
Pisa, Pizza, Pasta – und der Osterhase findet uns in Levanto
Letzter Kaffee in Florenz. Letzter Blick. Und zurück in den Campermodus. Während über den Hügeln langsam der Tag in den zweiten Gang schaltet, fahren wir unsere Markise ein, verstauen Tische, Stühle, Erinnerungen – und mit ihnen ein Stück Florenz. Inzwischen geht das alles wie im Film mit Zeitsprung: Zack, Zack, Zack – und der Platz sieht aus, als wären wir nie dagewesen. Fast schon unheimlich effizient, dieses Familien-Camping-Kollektiv.
Frühstück? Heute nicht mit Brötchenjonglage am Campingtisch. Heute gibt’s Buffet. Ganz zivilisiert. Ganz entspannt. 12 Euro für die Großen, 6 Euro für Noah – und Emilia ist unter 5, also offiziell „kostenlos und hungrig“. Keine Tischdeck-Orgie, kein Abwasch hinterher. Stattdessen: Croissants, Kaffee und Rührei in der genau richtigen Balance zwischen fluffig und fettig.
Gegen 9:30 Uhr starten wir die Motoren. Nächstes Ziel: Pisa. Die Route ist unaufgeregt – Autobahnmodus, etwas LKW, etwas Tempomat, etwas Langeweile, die von Gesprächen über Pizza und das nächste Etappenziel übertönt wird. Es läuft. Und wie.
Gegen 11 Uhr rollen wir auf den Parcheggio Camper Via di Pratale – wie schon im letzten Jahr, ein Platz, den wir inzwischen fast wie eine alte Urlaubsbekanntschaft begrüßen. Nicht besonders charmant, aber praktisch, sauber, sicher – und mit Service, der überrascht. Noch bevor man den Motor abstellt, bekommt man eine gedruckte Karte in die Hand gedrückt, auf der nicht nur der beste Weg zum Turm eingezeichnet ist, sondern auch gleich ein paar freundliche Hinweise zu Kirche, Souvenirfalle und der „besten Fotoperspektive“. So geht Camping-Service 2.0.
Klar, es gibt näher gelegene Parkplätze. Aber da munkelt man von Taschendieben und Autoaufbrüchen – also laufen wir lieber ein paar Minuten länger. Ist ja nicht so, als hätten wir uns im Urlaub schon genug bewegt.

Also: Rucksack auf, Kinder eingesammelt, Schuhe geschnürt – Pisa, wir kommen. Vom Parkplatz aus geht’s los: ein guter halbstündiger Fußmarsch, vorbei an Wohnhäusern mit kunstvoll verstaubten Fensterläden, kleinen Lebensmittelläden, die aussehen, als wären sie seit 1983 in Familienhand – und einem Gemisch aus mediterranem Gemurmel und Touristen auf der Zielgeraden.
Dann stoßen wir auf die Bastione del Parlascio – eine alte Stadtmauer, die sich imposant und ein wenig geheimnisvoll vor uns auftürmt. Und während oben Menschen gemütlich entlangflanieren, stehen wir unten und fragen uns: Wie kommen die da hoch? Es ist wie in einem schlechten Escape Room: Man sieht das Ziel, aber keine Rampe, kein Schild, keine freundliche Hinweistafel mit “Hier geht’s lang”.
BILDERGALERIE: Weg zum Schiefen Turm
Aber egal. Statt den Einstieg ins Pisa’sche Hochweg-Labyrinth zu suchen, folgen wir weiter dem normalen Weg – und siehe da: Der ist gar nicht mal so schlecht. Schattige Abschnitte, Vogelgezwitscher, ein bisschen mediterraner Verfall und mittendrin wir – eine kleine Karawane auf dem Weg zum Turm, dem wahrscheinlich berühmtesten Schiefstand der Welt.
Noah und Emilia laufen tapfer mit – allerdings nicht ohne mindestens drei Mal zu fragen, wie viele Minuten es noch sind. Wir antworten: „Bald. Gleich. Fast da.“ Der Klassiker unter den elterlichen Motivationslügen – aber immerhin funktioniert’s.
Und dann – endlich, zwischen den gelblichen Fassaden und den obligatorischen Souvenirständen – ragt er plötzlich auf: der schiefe Turm von Pisa. Als hätte ihn jemand absichtlich schräg ins Panorama gestellt, nur damit Touristen aus aller Welt irritiert stehen bleiben, nochmal hinschauen – und dann mit der Hand nach ihm greifen, als könnten sie ihn auf ihren Urlaubsfotos stützen.

Der Turm kippt. Und zwar richtig. Nicht nur ein bisschen. Nicht so, dass man sagen könnte: „Na ja, da hat sich der Statiker halt vermessen.“ Nein, das Ding sieht aus, als hätte es sich mitten im Bau gedacht: Och nö, ich mach mal Pause – aber ein bisschen seitlich.
Und trotzdem – oder gerade deshalb – ist der Moment magisch. Weil man ihn kennt, aus Heften, Filmen, Memes und Schulatlanten. Aber dann steht man plötzlich davor – und merkt: Der ist wirklich so. Und noch schöner als gedacht.

Noch ein paar letzte Schritte – dann betreten wir die Piazza dei Miracoli, diesen unwirklich schönen Platz, auf dem alles ein bisschen zu perfekt aussieht, um wahr zu sein. Der Rasen ist grüner als erlaubt, die Gebäude wirken wie aus Marmor geschnitzt – und dazwischen: Menschen, Selfiesticks, Kameras und das leise Summen von Staunen.
Natürlich: Wir machen das volle Touristenprogramm. Die obligatorischen „Ich halte den Turm fest“-Fotos. Nadine stemmt sich mit ausgestreckten Armen gegen den Schiefstand, Noah macht es nach. Es ist herrlich albern – und absolut unverzichtbar.
BILDERGALERIE: Torre pendente di pisa
Die Aufregung steigt: Für 13 Uhr habe ich Tickets gebucht – für Noah, Nadine und Oli. Der Aufstieg auf den berühmtesten Schiefstand der Welt. Kinder dürfen erst ab 6 Jahren hoch, was Emilia zwar mit den Ohren verstanden, aber mit dem Herzen rundweg abgelehnt hat. Ihre Reaktion: eine Mischung aus beleidigte Prinzessin auf Abwegen und Drama in vier Akten. Stefan und ich bleiben also mit der kleinen Diva zurück – im Schatten des Turms, zwischen Postkarten und Touristen.
Noch ist ein bisschen Zeit. Also nutzen die drei die Gelegenheit und werfen einen Blick auf das Baptisterium – dieses riesige, runde Gebäude mit der markanten Kuppel. Von außen wirkt es fast wie eine marmorweiße Torte, die sich neben Dom und Turm nicht verstecken muss. Rein geht’s diesmal allerdings nicht, der Zeitplan ist eng, und der Fokus liegt klar auf dem Turm. Aber selbst von außen ist das Bauwerk beeindruckend – mit seinen Bögen, Säulen und der fast schon perfekten Symmetrie. Ein kurzer Fotostopp, ein paar staunende Blicke.
BILDERGALERIE: Cattedrale di Pisa
Danach geht es in den Dom, den Duomo di Pisa – und hier wird’s dann richtig festlich. Die hohe, reich geschmückte Decke, goldverziert und kunstvoll bemalt. Die Säulenreihen, die sich wie ein steinernes Meer durch das Kirchenschiff ziehen. Und der Altar, eingefasst in Marmor, goldene Verzierungen und das sanfte Licht der Buntglasfenster. Hier drin ist Pisa nicht schief – sondern erhaben, ruhig, erleuchtend. Ein Ort zum Durchatmen, Staunen – und vielleicht sogar zum ganz kurzen Schweigen.
Dann schlägt die Uhr bald 13:00 Uhr – Zeit, die 294 Stufen des Turms zu erobern.
Während Noah, Nadine und Oli sich langsam Richtung Turm bewegen – Ticket in der Hand, Vorfreude im Gesicht und leichtes Kribbeln in den Füßen – suchen Stefan, Emilia und ich uns einen Platz im Schatten eines kleinen Cafés direkt gegenüber. Der perfekte Aussichtspunkt: Cappuccino in der Hand, Turmblick vor der Nase, und ein leicht trotziges Kind im Schlepptau. Emilia lässt uns spüren, dass sie lieber da oben wäre – bei den Großen. Stattdessen bekommt sie ein Schokoladen Eis. Nicht ganz dasselbe wie der Schiefe Turm, aber zumindest emotional stabilisierend.

Während wir also im Café sitzen und die anderen aufsteigen, verfolgen wir das Schauspiel mit Blick und Kamera. Man sieht sie nicht sofort – der Turm ist schließlich nicht aus Glas – aber irgendwann erkennt man zwischen den kleinen Köpfen oben auf der Plattform drei bekannte Silhouetten. Sie winken. Wir winken zurück. Emilia winkt auch. Dann sagt sie mit verschwörerischer Stimme: „Wenn ich sechs bin, geh ich da auch hoch.“ Und das klingt nicht wie ein Wunsch. Das klingt wie ein Plan.
Oben am Turm erwartet unsere drei Abenteurer ein ganz besonderes Gefühl: Der Schiefe Turm von Pisa ist nicht nur schief – er fühlt sich auch schief an. Der Aufstieg durch die enge Wendeltreppe ist ein Balanceakt für den Gleichgewichtssinn. Mal neigt sich die Wand nach innen, mal nach außen. Die Beine fragen sich bei jeder Stufe: „Geht’s hier noch mit rechten Dingen zu?“ Und doch: Stufe um Stufe steigt man höher, bis man schließlich oben auf der Aussichtsplattform steht – mit einem Blick über Pisa, der alles wettmacht.
BILDERGALERIE: Auf dem schiefen Turm
Die Stadt liegt ausgebreitet wie ein sonniges Gemälde – rote Dächer, grüne Bäume, der weiße Marmor der Piazza glänzt unten im Sonnenlicht. Und mittendrin: der Moment, in dem man sagen kann: „Ich war da oben. Wirklich.“
Als die drei wieder zurückkehren, leuchten ihre Augen. Besonders Noah platzt fast vor Stolz. Und Emilia? Sie wirft einen letzten, langen Blick auf den Turm – mit einer Mischung aus Bewunderung und einer kleinen Prise Rachegeist. Nächstes Mal, Pisa. Ganz bestimmt.
Dann schlendern wir gemeinsam weiter – noch ein kurzer Abstecher an einen der zahlreichen Souvenirstände, wo die Kinder je ein Pisa-T-Shirt bekommen (natürlich mit Turm-Aufdruck). 14:00 Uhr, Zeit, zurück zum Camper zu gehen. Ein letzter Blick zurück – diesmal alle auf dem Boden, aber irgendwie ein kleines Stück größer als vorher.

Unser heutiges Ziel: Levanto. Genauer gesagt: der Campingplatz Pian di Picche – gelegen in einem ruhigen Tal, eingerahmt von grünen Hügeln und nur einen Steinwurf vom Meer entfernt. Die Fahrt dorthin ist bereits eine kleine Sehenswürdigkeit für sich: kurvig, bergig, malerisch, mit Ausblicken, bei denen man sich fragt, ob man gerade durch Ligurien fährt oder in einem Werbespot für italienisches Olivenöl gelandet ist. Ein bisschen wie eine Aufwärmrunde für das, was uns morgen erwartet: die Cinque Terre.
Gegen 16 Uhr rollen wir entspannt auf den Platz – und stellen fest: Heute ist nicht irgendein Tag. Heute ist Ostersonntag. Aber kein Grund zur Sorge: Der Osterhase hat offenbar einen exzellenten Orientierungssinn und ein gutes Navi. Er hat uns gefunden – auf einem kleinen Campingplatz in Ligurien, irgendwo zwischen blühendem Flieder, Pinien und Pizza.

Während wir Erwachsenen bei leichtem Nieselregen die Markise ausfahren, Tisch und Stühle platzieren und versuchen, uns einzureden, dass das Wetter sicher gleich besser wird, sind Noah und Emilia längst in Oster-Einsatzmission unterwegs. Mit leuchtenden Augen und jeder Menge Energie durchstöbern sie das Vorzelt, den Rasen, die Blumenkästen – und finden: kleine Spielsachen, Schoko-Eier, Überraschungen.
Der Osterhase war kreativ – und schnell. Und der Nieselregen? Ach, den nennen wir heute einfach „italienischen Sprühregen“. Klingt nicht nur poetischer, sondern fühlt sich auch gleich ein bisschen wärmer an.
BILDERGALERIE: Der OSterhase war da
Kaum angekommen auf dem Campingplatz, bekommen wir auch schon den ultimativen Tipp: Zwei Pizzerien im Ort, beide angeblich fantastisch, von denen man sich unbedingt eine gönnen sollte – wenn man schon mal in Levanto ist. Und mal ehrlich: Wer wären wir, diesen Hinweis zu ignorieren? Immerhin reden wir hier von Pizza. In Italien. In Ligurien. An Ostern.
Also: Regenjacken überziehen, Kapuzen hoch, Kinder einpacken – und los geht’s. Der Nieselregen begleitet uns weiterhin treu, aber wir geben uns kämpferisch. Wenn uns Pizza ruft, dann kommen wir. Punkt.
Die erste Pizzeria auf der Liste? Hat zu. Geschlossen. Feiert Ostern. Schade. Große Enttäuschung. Kurzer Drama-Moment vor der Tür, Emilia zeigt erste Anzeichen von Ungeduld, aber dann: Plan B. Oder besser gesagt: Pizzeria Nummer zwei. Ihr Name: „Duca“.
Ein unscheinbares Lokal, von außen eher schlicht als schick. Aber drinnen duftet es nach knusprigem Teig, Tomatensauce, geschmolzenem Käse und dem Versprechen eines perfekten italienischen Abends. Wir treten ein – halb tropfnass, halb erwartungsvoll – und nehmen Platz. Noch wissen wir nicht: Das wird die beste Pizza dieser Reise. Vielleicht sogar dieses Jahres. Aber das ahnt man irgendwie schon beim ersten Blick auf den Steinofen.

Das Geheimnis dieser wirklich herausragenden Pizza? Liegt eindeutig im Teig. Die Speisekarte verrät ganz unaufgeregt, aber selbstbewusst:
„Unsere Pizzen werden mit Mehl vom Typ 0 zubereitet und mit frischen, saisonalen Zutaten belegt, die sorgfältig ausgewählt werden. Der Teig ruht doppelt – ganze 30 Stunden lang. Das macht ihn geschmackvoll, duftend und besonders leicht verdaulich.“
Und was soll ich sagen: Man schmeckt es. Der Boden war dünn und knusprig, aber nie hart – der Rand? Fluffig, aromatisch und so gut, dass man ihn nicht etwa liegen lässt, sondern feierlich aufisst. Dazu eine kleine, aber feine Auswahl an Bier und Wein. Keine überladene Karte, keine aufgesetzte Deko – einfach Pizza, wie sie sein soll: schlicht, ehrlich, sensationell gut.
La dolce pizza vita.
BILDERGALERIE: Pizzeria Duca
Auf dem Rückweg zur Camperbasis entdecken Nadine und Stefan noch einen kleinen Supermarkt – praktischerweise in der Nähe der Pizzeria, als hätte das Universum die Einkaufsliste gleich mit eingeplant. Und dann: der Fund des Tages. Barilla-Spaghetti für 59 Cent. Stefan strahlt, als hätte er gerade den Hauptgewinn gezogen, und greift zu, als gäbe es kein Pasta-Morgen. Seine Lieblingssorte, versteht sich. Gleich mehrere Packungen landen im Korb – man weiß ja nie, wann einen die Sehnsucht nach echter italienischer Nudelqualität daheim wieder überfällt.

Und obwohl sich der Himmel hartnäckig in Grau hüllte und der Nieselregen nicht locker ließ, beschlossen wir: Jetzt erst recht. Levanto zeigte sich nämlich genau in diesem feuchten Glanz von seiner stimmungsvollsten Seite.
Wir spazierten durch die kleinen, charmanten Gassen der Altstadt, vorbei an bunt gestrichenen Häusern mit Fensterläden, leise plätscherndem Regen auf Kopfsteinpflaster und geschlossenen Läden, deren Schaufenster trotzdem Geschichten erzählten. Vor den Cafés hingen noch Osterdekorationen, ein paar Einheimische schlenderten gelassen mit Schirmen vorbei, Fahrräder lehnten an den Hauswänden – es wirkte wie ein Filmset, das extra für uns beleuchtet worden war.
Ein paar Bilder mussten natürlich gemacht werden – denn manchmal ist es genau dieser feine Regen, der einem Ort den letzten Hauch Magie verleiht. Levanto im Tropfmodus: ruhig, bunt, charmant – und absolut sehenswert.
BILDERGALERIE: Levanto
Dann schnell zurück – die Einkäufe unterm Arm, der Pizzaduft noch in der Nase, der Himmel weiterhin grau, aber irgendwie versöhnlich. Es nieselt noch immer. So ein typischer italienischer Regen: leicht, höflich, irgendwie fast dekorativ. Der Campingplatz liegt ruhig da, ein wenig versteckt zwischen Bäumen, Hecken und den sanften Hügeln rund um Levanto. Alles wirkt wie eingefangen in einem alten Italo-Film, komplett mit Vogelzwitschern und dampfendem Asphalt.
Wir sind angekommen. Nicht nur geografisch, sondern auch innerlich. Ein langer Tag liegt hinter uns: mit schiefem Wahrzeichen in Pisa, einem Osterhasen mit eingebautem GPS, der uns auch in Ligurien findet, und der wohl besten Pizza unserer bisherigen Reise. Und als wäre das nicht schon genug, hat Stefan jetzt auch noch seinen Barilla-Vorrat für zuhause gesichert – Spaghetti-Sicherheit geht eben vor.
Was will man mehr? Vielleicht noch einen Espresso. Aber selbst den heben wir uns für morgen auf.
Denn morgen steht Cinque Terre auf dem Plan. Und schon der Name klingt wie ein Versprechen: nach Farben, Felsen, Meerblick. Aber das ist morgen. Und Heute?
Heute sagen wir einfach nur: Buona notte, Levanto.
Und danke – für diesen charmant-verregneten Auftakt ins nächste Kapitel unseres Roadtrips.