es so weit. 8:00 Uhr morgens, noch leicht verschlafen, aber voller Tatendrang. Unser Camper stand bereit, und mit ihm unser Plan: Parkplatz vorab gebucht, Shuttle per Boot organisiert – ein perfekter Start in die Lagunenstadt.
1,5 Stunden später erreichten wir unser Ziel – und stellten fest, dass unser Parkplatz gleichzeitig ein riesiger Warenumschlagplatz war. Lebensmittel, Pakete, alles, was eine autofreie Stadt so braucht, wurde hier verladen. Während wir noch staunend die geschäftige Szenerie beobachteten, legte unser Shuttleboot pünktlich um 10:00 Uhr ab.

Und dann begann das Abenteuer auf dem Wasser-Highway. Unzählige Boote schoben sich in Reih und Glied durch die Lagune – eine Art Autobahn, nur eben flüssig. Links ein Frachtschiff mit Getränkelieferung, rechts ein Boot voller Obst und Gemüse, dahinter eine motorisierte Barke mit Baumaterial – Venedig funktioniert eben ein bisschen anders.
Unser Boot tuckerte weiter, ließ die großen Frachter hinter sich und nahm Kurs auf die Altstadt. Und dann, endlich – die ersten Kirchtürme, die ersten Palazzi, die ersten Gondeln. Venedig rückte näher, und mit jedem Meter wuchs die Vorfreude.
Wenig später legte unser Boot an einem kleinen Steg an. Jetzt gab es kein Zurück mehr – wir tauchten ein in das echte Venedig.


Handy-Navi raus: „600 Meter bis zum Markusplatz.“ Klingt machbar. Also los!
Schon nach wenigen Metern war ich hin und weg. Venedig war ein einziges Labyrinth aus schmalen Gassen und versteckten Winkeln. Manche Gassen waren so eng, dass ich mit ausgestreckten Armen beide Hauswände gleichzeitig berühren konnte – hätte ich mich umgedreht, wäre ich vermutlich zwischen zwei Mauern steckengeblieben.
Überall kleine Brücken, verwinkelte Wege, versteckte Innenhöfe – und einige dieser Brücken führten einfach direkt in private Hauseingänge. Stefan warf mir einen vielsagenden Blick zu, als ich ein Bein auf eine dieser Brücken setzte – „Nein, du klingelst da jetzt nicht.“ Gut, gut.
Wir liefen im Kreis, landeten in Sackgassen, bogen mehrfach falsch ab – aber genau das war der Charme! Venedig war kein Ort für schnurgerade Wege und effiziente Navigation. Hier ließ man sich treiben, verirrte sich absichtlich und entdeckte dabei die schönsten Ecken.
Und dann diese Boote! Schwebten regelrecht lautlos vorbei. Mal waren es kleine Lieferboote mit Paketen, dann wieder winzige Privatboote, die so aussahen, als hätte jemand einen Holztisch ins Wasser gesetzt. Und natürlich die Gondeln – elegant, schwarz, mit kunstvollen Verzierungen und einem Gondoliere, der wahlweise lässig am Ruder lehnte oder lautstark ins Handy diskutierte.
Es war ruhig, friedlich – und, Überraschung: Es stank überhaupt nicht! Venedig war einfach wunderbar. Und wir waren gerade erst angekommen
BILDERGALERIE: Venedig
Venedig zu Fuß zu erkunden war eine Reise ins Ungewisse. Die Gassen folgten keiner Logik, Navigations-Apps konnten uns höchstens grob in die richtige Richtung weisen, aber das eigentliche Erkunden lief nach dem bewährten Prinzip: „Wir gehen einfach mal da lang und schauen, was passiert.“
Und so stolperten wir irgendwann, eher aus Versehen, tatsächlich auf den Piazza San Marco. Plötzlich öffnete sich die Stadt, enge Gassen machten Platz für die größte und vielleicht berühmteste Piazza Italiens. Und da stand er: der Campanile di San Marco, stolz und mächtig, als wolle er sagen: „Na, habt ihr’s endlich geschafft?“
Ich ließ den Blick über den Platz schweifen – und staunte. Natürlich waren Touristen unterwegs, aber kein unüberwindbares Gedränge, keine Menschenmassen, die sich gegenseitig auf die Füße traten. Stattdessen ein angenehmes, geschäftiges Treiben. Tauben flatterten auf, Straßenmusiker spielten, und irgendwo rief ein Kellner lautstark Bestellungen aus.
Die Basilika San Marco? Atemberaubend. Goldene Mosaike, filigrane Verzierungen, eine Fassade, die aussah, als hätte sich ein Künstler hier einmal völlig ausgetobt. Wir machten eine Menge Fotos, Stefan versuchte, sämtliche architektonischen Details mit der Kamera einzufangen, während ich ein weiteres Mal den Campanile bestaunte. „Wusstest du, dass das Ding mal eingestürzt ist?“ fragte ich Stefan. „Nein, aber danke, jetzt weiß ich es – und stehe direkt drunter.“

Venedig – Die schwimmende Legende auf Millionen von Holzpfählen
Venedig ist nicht einfach eine Stadt – Venedig ist eine Welt für sich. Eine Stadt, die seit Jahrhunderten die Fantasie von Reisenden beflügelt, die auf dem Wasser schwebt und doch tief in der Geschichte verwurzelt ist. Keine Straßen, keine Autos, nur Kanäle und Brücken – ein Labyrinth aus verwinkelten Gassen, geheimnisvollen Innenhöfen und Palazzi, die ihre besten Zeiten vielleicht hinter sich haben, aber gerade deshalb diesen unverwechselbaren Charme versprühen.
Eine Stadt, die auf Holz schwimmt
Kaum zu glauben, aber diese Stadt steht auf Millionen von Holzpfählen – ja, Holz! Normalerweise würde es unter Wasser verrotten, doch hier bleibt es seit über 1.000 Jahren stabil, weil es von Sauerstoff abgeschnitten und so auf natürliche Weise konserviert wird. Venedig hätte es niemals geben dürfen – und doch steht es da.
Der Canal Grande
Der berühmteste Wasserweg ist der Canal Grande, eine geschwungene Wasserschlange, die sich quer durch die Stadt windet, flankiert von prachtvollen Palästen aus der Blütezeit der Republik Venedig. Und dann sind da die über 400 Brücken, die die 118 kleinen Inseln verbinden – jede mit ihrer eigenen Geschichte, ihrer eigenen Atmosphäre.
Gondeln – schwarze Eleganz mit jahrhundertealter Tradition
Kein Venedig-Besuch ohne Gondelfahrt – das wohl romantischste und traditionsreichste Fortbewegungsmittel der Welt. Früher waren sie bunt und prunkvoll verziert, doch seit 1562 dürfen Gondeln nur noch schwarz sein – ein Gesetz, das den damals ausufernden Luxus eindämmen sollte. Wer genau hinschaut, entdeckt dennoch kunstvolle Schnitzereien und kleine Verzierungen, die jede Gondel zu einem einzigartigen handwerklichen Meisterwerk machen.
Markusplatz und Markusdom – Pracht, Gold und Geschichte
Wer sich einmal in den Markusdom wagt, tritt in eine andere Welt. 8.500 Quadratmeter Mosaiken, viele davon in reinem Gold, lassen die Wände und Decken leuchten. Einst war diese Kirche nur die Kapelle des Dogen, doch heute ist sie das beeindruckendste Beispiel byzantinischer Baukunst in Westeuropa. Der Markusplatz, mit seinen unzähligen Tauben und den berühmten Arkaden, ist das Herz Venedigs – und bei Hochwasser oft der erste Ort, der untergeht.
Karneval und Masken – die Kunst der Anonymität
Der Karneval von Venedig ist eine Zeitreise in eine Epoche, in der Masken nicht nur Dekoration, sondern Macht waren. Die Venezianer nutzten sie, um gesellschaftliche Unterschiede für einen Moment zu vergessen – hinter einer kunstvollen Maske konnte ein Bettler zum Adeligen werden und ein Adliger zum einfachen Bürger. Bis heute ist der Karneval ein spektakuläres Fest aus Farben, Musik und Geheimnissen, bei dem die Gassen Venedigs zu einer Bühne für Träume und Illusionen werden.
Das älteste Casino der Welt
Und dann gibt es noch einen weniger bekannten, aber nicht minder faszinierenden Aspekt dieser Stadt: Venedig ist die Heimat des ältesten Casinos der Welt! 1638 wurde das Casino di Venezia eröffnet, ein Ort, an dem sich Adelige, Kaufleute und Abenteurer in prunkvollen Sälen trafen, um zu spielen, zu spekulieren und ihre Masken nicht nur beim Karneval, sondern auch beim Glücksspiel zu tragen.
Venedig – Ein Wunderwerk mit ungewisser Zukunft
Venedig ist ein Meisterwerk menschlicher Baukunst, ein lebendiges Museum auf dem Wasser – und doch könnte genau dieses Wasser sein größter Feind werden. Der Meeresspiegel steigt, die Hochwasser werden häufiger – und so kämpft die Stadt gegen eine Zukunft, in der sie vielleicht langsam verschwindet.
Doch genau das macht Venedig so magisch: Jeder Besuch könnte der letzte sein, jede Gasse birgt eine neue Geschichte, jede Brücke führt in eine andere Zeit. Es gibt Städte, die man besucht – und es gibt Städte, die man erlebt. Venedig ist Letzteres.
Nach einer Weile verließen wir den Markusplatz auf der gegenüberliegenden Seite. Doch bevor wir uns weiter in den Gassen Venedigs verlieren konnten, war noch ein wichtiger Stopp fällig: das Hard Rock Café.
Unser persönliches Ritual – keine Stadt ohne einen Besuch im Hard Rock Café. Also machten wir uns auf die Suche nach der legendären Rock’n’Roll-Oase inmitten der venezianischen Idylle. Ein paar verwinkelte Gassen später tauchte es vor uns auf – klein, aber fein, mit der gewohnten Mischung aus Musikmemorabilia und Souvenirstapeln.
Die Hard Rock Souvenir-Gitarre? Schnell gefunden. Ein weiteres Stück für unsere Sammlung. Stefan nahm sie entgegen, warf einen prüfenden Blick darauf und meinte trocken: „Okay, jetzt können wir Venedig wirklich abhaken.“
Na, ganz so schnell nun auch wieder nicht. Schließlich gab es noch viel mehr zu entdecken. Aber erst mal raus aus dem Shop – Venedig wartete!
BILDERGALERIE: piazza di san marco
Nach unserem kleinen Hard Rock Café-Abstecher setzten wir unseren Spaziergang fort – Richtung Ponte di Rialto.
Die Gassen führten uns immer tiefer ins Herz der Stadt, vorbei an kleinen Geschäften, die sich mit jedem Schritt venezianischer anfühlten. Venezianische Masken in allen erdenklichen Farben und Formen glitzerten in den Schaufenstern – von kunstvollen, handbemalten Meisterwerken bis zu schaurigen Pestdoktor-Masken mit überdimensionalen Schnäbeln. Ein paar Läden weiter glänzten filigrane Glasperlenketten aus Murano, kunstvoll arrangiert wie kleine Schätze. Dazwischen Händler, die kunstvoll verzierte Fächer und ledergebundene Notizbücher anpriesen, während in einer winzigen Werkstatt ein Handwerker geduldig mit feinstem Blattgold eine Maske vollendete.
Dann plötzlich – da war sie. Die berühmteste Brücke Venedigs. Die Ponte di Rialto.
Schon von Weitem sahen wir sie, ihre weißen Steinbögen, die sich elegant über den Canale Grande spannten, die massiven Treppenstufen, die Menschen, die wie Ameisen darüber wuselten. Die Brücke war mehr als nur eine Brücke – sie war eine Welt für sich. Ein kleines Handelszentrum mitten über dem Wasser, ein Basar in luftiger Höhe.
Links und rechts reihten sich Läden aneinander, eingebaut in die Arkaden, als hätten sie sich dort schon immer festgesetzt. Von Goldschmuck über Lederwaren bis hin zu Miniatur-Gondeln aus Glas gab es hier alles. Stefan zog skeptisch die Augenbrauen hoch, als ich in einem der Läden innehielt. „Du brauchst wirklich keine Mini-Gondel.“ Ich seufzte theatralisch. „Aber sie ist so… venezianisch!“
Und dann – der Blick von der Brücke selbst.
Vor uns breitete sich der Canale Grande aus, die Palazzi links und rechts spiegelten sich im grünen Wasser, und die Sonne ließ die Fassaden leuchten, als hätten sie sich für uns extra herausgeputzt. Gondeln glitten lautlos unter uns hindurch, Vaporetto-Boote brummten geschäftig in der Ferne, und irgendwo rief ein Gondoliere mit singender Stimme etwas auf Italienisch, das sich vermutlich entweder nach Romantik oder nach Touristenpreislisten anhörte. Ein Moment zum Innehalten.
Und dann kam Stefans trockener Kommentar: „Gut, haben wir das auch gesehen. Weiter?“ Tja, so unterschiedlich kann man das größte Highlight Venedigs betrachten.
BILDERGALERIE: Ponte di rialto
Und jetzt? Es gibt hier in Venedig ja sogar noch ein Hard Rock Café! Direkt bei der Ponte di Rialto, perfekt platziert, als wüsste es genau, dass man nach dem ganzen Kulturerlebnis eine kleine Dosis Rock’n’Roll vertragen könnte. Also, rein da – ein weiteres T-Shirt für die Sammlung war schnell gefunden. Stefan sah mich skeptisch an. „Haben wir nicht schon ein Hard Rock Venedig T-Shirt?“ – „Ja, aber… nicht dieses!“ Argumente, die immer ziehen. Mit neuer Beute in der Tasche waren wir bereit für den nächsten Teil unseres Abenteuers.
Nach unserem Spaziergang über die Rialto-Brücke meldete sich ein anderes, sehr bestimmtes Bedürfnis: Hunger. All die Eindrücke hatten uns hungrig gemacht, und es war höchste Zeit, nach einem guten Restaurant Ausschau zu halten. Natürlich wollten wir nicht in eines dieser „perfekt auf Touristen zugeschnittenen“ Lokale, die direkt an den Hauptplätzen mit laminierten Speisekarten winkten. Also tauchten wir wieder tiefer in das Labyrinth von Venedig ein,auf der Suche nach einer kleinen, authentischen Trattoria.
Es dauerte eine Weile – und ein paar unfreiwillige Extra-Kilometer – doch dann fanden wir sie: eine kleine Trattoria, versteckt in einer Seitengasse, abseits des großen Trubels. Keine aufdringlichen Kellner, die einen in drei Sprachen hineinwinken wollten, keine endlosen Touristentische – einfach nur ein paar urige Holztische, ein paar Venezianer, die ihr Mittagessen genossen, und eine Speisekarte, die nicht übersetzt werden musste, um authentisch zu wirken.
Und das Essen? Ein Gedicht.
Die ersten Teller landeten vor uns: knusprige Bruschetta, belegt mit saftigen, sonnengeküssten Tomaten und aromatischem Basilikum. Gefolgt von einer Pizza, so dünn und knusprig, dass man sie fast mit den Fingern hätte essen können. Doch dann – der Höhepunkt: Spaghetti alla Carbonara. Perfekt al dente, keine Sahne (natürlich nicht!), sondern genau so, wie sie sein müssen – cremig, herzhaft, mit einer wunderbaren Pecorino-Note.
Während wir das Essen genossen, beobachteten wir das ruhige Treiben der Einheimischen, die in aller Seelenruhe ihren Kaffee schlürften oder über ihre Zeitungen hinweg plauderten. Ein echter Glücksgriff.
Gesättigt und zufrieden zogen wir weiter – diesmal mit einem konkreten Ziel: den Palazzo Cantarini del Bovolo. Der berühmte Turm mit seiner Schneckentreppe war allerdings gar nicht so leicht zu finden. Wieder tauchten wir in enge Gassen ein, liefen an prächtigen Palazzi vorbei, bogen mehrmals falsch ab und fanden uns in Sackgassen wieder. „Gibt es hier irgendwo ein verstecktes Navi für venezianische Abenteurer?“ murmelte Stefan irgendwann. Doch genau als wir dachten, der Turm existiert vielleicht nur in alten Büchern, entdeckten wir ihn endlich – fast schon versteckt hinter hohen Mauern.
Da stand er nun, der Palazzo mit der berühmten Wendeltreppe, kunstvoll in die Höhe geschwungen, als hätte er sich heimlich aus einer anderen Epoche hierher geschlichen. Ein verstecktes Juwel mitten in Venedig – und genau das machte ihn so besonders.

Eintritt: 8 Euro. Das schien uns ein fairer Preis für ein Stück venezianische Geschichte – und für eine neue Herausforderung für unsere Wadenmuskulatur.
Der Aufstieg über die gewundene Treppe war steil. Jede Stufe fühlte sich an, als hätte sie schon tausende Besucher vor uns herausgefordert. Die engen Bögen, die sich spiralförmig in die Höhe schraubten, ließen uns wie in einer Zeitreise nach oben steigen. Mit jeder Windung wurde der Blick durch die kleinen Fenster interessanter, bis wir schließlich – nach gefühlt 327 Drehungen im Kreis – oben ankamen. Und dann: Wow.
Die Aussicht war atemberaubend. Vor uns lag Venedig in seiner ganzen Pracht, ein rotes Ziegeldachmeer, das sich bis zum Horizont erstreckte. Zwischen den Dächern ragten elegante Kirchtürme hervor, dazwischen kleine Innenhöfe, grüne Dachterrassen und die schmalen, gewundenen Gassen, durch die wir uns vorher noch verirrt hatten.
Und natürlich – in der Ferne, majestätisch und unübersehbar – der Campanile di San Marco. Der Turm, den wir noch am Morgen bewundert hatten, ragte nun stolz aus der Silhouette der Stadt empor, als wollte er uns daran erinnern, wie klein und verwinkelt die Stadt auf den ersten Blick erscheint, aber wie großartig sie in ihrer ganzen Pracht von oben aussieht.
Wir lehnten uns über die Brüstung, ließen den Blick schweifen und nahmen uns einen Moment, um diese unglaubliche Szenerie aufzusaugen. Hier oben fühlte es sich an, als hätten wir Venedig ein kleines bisschen erobert.
BILDERGALERIE: Palazzo Contarini del Bovolo
Nach unserem Abstecher zum Palazzo Cantarini del Bovolo machten wir uns auf den Weg zum nächsten Highlight: das Teatro La Fenice. Ein Name, der übersetzt „der Phönix“ bedeutet – und das aus gutem Grund. Dieses Opernhaus hat mehr Dramen hinter sich als so manche der Opern, die hier aufgeführt wurden. Zwei verheerende Brände hatten es komplett zerstört, doch jedes Mal wurde es wieder aufgebaut, schöner, prunkvoller – eben wie ein Phönix aus der Asche.
Der Weg dorthin? Natürlich wieder ein Abenteuer für sich. Denn wie sollte es in Venedig anders sein: schmale Gassen, kleine Brücken, malerische Kanäle – und die übliche Frage: „Sind wir hier überhaupt richtig?“ Selbst mit Navi blieb Venedig ein Labyrinth, aber das störte uns schon lange nicht mehr. Denn jedes Mal, wenn wir falsch abbogen, entdeckten wir etwas Neues.
Eine versteckte Piazza, auf der ein älterer Herr mit Baskenmütze Tauben fütterte. Eine winzige Kirche, deren Tür gerade offen stand, sodass wir einen Blick auf die kunstvollen Fresken im Inneren erhaschen konnten. Ein besonders schöner Balkon, bewachsen mit wilden Blumen, die in der warmen Nachmittagssonne leuchteten. Die Gassen wurden enger, die Atmosphäre ruhiger, die Häuser um uns herum wirkten irgendwie ehrwürdiger. Es war, als flüsterten sie uns zu: „Ihr seid gleich da… an einem der bedeutendsten Opernhäuser der Welt.“ Und dann standen wir plötzlich davor: La Fenice.
Von außen? Überraschend unscheinbar. Keine gigantischen Marmorsäulen, keine goldverzierten Fassaden, keine pompöse Eingangsfront – als wollte sich das Opernhaus bescheiden in die Stadt einfügen, ohne mit seinem Ruhm zu prahlen. Doch dann betraten wir den Innenraum – und wurden eines Besseren belehrt. Reinste Opulenz.

Goldverzierte Balkone, kunstvolle Deckenbemalungen, schwere, dunkelrote Samtvorhänge, die dem Ganzen eine königliche Eleganz verliehen. Der Zuschauerraum schimmerte im sanften Licht des gigantischen Kronleuchters, der wie eine leuchtende Sonne über den Rängen thronte.
Unsere Self-Guided Tour durch das Teatro La Fenice führte uns durch das beeindruckende Opernhaus, in dem einst die größten Stimmen Italiens erklangen. Ein Bauwerk, das so oft in Flammen stand, dass es fast ein Wunder ist, dass es überhaupt noch existiert. Doch mit bewundernswerter Hingabe und unerschütterlichem italienischem Stolz wurde es nach dem verheerenden Brand in den 90er Jahren Stein für Stein, Stuck für Stuck originalgetreu wieder aufgebaut.
Die Bühne? Gigantisch. Wir konnten förmlich sehen, wie sich hier Sopranistinnen mit dramatischem Ausdruck auf die Brust schlugen, während die Tenöre ihre letzten Töne mit schmerzverzerrtem Gesicht in den Saal schleuderten. Die Akustik? Die konnten wir uns nur vorstellen – oder besser gesagt, uns wünschen, dass wir eines Tages wiederkämen, um sie live zu erleben.
Ich konnte es mir bildlich vorstellen: Hier saß einst die feine Gesellschaft Venedigs – in prunkvollen Kleidern, mit kunstvoll geflochtenen Perücken, Fächer in der Hand, während die größten Opern des 19. Jahrhunderts ihre Uraufführung feierten. Verdi, Rossini, Bellini – sie alle waren hier.
Stefan ließ den Blick durch den Saal schweifen. „Nicht schlecht.“ – „Nicht schlecht?!“ Ich sah ihn entsetzt an. „Das hier ist einer der berühmtesten Opernorte der Welt!“ Er nickte anerkennend. „Gut, dann eben: ziemlich beeindruckend.“ Ja, das war es. Beeindruckend. Atemberaubend. Und ein weiteres Puzzlestück, das Venedig noch faszinierender machte.
BILDERGALERIE: Teatro la Fenice,
Es war schon spät am Nachmittag, als wir uns schweren Herzens auf den Rückweg machten. Venedig hatte uns mit seinem Charme vollkommen in den Bann gezogen – doch so sehr wir auch bleiben wollten, es war Zeit, Abschied zu nehmen.
Unser Boot würde in gut einer Stunde ablegen, und wir hatten exakt eine Mission: den Anlegeplatz finden. Ein Vorhaben, das in Venedig natürlich leichter gesagt als getan war. Denn wenn man hier eines garantiert nicht findet, dann sind es gerade, übersichtliche Wege.
Unsere Route bestand aus einem Mix aus „Wir gehen einfach mal in diese Richtung“, „Hier sieht es nach Wasser aus“ und „Moment, waren wir hier nicht schon mal?“ Doch genau in dieser kleinen Orientierungslosigkeit lag der Zauber. Venedig wollte, dass wir es bis zum letzten Moment erkunden.
Und dann – die Rettung in Form einer Eisdiele. Eine winzige Gelateria, halb versteckt in einer der schmaleren Gassen, mit einer Eistheke, die auf den ersten Blick klarmachte: Hier gibt es kein industriell gefertigtes Zeug, sondern echtes, hausgemachtes Gelato. Wir warfen uns einen Blick zu – es war keine Frage, ob wir uns noch ein Eis gönnen sollten, sondern nur, welche Sorten es werden würden.
Stefan entschied sich für eine cremige Kombination aus Zitrone und Himbeere – frisch, fruchtig, perfekt für den warmen Tag. Ich hingegen blieb meinem Klassiker treu: Stracciatella. Kühl, schokoladig und mit diesen kleinen, knackigen Schokosplittern, die das Leben einfach besser machen.
Mit unseren Bechern bewaffnet setzten wir unseren Weg fort. Venedig verabschiedete sich von uns mit der besten Version eines letzten Eindrucks – einem süßen, perfekten Abschluss.
BILDERGALERIE: Venedig
Das Navigieren durch die engen Gassen wurde mit jedem Schritt kniffliger. Links, rechts, wieder links – oder doch geradeaus? Venedig hatte uns bis zum Schluss fest im Griff und machte den Abschied nicht gerade leicht. Doch irgendwann, nach ein paar zusätzlichen Ehrenrunden und einer kurzen Diskussion darüber, ob wir uns jetzt wirklich noch einmal verlaufen hatten oder das einfach „die romantische Art des Abschieds“ war, erreichten wir den vertrauten Bootsanleger.
Ein wenig verschwitzt, aber zufrieden, ließen wir uns auf eine Bank plumpsen, holten noch einmal tief Luft und genossen den letzten Blick auf Venedig, bevor unser Boot uns wieder hinaus aufs Wasser brachte. Die Rückfahrt? Ein Traum.
Das Wasser glitzerte im warmen Abendlicht, die Stadt leuchtete hinter uns in weichem Gold, und der Wind wehte uns sanft ins Gesicht. Vorbei an kleinen Inseln und Fischerbooten, die ruhig auf den sanften Wellen schaukelten, zog Venedig langsam in der Ferne vorbei – fast wie eine Filmszene, die sich in Zeitlupe abspielte. Und wir mittendrin, ein bisschen müde, aber vor allem völlig verzaubert.
Die anschließende Autofahrt zum Campingplatz? Unaufgeregt und entspannt. Kein Stau, kein Stress, einfach nur eine ruhige Fahrt durch die langsam dämmernde Landschaft. Um Punkt 19 Uhr rollten wir auf den Platz, müde, aber glücklich – und mit einem Kopf voller Eindrücke, die noch lange nachklingen würden.
Venedig hatte uns in seinen Bann gezogen. Mehr als erwartet. Dieses Labyrinth aus Gassen, verwinkelten Brücken und versteckten Ecken – jede davon ein kleines Abenteuer. Selbst das ständige Verlaufen gehörte dazu, denn genau das machte den Reiz dieser Stadt aus.
Und als wir schließlich vor unserem Camper standen, war uns beiden klar: Das war nicht unser letzter Besuch. Wir werden wiederkommen. Vielleicht schon bald. Vielleicht mit einer ganz neuen Route. Und wer weiß – vielleicht wird es dann sogar eine Gondelfahrt.
Ich bin jedenfalls dafür. Und mit Stefans bewährtem Lebensmotto „Happy wife – happy life“ dürfte das wohl keine große Diskussion geben.



Den perfekten Tag beendeten wir genau dort, wo wir ihn ausklingen lassen wollten – in der Pirata Stube Pacengo. Dieses Restaurant hatten wir am Vortag während unserer Fahrradtour entdeckt, und schon da war uns klar gewesen: Hier müssen wir essen. Nur ein paar Meter vom Campground entfernt, also perfekt, um nach einem erlebnisreichen Tag nicht noch groß irgendwo hinfahren oder laufen zu müssen – einfach ankommen, hinsetzen, genießen.
Der Himmel brannte in den schönsten Farben. Die Sonne verabschiedete sich hinter den Bergen, tauchte den Gardasee in goldene Reflexe und ließ die Szenerie wie ein Gemälde wirken. Der perfekte Rahmen für ein Abendessen, das ebenso großartig werden sollte wie der Tag, der hinter uns lag.

Wir prosteten uns mit einem Glas kühlem Weißwein zu, ließen uns zurück in die Stühle sinken und warteten gespannt auf das Essen – und wurden nicht enttäuscht.
Die Spaghetti? Perfekt al dente, mit einer Sauce, die genau die richtige Mischung aus Einfachheit und Raffinesse hatte. Das Steak? Auf den Punkt gegart, saftig, würzig – eine echte Überraschung, wenn man bedenkt, dass wir in Italien und nicht in Argentinien waren. Und dann, der krönende Abschluss: Tiramisu. Nicht irgendein Tiramisu. Das beste, das wir je gegessen hatten.
Jede Schicht war ein Gedicht – luftig, cremig, mit genau der richtigen Menge Kaffee und Kakao. Ein Dessert, das einen kurz innehalten ließ, weil man sich vergewissern wollte, dass das, was da gerade auf der Zunge zerging, wirklich so gut war, wie es schmeckte.
„Bella vita“, dachte ich, während die letzten Sonnenstrahlen den Himmel in ein kräftiges Orange tauchten und der Geschmack von Tiramisu noch auf meiner Zunge lag.“
So sollte jeder Tag enden – bei gutem Essen, einem Glas Wein und dem Gefühl, dass das Leben gerade einfach perfekt ist.
