
Dongo in Slow Motion – Gelato, Grill und goldene Berge
Der Tag begann – wie so oft – ganz pragmatisch: mit einem kleinen, gezielten Morgenausflug zum Supermarkt. Stefan, Nadine und ich machten uns auf den Weg zum Conad City in der Via Giampietro Matteri – ein kleiner, aber erstaunlich gut sortierter Supermarkt, nur etwa zehn Minuten zu Fuß vom Campingplatz entfernt. Der Weg dorthin war schon fast meditativ: durch ruhige Gassen, vorbei an bröckelnden Hausfassaden, dem Duft von Flieder und dem einen oder anderen bellenden Hund hinter dem Gartentor.
Drinnen griffen wir zur Frühstücksgrundausstattung – frische Brötchen, Salami für Emilia, ein paar Kleinigkeiten für später… und – natürlich – zwei Flaschen Wein, für alle Fälle. Man weiß ja nie, wann das Leben ein Glas verlangt.
Und dann – mein persönliches Highlight: Mortadella. Nicht irgendeine, sondern die gute, dünn geschnitten, mit Pistazien, wie sie in Deutschland nie ganz so schmeckt.
Manche sammeln Muscheln, ich sammle kulinarische Glücksmomente. Und dieser Moment – im Supermarkt, mit einem Lächeln auf den Lippen und dem Gedanken an ein belegtes Brötchen mit Seeblick – war genau so einer.

Zurück am Campingplatz wurde erst mal gefrühstückt. Ganz klassisch: Brötchen vom Conad, Kaffee aus der Bialetti, Mortadella auf dem Teller – und heute Morgen sogar mit Sonne auf dem Campingtisch. Ein kleines, stilles Abschiedsgeschenk vom Comer See. Morgen geht es wieder nach Hause.
Nach dem Frühstück wurde abgespült – eine Tätigkeit, die im Laufe der Reise eine erstaunliche Entwicklung durchlaufen hatte: vom mürrischen Muss zum meditativen Morgengruß. Jeder Handgriff saß, jeder Lappen wusste, wo er hingehört, keiner fragte mehr: „Wo ist eigentlich das Spülmittel?“ – weil man es inzwischen blind greifen konnte.
Und dann begann der Tag genau so, wie sich das für einen letzten Ferientag gehört: ganz gemütlich. Also nicht gemütlich im Sinne von „auf dem Sofa liegen“, sondern eher: Zwangsentschleunigung mit Aussicht.
Stefan, die Kinder und ich machten uns auf den Weg zum See – gerade mal 100 Meter von unserem Stellplatz entfernt, aber gefühlt eine halbe Weltreise vom Alltag entfernt. Ein paar Wolken hingen noch in den Bergen, als würden sie sich nicht entscheiden können, ob sie bleiben oder sich diskret zurückziehen sollten. Der See lag ruhig da, ein bisschen wie ein Spiegel mit Fernsicht, eingerahmt von Bergen, die aussahen, als hätte sie jemand für ein Panoramapuzzle drapiert.
Noah schnappte sich sofort einen flachen Kieselstein – und begann mit dem, was er in diesem Urlaub fast schon zur olympischen Disziplin erhoben hatte: Steine flitschen.
Und diesmal war er wirklich in Hochform – fünf Sprünge, manchmal sogar sechs, mit eleganter Handbewegung, konzentriertem Blick und der ganz speziellen Körperspannung eines Achtjährigen, der sich innerlich gerade eine Goldmedaille umhängt.
Emilia stand daneben, kommentierte jeden Sprung mit kindlicher Begeisterung, hüpfte auf und ab, rief „Nooochmaaal!“, zeigte wild aufs Wasser und führte sich dabei auf wie ein lebendiger Applaus-Smiley. Ein Moment voller Leichtigkeit, Sonne, Lachen und kleinen Wundern.
Und ehrlich gesagt: Wenn ein Stein fünfmal über den Comer See hüpft und zwei Kinder das feiern, als hätten sie gerade das Universum entdeckt – dann war das wahrscheinlich einer der wichtigsten Momente des ganzen Urlaubs.

Gegen Mittag machten wir uns auf den Weg ins Zentrum von Dongo – was zwar nicht besonders groß ist, dafür aber jede Menge Charakter in seine Gassen packt. Schon der Weg dorthin war ein kleiner Spaziergang durchs Postkarten-Italien: enge Gassen zwischen pastellgelben Häusern, hier und da ein Balkon mit flatternder Wäsche, ein Mauervorsprung voller Blumentöpfe, Palmen, Clematis, Kirchen und Katzen – alles da.
Wir schlenderten vorbei an altem Gemäuer, über kleine Brücken, entlang an einem plätschernden Flusslauf mit Blick auf schneebedeckte Berggipfel. Dongo macht keine große Show, es flüstert eher – mit einer kleinen Glocke aus der Kirche, mit dem Wind in den Bäumen, mit dem Rascheln von Palmenblättern.
Unser Highlight: die Gelateria Golosella – Gelateria Artigianale. Schon der Name klang nach Glück, und drinnen wurde dieses Versprechen eingelöst: hausgemachtes Eis, frisch, cremig, duftend. Schokolade, Pistazie, Erdbeere – alles, was glücklich macht.
Und natürlich musste jeder probieren, was die anderen hatten – ein bisschen wie bei einem geheimen Gelato-Voting, das am Ende niemand objektiv bewerten konnte, weil jede Sorte einfach gut war.
Ein kleines Mittagessen wäre eigentlich schön gewesen – aber so richtig überzeugte uns keins der Lokale. Zu leer, zu voll, zu irgendwas. Irgendwas war immer.

Nadine wurde dafür woanders fündig: in einem kleinen, leicht schiefen Schreibwarenladen, der aussah, als hätte er seit den Achtzigern nichts verändert – inklusive Kassenschublade mit Glocke. Dort entdeckte sie die perfekten Postkarten für Noahs Schulfreunde. Zwei fehlten noch – jetzt war das Set endlich komplett. Die Karten wurden direkt mitten auf der Piazza geschrieben, auf einer Bank, zwischen zwei Löffeln Eis – ganz pragmatisch. Dann ging’s noch zur Post, um sie in den Kasten zu werfen, bevor wir langsam, ganz ohne Eile, wieder zurück zum Campingplatz liefen.
Dongo hatte uns nichts Spektakuläres geboten – aber dafür umso mehr ehrliche Kleinigkeiten. Und das, so hatten wir unterwegs festgestellt, ist manchmal genau das, was man braucht.
BILDERGALERIE: Dongo
Wir gehen zurück zum Campingplatz. Dort angekommen – es war inzwischen gegen 16:00 Uhr – beschlossen Oli und ich, dass dieser letzte Abend noch etwas Besonderes verdient hatte. Das mit dem Restaurant war ja eher so mittel – und ehrlich gesagt, was geht schon über den Duft von Gegrilltem in der Abendluft? Eben. Also: Grillen.
Wir machten uns auf den Weg zum großen IPERAL-Supermarkt in Dongo. Der Spaziergang dorthin war fast schon eine kleine Seepromenade-Therapie: 20 Minuten am Wasser entlang, sanfte Brise, Möwen, Boote, und Berge, die sich im glitzernden See spiegelten, als wollten sie uns zeigen, wie man Urlaub stilvoll zu Ende bringt.

Und dann standen wir da: vor einem riesigen Supermarkt, der alles hatte, was das Camperherz begehrt – und noch ein paar Dinge mehr. Wir kauften Fleisch fürs Abendessen, ein bisschen Gemüse (man muss ja wenigstens so tun, als sei es ausgewogen), Brot – und dann fiel unser Blick auf die Kühltheke. Tiramisu. In Reih und Glied, cremig, kühl, leicht beschlagen hinter Glas. Wir mussten nicht lange überlegen. Ein Blick, ein Nicken – das Dessert war gesichert.
Beim Anblick all dieser köstlichen Vorräte kam uns die nächste Idee fast automatisch: „Hier kommen wir morgen nochmal her – und dann wird auf Vorrat eingekauft.“ Salami, Pasta, Olivenöl, Mortadella… das ganze Programm. Souvenirs zum Essen, wie wir sie mögen.
Oli, der wie immer den Überblick behielt, fragte vorsichtshalber noch nach, ob der Laden am nächsten Tag überhaupt geöffnet sei – schließlich war der 25. April ein italienischer Feiertag. Ein kurzer Dialog mit der Kassiererin später war klar: Ja, geöffnet. Glück gehabt. Was für andere ein nationaler Feiertag ist, war für uns ein finaler Supermarktschlachtplan.

Während wir unterwegs waren, lief auf dem Campingplatz das entspannte Nachmittagsprogramm. Die Kinder waren – wenig überraschend – auf dem Spielplatz, wo die Rutsche inzwischen so vertraut war wie ihr eigenes Bett zu Hause. Emilia kletterte, als hätte man ihr dort ein Zimmer mit Aussicht eingerichtet, während Noah konsequent auf allem herumturnte, was nicht festgeschraubt war – und sei es die Stühle und Tische der menschenleeren Terrasse. Hauptsache höher. Hauptsache lauter.
Alles wie immer mit vollem Körpereinsatz, großer Begeisterung und dem Lärmpegel einer gut gelaunten Klassenfahrt, bei der man sich als Erwachsener nur noch fragt: Wie viele Stunden sind es eigentlich noch bis zum Abendessen?
Stefan machte in der Zwischenzeit den Camper sauber – unser Held des Abbaus, ausgestattet mit Kehrblech, Mikrofasertuch und dieser besonderen Mischung aus Präzision und innerem Frieden, die man entwickelt, wenn man einen Urlaub lang mit Staub, Bröseln und halbtrockenen Handtüchern gelebt hat. Kein Krümel war sicher.
Nadine hingegen gönnte sich ein wenig Ruhe – ganz für sich. Ein Stuhl, ein Sonnenstrahl, ein Hauch Wind – mehr braucht es nicht. Während rundherum der Campingplatz langsam in den Spätnachmittag glitt, legte sie einfach mal nichts auf To-do-Listen, sondern nur sich selbst in die Sonne. Und das, wie wir wissen, ist im Familienurlaub mindestens genauso selten wie WLAN-Empfang im Camper, wenn man ihn wirklich bräuchte.
BILDERGALERIE: Lago Di Como
Dann wurde gegrillt. Nicht – um das gleich klarzustellen – die Enten, die sich schon am frühen Abend auffallend nah an unseren Stellplatz herantrauten, vermutlich in der stillen Hoffnung, heute Abend selbst Teil des Menüs zu werden.
Aber wir entschieden uns dann doch für das, was wir zuvor mit viel Hingabe im Iperal organisiert hatten: gutes Fleisch, ein paar Spieße, Brot, Salat, und – natürlich – das Tiramisu als krönenden Abschluss.
Oli schmiss den Grill an, mit der ihm eigenen Mischung aus Grillchef-Energie und konzentriertem Blick – als würde er das Fleisch nicht nur wenden, sondern auch taktisch analysieren.
Die Markisen beider Camper waren ausgefahren, die Stühle aufgestellt, das Licht weich, der Schatten lang. Zwei Camper, ein kleiner überdachter Platz dazwischen, eine Grillstelle – unser ganz eigenes Restaurant am Comer See. Ohne Kellner, ohne Speisekarte, aber mit allem, was man braucht.
Die Kinder saßen zwischen Campingtisch, Fußmatte und Spielzeug verstreut, und es war dieser Moment, in dem man nichts mehr sagen muss. Das Tiramisu wartete kühl und geduldig im Kühlschrank, der Sonnenuntergang kam leise, und der Abend sickerte so langsam in die Camper wie der Wein ins Glas. Einfach. Gut. Einfach Family-Time
BILDERGALERIE: Camping la Breva
Bevor wir uns für die Nacht verkrümelten, ging’s noch mal an den See. Oli, Noah und ich wollten den Tag nicht einfach zwischen Zahnpasta und Schlafanzug enden lassen.
Also zogen wir los. Die Sonne stand schon tief, warf einen letzten warmen Schein über die Berge, die plötzlich aussahen, als hätte sie jemand mit einem Filter versehen. Der See glitzerte wie frisch poliertes Aluminium, die Wolken wurden kitschig orange, aber wir haben es ihnen verziehen – es war schließlich der letzte Abend.
Noah warf noch ein paar finale Steine, mit dem Ehrgeiz eines Achtjährigen, der weiß, dass es heute keine bessere Bühne mehr gibt. Ich machte Fotos – Oli auch. Wahrscheinlich dieselben Motive, nur in doppelter Ausführung, falls eins schief ist.
Dann zurück zum Camper. Zähne putzen. Taschenlampen aus. Türen zu. Der Campingplatz war ruhig, nur irgendwo klapperte noch eine Markise im Wind.
Und wir? Fielen müde, satt und leicht klebrig vom Tiramisu ins Bett. Der letzte Tag war rum – aber einer von der Sorte, bei dem man beim Einschlafen denkt: “Genau so war’s richtig.”
BILDERGALERIE: Sonnenuntergang am Lago di Como