Vom Küstenzauber zur Domspitze – Mailand, wir kommen!

Arrivederci, Cinque Terre – ciao Milano! Der letzte Morgen in Levanto begann wie so viele Campingtage: mit dem Duft von frischen Brötchen. Die hatten wir am Vorabend im kleinen Shop auf dem Campingplatz vorbestellt – eine der besten Entscheidungen des Tages. Nach einem gemütlichen Frühstück im Camper hieß es dann: alles zusammenpacken, Kabel einrollen, Markise einrollen, Navi an. Gegen 9:30 Uhr rollten wir los, schweren Herzens, denn hinter uns lagen zwei unvergessliche Tage zwischen Meeresluft, bunten Dörfern und steilen Wanderwegen. Aber! Vor uns lag: Mailand.

Gegen 12:30 Uhr erreichten wir Mailand und fuhren direkt zu einem bewachten Parkplatz in der Nähe des Parco Sempione, den Stefan und ich bereits im Vorjahr entdeckt hatten. 20 Euro für den ganzen Tag – für Mailänder Verhältnisse fast ein Schnäppchen. Allerdings war nur noch ein Platz frei. Kurz Spannung, dann Hollywoodreife Wendung: Der Parkplatzwächter parkte kurzerhand sein eigenes Auto um, damit wir dort stehen konnten. Grazie mille!

Parkplatz Mailand

Vom Parkplatz aus begannen wir unseren Spaziergang durch den weitläufigen Parco Sempione – eine dieser grünen Oasen mitten in der Stadt, die einen sofort vergessen lässt, dass man sich gerade noch im Mailänder Stadtverkehr durchgeschlängelt hat. Das Wetter spielte mit: strahlend blauer Himmel, die Sonne stand schon angenehm warm über den Baumwipfeln. Die Mailänder selbst hatten den Tag offensichtlich zur persönlichen Siesta erklärt – überall lagen Menschen im Gras, auf Decken, mit Sonnenbrillen und Eisbechern, als hätte man sich für ein riesiges Freiluftpicknick verabredet.

Wir schlenderten entspannt den Hauptweg entlang, vorbei an kleinen Kieswegen, alten Bäumen und einem ruhigen Teich, in dem tatsächlich mehrere Schildkröten auf Baumstämmen dösten – als wären sie ebenfalls Mailänder und hätten sich bewusst für den Lifestyle hier entschieden.

Am nördlichen Ende des Parks tauchte das Arco della Pace auf – ein gewaltiger Triumphbogen, der fast ein bisschen wirkt, als hätte sich Paris in Mailand versteckt. Wir hielten kurz inne, machten Fotos, warfen einen letzten Blick auf die ruhige Parklandschaft – und drehten dann ab, direkt ins Herz der Geschichte: das Castello Sforzesco.

Arco della Pace

Das Kastell ist kein Schloss im klassischen Sinne – eher eine gigantische Festungsanlage, mit meterdicken Mauern, Wehrtürmen, einem gewaltigen Innenhof und dieser ganz besonderen Atmosphäre aus Renaissance, Macht und Staub. Wir durchquerten das Tor, liefen durch den Innenhof, vorbei an Kunststudenten mit Skizzenblöcken und einem riesigen, plätschernden Brunnen vor dem Hauptportal, in dem sich das Sonnenlicht spiegelte.

Und dann waren wir mittendrin: Mailand, mit all seiner Lebendigkeit, seiner Mischung aus edel, chaotisch, historisch und modern. Nach dem Parkspaziergang und der Burgherreneinlage meldeten sich unsere Mägen deutlich zu Wort.

Zum Glück wussten Stefan und ich genau, wo es hingehen sollte: zur Pizzeria Luna Rossa – ein echter Glücksfund vom letzten Jahr. Damals waren wir zufällig vorbeigelaufen und hatten uns nur gewundert, warum sich dort so viele Leute vor dem Eingang stauten. Kein Touristenpulk mit Stadtplan in der Hand, sondern vor allem Mailänder in Anzug, Poloshirt oder mit Werkzeugkoffer, offensichtlich in ihrer Mittagspause.

Also stellten wir uns damals einfach dazu – und es ging erstaunlich schnell. Die Pizzeria ist zwar gut besucht, aber auch ziemlich groß und bestens organisiert. Und allein die Stimmung, das Klappern der Teller, das Gewusel der Kellner und das rhythmische „Prego!“ an den Tischen hatten uns damals schon überzeugt: Hier essen die Einheimischen. Kein Chi-Chi, keine Touristenfalle – einfach richtig gutes Essen zu richtig fairen Preisen, nur wenige Minuten vom Dom entfernt.

Dieses Mal hatten wir Glück – wir bekamen direkt einen Tisch, ganz ohne Warten. Es war inzwischen fast 14 Uhr, und ich vermute, die Mailänder hatten ihre Mittagspause bereits beendet und saßen wieder an ihren Schreibtischen oder auf ihren Motorrollern. Der Trubel war abgeebbt, aber die Küche noch voll in Fahrt.

Wir bestellten Pizza, Pasta und – natürlich – mein geliebtes Tagliata, das butterzart auf dem Teller lag, wie man es nur in Italien serviert bekommt: außen knusprig, innen rosa, dazu Rucola und Parmesanspäne, die schon beim Hinschauen zerliefen. Und dann kam der Nachtisch – ein Tiramisu, das der Kellner mit einem verschmitzten Lächeln als “gerade mal drei Stunden alt” ankündigte.

Nun ja… älter wurde es dann auch nicht. Frisch, aber nicht zu frisch, genau im richtigen Stadium zwischen „gerade zusammengerührt“ und „könnte sich bald selbst auf den Löffel legen“. Cremig, luftig, durchgezogen, mit Charakter – ein Dessert, das nicht nur schmeckt, sondern sich auch ein bisschen was einbilden darf. Wir waren satt, glücklich – und bereit für das nächste Kapitel: Hardrock Cafe

Mailand

Mit vollgefutterten Bäuchen und der himmlischen Nachspeise noch leicht auf der Zunge ging’s weiter – natürlich zum Hard Rock Café. Das gehört bei uns einfach dazu. T-Shirts für alle, sozusagen unsere inoffizielle Familienuniform, die sich mit jedem Roadtrip erweitert.

Das Hard Rock Café in Mailand liegt an der Corso Vittorio Emanuele II – eine Prachtmeile, auf der die Handtaschen mehr kosten als ein gebrauchter Kleinwagen. Links Gucci, rechts Prada, dazwischen Versace, Valentino und alles, was sonst noch unter „Trag ich nur mit Bodyguard“ läuft. Glänzende Fenster, Marmor, Glas, auf Hochglanz polierte Menschen, die wirken, als wären sie direkt aus der Vogue gefallen.

Und wir? Mittendrin – mit Ziel Hard Rock Café. Kein Glitzer, keine High Heels, sondern Gitarren an den Wänden, Rockmusik im Hintergrund und ein Menü, das wir inzwischen auswendig kennen.

Aber ganz ehrlich: Zum Gucken lohnt es sich.

Vom Hard Rock aus liefen wir weiter zur Galeria Vittorio Emanuele II, diesem spektakulären überdachten Prunkbau, der schon eher wie ein Luxusbahnhof aus Marmor wirkt. Riesige Bögen, goldene Verzierungen, glitzernde Läden – und ein gläsernes Kuppeldach, unter dem man fast automatisch einen aufrechteren Gang einlegt.

In der Mitte des Bodens, gleich beim Übergang zwischen den Kreuzgängen, stießen wir auf ein buntes Mosaik eines Stiers. In dem Mosaik gibt es eine kleine, glattgetretene Kuhle, genau dort, wo der Stier… nun ja… anatomisch eher empfindlich ist. Und was macht man da? Genau: Man stellt sich auf die Fersen, platziert die Hacke zielsicher in eben jene Stelle und dreht sich dreimal im Kreis.

Warum? Weil’s angeblich Glück bringt.

Galeria Vittorio Emanuele II

Ob das stimmt? Keine Ahnung. Aber Nadine und die Kinder haben es gemacht – voller Ernst, mit sichtbarer Entschlossenheit und großem Gelächter. Ich hatte davon vorher noch nie gehört, aber offenbar ist es eine alte Mailänder Tradition, und angesichts der Menge an Menschen, die sich dort täglich um die Achse drehen, muss da ja irgendwas dran sein. Oder es ist einfach die italienische Variante eines Glückspfennigs: ein bisschen albern, sehr fotogen – und irgendwie schön.

Der Stier in der Galeria Vittorio Emanuele II – drehen für das Glück

Mitten im edlen Marmorboden der Galleria Vittorio Emanuele II liegt ein farbenfrohes Mosaik eines Stiers, genauer: das Wappentier von Turin. Und mitten im Wappen: eine kleine, glänzende Kuhle, genau dort, wo der Stier… na ja… sagen wir: am verwundbarsten ist.

Was macht man da?

  • Man stellt sich mit der Ferse genau auf die empfindliche Stelle des Stiers.
  • Und dann: dreimal im Kreis drehen – auf einem Bein.
  • Warum? Weil’s angeblich Glück bringt.

Touristenritual oder echtes Glück?

  • Die Herkunft der Tradition ist nicht ganz klar – manche sagen Aberglaube, andere sprechen von einem satirischen Akt gegen Turin (Rivalität mit Mailand).
  • Fakt ist: So viele Menschen haben sich dort schon gedreht, dass die Stelle inzwischen tief eingetreten ist – und regelmäßig restauriert werden muss.
  • Die Mailänder sagen selbst gern mit einem Grinsen: „Es bringt Glück. Außer für den Stier.“

Fototipp:

Unbedingt Kamera bereithalten – wenn jemand gleichzeitig dreht, lacht und fast umkippt, ist das eine der schönsten Mailand-Erinnerungen.

Direkt aus der Galleria traten wir auf den Piazza del Duomo, und obwohl man sich auf diesen Moment mental vorbereitet, ist der erste Blick auf den Mailänder Dom immer wieder beeindruckend. Weißer Marmor, filigrane Spitzen, ein Bauwerk wie aus Zucker – man steht da und kann nicht glauben, dass das alles echt ist und nicht eine Theaterkulisse mit Special Effects.

Aber was uns an diesem Tag zuerst ins Auge fiel, war nicht der Dom – sondern Musik. Mexikanische Musik. Mitten auf dem Platz stand eine Gruppe Mariachi-Musiker, komplett in traditionellen Anzügen mit Stickereien, Sombreros, Gitarren und ordentlich Charisma. So gar nicht typisch italienisch, und gerade deshalb irgendwie großartig.

Doch der Auftritt war nur von kurzer Dauer. Die Polizei kam und bat sie, aufzuhören – aus Respekt, weil an diesem Ostermontag der Papst verstorben war. Musik war auf dem Domplatz an diesem Tag nicht erlaubt. Aber: Die Musiker durften bleiben, und statt Musik gab’s Fotos – was Noah und Emilia natürlich sofort genutzt haben. Ein Selfie mit Mariachi-Band vor dem Dom – was will man mehr?

Wir machten eine Menge Fotos – vom Dom, von uns und vom Dom, und wieder von uns, diesmal schräg vor dem Dom, dann von uns allen mit Taube, und schließlich nochmal vom Dom ganz ohne uns, für die Ernsthaftigkeit im Fotoalbum.

Piazza del Duomo

Dann wurde es Zeit fürs nächste Highlight: der Aufstieg aufs Dach. Wir gingen links an der Kathedrale entlang, bis wir zum Eingang kamen, der uns nach ganz oben führen sollte. Denn wir hatten Mailand nicht nur wegen Pizza und Shirts besucht – wir wollten ganz nach oben.

Am Eingang zur Dachterrasse des Mailänder Doms war schon ein wenig Betrieb, aber alles gut organisiert. Wir entschieden uns für die bequeme Variante – den Aufzug, der uns in wenigen Sekunden durch das Herz dieses steinernen Giganten schob. Die Türen öffneten sich, und man war… fast oben. Noch nicht ganz, aber das erste Level der Dachterrassen lag direkt vor uns: ein schmaler Gang entlang der südlichen Flanke, flankiert von steinernen Balustraden, zwischen gotischen Türmchen, Spitzen und Wasserspeiern, die aussahen, als hätte sie jemand mit Engelsgeduld aus Sahne geschnitzt.

Hier oben beginnt man zu verstehen, was für ein Irrsinn an Handwerkskunst dieser Dom eigentlich ist. Jeder einzelne Turm, jede Figur, jeder Zierstein – alles mit Liebe zum Detail geschaffen. Und mittendrin: wir. Zwischen den Touristen, die staunten, und den Kindern, die gar nicht wussten, wo sie zuerst hinschauen sollten.

Nach ein paar Fotos und einem ersten Rundumblick ging es eine schmale Steintreppe hinauf zur nächsten Ebene – ein wenig enger, ein bisschen steiler, aber absolut machbar. Und dann: der Gipfel.

Wir standen auf dem höchsten begehbaren Punkt, direkt unterhalb der goldenen Madonnina, die über Mailand wacht. Vor uns lag die Stadt – flach ausgebreitet wie eine Miniaturlandschaft, mit ihrer Mischung aus historischen Fassaden, modernen Glasbauten und dem flimmernden Smogschleier am Horizont. Und unter uns: die Piazza, die Touristen, die Tauben, die Mariachis (falls sie noch da waren) – aus dieser Höhe plötzlich ganz klein und still.

Piazza del Duomo

Wir suchten uns eine freie Stelle auf den warmen Steinplatten, setzten uns einfach hin, lehnten uns zurück und taten… nichts. Nur schauen. Nur genießen. Der Wind wehte leicht über das Dach, die Sonne spiegelte sich auf den weißen Flächen, und für einen Moment war alles ganz ruhig. Kein Gedränge, kein Stadtlärm, kein Plan. Nur wir – über den Dächern von Mailand.

Ein Ort, an dem man nicht viele Worte braucht. Und an dem selbst die Kinder mal für ein paar Minuten einfach nur gucken.

Und dann… musste jemand Pipi. Natürlich. Es war fast zu erwarten. Noah meldete sich mit dem wohl bekanntesten Satz der Weltgeschichte: „Ich muss mal.“ Und das ausgerechnet auf dem Dach des Mailänder Doms, etwa 60 Meter über dem Platz, umgeben von gotischen Türmen und hundert anderen Touristen. Kein Baum, kein Gebüsch, kein Café – nur weißer Marmor und sehr viele Fotoschüsse.

Nadine reagierte blitzschnell. Noch bevor wir „Vielleicht hältst du noch kurz durch?“ überhaupt denken konnten, hatte sie beide Kinder an der Hand und war schon unterwegs zur nächsten Aufsichtsperson in Warnweste.

Duomo di Milano

Und dann nahm die Szene Filmcharakter an. Eine Art stilles Einverständnis glitt über die Gesichter der Aufseher – als hätten sie nur darauf gewartet. Einer griff zum Funkgerät. Ein anderer nickte bedeutungsvoll. Ein Dritter machte wortlos den Weg frei. Die Mission war klar. Der Notfall erkannt.

Nadine wurde samt Kindern in einen Nebenbereich geführt, den normale Besucher wahrscheinlich nie zu sehen bekommen. Aufzüge summtenTüren öffneten sich wie von Geisterhandflüstern ging über in gezielte Anweisungen.

Es war wie in einem Agentenfilm – nur dass die streng bewachte Fracht nicht etwa geheime Dokumente, sondern zwei sehr konkrete Bedürfnisse mit sich trug. Irgendwann, einige Korridore, zwei Gänge und einen stillen Sicherheitsmann später, waren sie unten. Noah erreichte das Ziel. Mission erfüllt.

Und das Beste: Man bot Nadine tatsächlich an, den ganzen Weg wieder zurück aufs Dach zu bringen – durch dieselben geheimen Gänge, mit denselben freundlichen Blicken. Aber sie winkte ab. Wir waren ohnehin fast fertig, voller Eindrücke und auf dem Weg nach unten.

Mailand

Nachdem wir wieder unten waren, machten wir uns auf direktem Weg zurück, genau wie wir gekommen waren. Vorbei am großen Brunnen, der jetzt im warmen Licht des späten Nachmittags glitzerte, durch den Innenhof des Castello Sforzesco, wo sich die Schatten inzwischen lang über das Pflaster zogen, und weiter durch den Parco Sempione.

Die Stimmung war ruhig, fast ein bisschen wie nach einem guten Film – alle waren satt an Eindrücken, angenehm müde und zufrieden. Wir sagten Mailand leise „Ciao“ und kehrten zurück zu unserem Parkplatz, wo der Camper brav auf uns wartete.

Alle stiegen ein, jeder fand seinen Platz, es wurden Jacken zurechtgezupft, Snacks sortiert – und dann rollten wir auch schon los. Nächstes Ziel: der Comer See. Oder besser gesagt: Camping La Breva in Dongo, mit Blick aufs Wasser.

Und dann wurde es… kurz mühsam. Wir hatten dem Campingplatz unsere Ankunftszeit mitgeteilt, sogar noch eine E-Mail bekommen, in der stand, dass wir einfach klingeln sollen, falls um halb acht niemand mehr da ist. Klingt unkompliziert, dachten wir.

Tja. Wir standen eine halbe Stunde im strömenden Regen, klingelten, riefen an, schrieben nochmal – nichts. Erst um 20 Uhr tauchte dann endlich ein Mitarbeiter auf. Ganz entspannt, ohne jede Eile, und schien von absolut nichts eine Ahnung zu haben. „Ach so, die E-Mail… das war meine Mutter.“ Aha.

Wenigstens war er freundlich – und wir durften rein. Der Platz war, soweit man ihn im Dunkeln überhaupt erkennen konnte, ganz hübsch. Es regnete weiterhin, aber wir hatten improvisiert: unser Camper stand dem anderen genau gegenüber, und mit beiden Markisen gespannt entstand dazwischen eine trockene Oase aus Stoff, Licht und Dankbarkeit.

Keine große Abendrunde mehr, kein Restaurantbesuch – einfach nur noch: Regen, Ruhe, Füße hoch.

Gute Nacht, Dongo.
Morgen soll die Sonne scheinen.
Wir werden sehen.

Seitenübersicht

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert