Kanäle, Brücken & Blick vom Campanile – Venedig im Familienmodus

Frühstück draußen? Keine Chance. Der Wind fegte über den Platz wie ein aufgeschreckter Pizzabote, der zu spät dran ist, dazu ein Himmel in dezenter Betonoptik – und eine Luft, die eher nach Übergangsjacke als nach Frühlingsmorgen roch. Immerhin: Es regnete nicht. 

Also: Plan B. Frühstück drinnen. Das kleine Restaurant direkt am Campingplatz war unsere Rettung in der Windnot – gemütlich, warm, und ausgestattet mit genau dem, was man an so einem Tag braucht: Croissants in allen Füllungsvarianten – Schoko, Vanille, Marmelade, Überraschung – und dazu Espresso, so stark, dass man damit wahrscheinlich auch kleine Maschinen antreiben könnte.

Ein italienischer Start in einen italienischen Tag. Und der stand heute ganz im Zeichen von Venedig, der Serenissima, der Stadt auf dem Wasser, der Kulisse für mindestens 870 Romane und eine gute Portion Alltagszauber.

Ich übernehme die Mission „Fährtickets“, denn den Ticketschalter direkt neben dem Platz kenne ich noch vom letzten Jahr. Allerdings: Ernüchterung. Die Kombitickets, die wir im letzten Jahr so praktisch fanden – einmal zahlen, Fähre und Vaporetto inklusive – gibt es nicht mehr.

Ein stiller Aufschrei in meinem inneren Reiseplaner. Also: Einzelticket für die Fähre nach Venedig, später dann in der Stadt nochmal anstehen fürs Vaporetto. Schade – aber gut. Wir sind ja flexibel.

Zack – Tickets gekauft. 15 Euro pro ErwachsenerNoah bekommt Rabatt (8,- € kostet sein Ticket), und Emilia fährt kostenlos, weil sie mit ihren vier Jahren noch unter die Kategorie „süß genug für gratis“ fällt. Abfahrt: 9 Uhr. Fähre ins Abenteuer.

Terminal Fusina

Der Weg zur Fähre ist kurz – wirklich kurz. Nur ein paar Schritte vom Campingplatz, einmal an den Recyclingcontainern vorbei und schon steht man am Anleger, bereit für die große Lagunen-Expedition. Kein Anstehen, kein Stress – ein seltener Moment logistischer Harmonie auf einem Familien-Roadtrip.

Die Fähre kommt pünktlich um 9 Uhr. Wir steigen ein, suchen uns einen Platz im Innern aber mit Blick auf die Bugwelle – und 30 Minuten später betreten wir venezianischen Boden. Anlegestelle Zattere – das klingt nicht nur schön, das ist auch schön.

Der erste Eindruck? Venedig, wie aus dem Bilderbuch. Nur eben nicht in Aquarell oder auf Postkarte, sondern live – mit Geräuschen, Gerüchen und ganz realen Pflastersteinen.

Schmale Gassen, verwitterte Palazzi, Fensterläden, die knarzen wie alte Geheimnisse – und Möwen, die sich offenbar zum Ziel gesetzt haben, mit ihren Lautstärken sämtliche Stadtführungen zu übertönen.

Wasser schwappt gegen die Uferpromenade, Boote tuckern vorbei, und irgendwo ruft schon der erste Gondoliere nach Kundschaft. Venedig eben – und wir mitten drin. Oli, Nadine und die Kinder starten sofort in den Kulturbetrieb. Erster Halt: Santa Maria del Rosario.

Ein kurzer Besuch in der barocken Kirche mit der beeindruckenden Kuppel und den goldverzierten Seitenaltären – während Stefan und ich draußen warten. Nicht, weil wir Kulturverweigerer wären, sondern weil wir schon im letzten Jahr staunend durch diese heiligen Hallen geschlendert sind.

Diesmal gönnen wir uns ein paar Minuten Ruhe am Campo vor der Kirche – mit Blick aufs Wasser und dem Wissen: Der Tag hat gerade erst angefangen.

Von der Kirche aus geht’s weiter – einmal quer über den Campo Sant’Agnese. Ein kleiner Platz, wie es sie in Venedig zu Dutzenden gibt – ruhig, charmant, mit schiefen Laternen, windschiefen Hauswänden und diesem ganz besonderen Venedig-Flair, das irgendwo zwischen bröckelnder Pracht und Postkartenidylle pendelt.

Campo Sant’Agnese

Ein paar Einheimische spazieren vorbei, der Wind treibt uns sanft voran – und dann liegt sie vor uns: die Ponte dell’Accademia. Eine der vier Brücken, die über den Canal Grande führen – und vermutlich die mit dem besten Blick. Wir steigen die Holzstufen hinauf, lassen kurz den Atem stocken – und da ist er: der Blick auf den Canal Grande.

Links die Basilika Santa Maria della Salute mit ihrer markanten Kuppel, rechts die historische Häuserzeile, die aussieht, als hätte sie jemand mit viel Liebe zum Detail in ein Museum gepackt. Boote, Vaporetti, Gondeln – alles in Bewegung, alles in diesem einzigartigen Rhythmus, den nur Venedig kennt. Nur das Wetter spielt noch nicht ganz mit.

Der Himmel hängt voll dunkler, wattiger Wolken, als würde er sich nicht entscheiden können, ob er regnen oder einfach nur dramatisch aussehen will. Die Farben der Gebäude wirken etwas gedämpfter, der Blick etwas melancholischer – aber selbst das steht Venedig gut. Es ist diese ganz eigene Eleganz zwischen Verfall und Ewigkeit, zwischen Touristenrummel und morbider Schönheit, die selbst bei grauem Himmel funktioniert.

Canal Grande

Wir machen Fotos – natürlich. Viele. Von allen Seiten. Mit und ohne Kinder, mal romantisch, mal leicht gestresst, weil jemand wieder ins Bild läuft. Aber egal. Dieser Moment, diese Perspektive – die gehört ins Album. Und während wir noch ein bisschen stehen bleiben, den Blick schweifen lassen über Wasser, Palazzi und die unerschütterlich dahinziehenden Boote, lehnt sich Noah über das Geländer, stützt sich mit beiden Armen ab und sagt mit glänzenden Augen: „Wow. Das ist wie im Film!“

Ein Satz, der auf den ersten Blick einfach nach Staunen klingt – aber bei uns sofort eine kleine Erinnerung wachkitzelt. Denn: Letztes Jahr hatte ich genau hier – auf dem Canal Grande – per Facetime mit Noah und Emilia gesprochen, während wir auf einem Vaporetto durch Venedigs Pracht geschippert sind. Damals: Mama und Opa live aus der Lagune. Heute: Noah mittendrin im „Film“, den er vorher nur durchs Display kannte.

Ein Moment, der alles andere als kitschig ist. Oder doch. Schon. Also sehr kitschig. Aber auf die beste Art – einer von diesen Momenten, bei denen man innerlich grinst und hofft, dass sie in Erinnerung bleiben. Weil sie klein sind. Und gleichzeitig riesengroß.

Unser Weg führt uns weiter durch das Herz von Venedig – vorbei an Santo Stefano. Die Pflastersteine glänzen vom Vortag, die Gassen verengen sich wie in einem Labyrinth, das einen sanft zum nächsten Höhepunkt schiebt, und das Stimmengewirr wird dichter – eine wilde Mischung aus Italienisch, Englisch, Deutsch und dem allgegenwärtigen Flüstern von Google Maps.

Und dann ragt er plötzlich schräg ins Blickfeld: der schiefe Turm von Santo Stefano. Nicht Pisa-schief, aber doch schief genug, dass man im ersten Moment glaubt, das eigene Gleichgewicht sei das Problem. Ein Glockenturm mit Haltungsschaden. Der Campanile lehnt sich ganz ungeniert zur Seite, als wolle er sagen: „Ich bin alt, ich darf das.“

Wir bleiben kurz stehen, schauen hoch, schmunzeln – und gehen weiter. Denn in Venedig ist selbst das Schräge irgendwie schön.

Campo Santo Stefano

Unser eigentliches Ziel ist die Ponte Rialto, aber Venedig wäre nicht Venedig, wenn nicht ständig eine Sehenswürdigkeit ungefragt auf dem Weg läge. Und da steht sie: die Scala Contarini del Bovolo.

Eine spiralförmige Außentreppe, die aussieht, als hätte ein venezianischer Architekt eines Nachts zu viel Wein getrunken – und dann ein kleines Meisterwerk entworfen. Oli, Nadine und die Kinder sind sofort Feuer und Flamme. „Da gehen wir hoch!“ – und zack, schon verschwinden sie im Turm.

Scala Contarini del Bovolo

Spontan, sportlich, abenteuerlustig. Stefan und ich dagegen winken lässig von unten. Nicht aus Faulheit – sondern aus Erfahrung. Wir waren letztes Jahr schon oben, haben den Blick, die Fotos, das gute Gefühl, es gemacht zu haben – also wählen wir diesmal die entspannte Version: den italienischen Klassiker. Espresso. Mit Beilage.

Wir schlendern gemütlich weiter zum Campo San Luca, einem dieser lebendigen Plätze, an denen Touristen und Einheimische wie selbstverständlich nebeneinander existieren, ohne sich gegenseitig zu sehr zu stören. Wir finden ein kleines Café mit Innenplätzen – ein Glücksgriff.

Drinnen duftet es nach frisch gemahlenem Kaffee und Marzipan, draußen nach Kamera-Akkus am Limit. Ein schneller Espresso für die einen, ein süßer Cannolo für uns.

Caffè alla città di Torino

Wir beobachten das Kommen und Gehen, auf der einen Seite gehetzten Touristen mit Zeitdruck im Blick und auf der anderen Venezianer mit dieser tiefen inneren Ruhe, die man wohl nur hat, wenn man in einer Stadt wohnt, die pro Tag 500 Selfiesticks verkraften muss.

Rund 40 Minuten später stößt der Rest der Familie wieder zu uns. Fröhlich, leicht verschwitzt, aber mit tollen Fotos vom Bovolo-Blick. Gut, dass wir Standorte teilen. Dank moderner Technik wissen unsere iPhones immer, wo der andere gerade steckt – Familienzusammenführung auf digitalem Weg.

Die Renaissance trifft GPS. Und alles passt.

Weiter geht’s – Ziel: die Rialtobrücke.

Einmal quer durch das venezianische Gassengewirr, vorbei an kleinen Boutiquen, Maskengeschäften, Fenstern mit Wäscheleinen und Einheimischen, die sich im Slalom durch die Touristengruppen bewegen, als hätten sie ein eingebautes Navigationssystem.

Die Brücke kündigt sich nicht etwa langsam an – sie springt einem ins Auge. Ein stattliches Bauwerk, steinern, elegant, mit Bögen und Treppen – die Diva unter den Brücken, und sie weiß das auch. Die Ponte di Rialto ist nicht einfach irgendein Übergang über den Canal Grande – sie ist Bühne, Aussichtspunkt, Laufsteg und Fotokulisse in einem.

Ponte di Rialto

Und natürlich stürzen wir uns ins Getümmel.

Oben angekommen: Klick.
Rechts runter: Klick.
Links runter: Klick.
Kinder, Oma, Papa, Selfie mit Brücke – Klick, Klick, Klick.

Wir machen eine gefühlte Million Fotos, und zwar aus jeder nur denkbaren Perspektive. Von unten – romantisch und mit Gondel im Bild. Von oben – mit Canal Grande als glitzerndem Band im Hintergrund. Von der Seite – leicht schief, aber charmant. Und natürlich auch die obligatorischen: „Halt mal den Rucksack, ich brauch beide Hände für den Zoom“-Shots.

Dann geht’s zum Vaporetto-Schalter, gleich in der Nähe – dort, wo die Schlangen nie ganz kurz, aber immer irgendwie geordnet sind. Wir kaufen uns Tagestickets für die Wassertaxis.

Nicht gerade ein Schnäppchen – 29 Euro für jeden aus der Truppe, abgesehen von Emilia, die auch hier wieder gratis mitdarf, weil sie mit ihren vier Jahren so tut, als hätte sie noch nie etwas anderes getan, als durch Venedig zu cruisen.

Aber was soll’s – öffentlicher Nahverkehr mit Aussicht darf ruhig ein bisschen kosten. Das ist schließlich keine U-Bahn, das ist Venedig. Hier schaukelt der Weg zum Ziel. Und manchmal ist genau das das Schönste. Wir halten die Tickets in der Hand, machen noch ein paar finale Brückenbilder (man weiß ja nie, ob eins besser wird als das letzte), und dann – weiter geht’s, auf zu San Marco.

Denn wenn man schon in Venedig ist, will man schließlich auch ganz nach oben. Und zwar im wahrsten Sinne.

Rialto Ticket Terminal

Nachdem wir die Rialtobrücke nun wirklich aus allen erdenklichen Perspektiven dokumentiert haben – und sie uns wahrscheinlich auch – machen wir uns auf den Weg zur Vaporetto-Haltestelle.

Dafür überqueren wir die Brücke ein zweites Mal, diesmal in die andere Richtung, was in einer Familie mit zwei Kindern automatisch bedeutet, dass jemand die Laufrichtung kommentiert, jemand anderes plötzlich Hunger bekommt und der Rest schon mit dem nächsten Ziel beschäftigt ist.

Zunächst geht es an den Restaurants entlang, die sich eng an den Canal Grande schmiegen, mit Speisekarten in sieben Sprachen, gestikulierenden Kellnern und Preisen, bei denen selbst die Pasta ein bisschen rot wird.

Dann verlassen wir das touristische Bühnenbild – biegen ab in eine Gasse, die sich fast wie ein Servicegang hinter dem Postkartenmotiv anfühlt. Keine Tische mehr, keine Kellner, dafür Wäscheleinen, Rollcontainer und steinerne Durchgänge, die einem das Gefühl geben, man sei versehentlich in die kulinarische Nebenzentrale von Venedig geraten.

Campo Silvestro

Und dann – wie aus dem Nichts – liegt sie plötzlich vor uns: die Haltestelle S. Silvestro. Unscheinbar, ein bisschen geheimnisvoll, definitiv nicht der Ort, an dem man große Reisegruppen trifft. Eher wie die Hintertür zur Lagune. Und genau das macht sie so wunderbar.

Wir steigen in die Linie 1 ein, setzen uns ans Fenster – und schon tuckern wir los, mitten hinein in das vibrierende Venedig. Vorbei an Fassaden, die Geschichten erzählen könnten, an Gondeln, die wie auf Schienen gleiten, und an Hotels, die aussehen wie stillgelegte Paläste mit Zimmerservice.

Das Wasser glitzert zaghaft – als wollte es sich auch erstmal an den Tag gewöhnen. Unser Ziel: der Campanile di San Marco. Zwischen 11:30 und 12:00 Uhr dürfen wir hoch – wir haben Tickets für die Aussichtsplattform.

Wir sind pünktlich. Und wir haben: „Skip the Line“-Tickets. Der Zauberspruch für alle, die mit Kindern reisen – oder einfach keine Lust haben, sich in eine Schlange einzureihen, die aussieht wie eine Gruppentherapie für Selfiestick-Süchtige. Ein kurzer Scan, ein höfliches „Prego“ – und schon stehen wir im Aufzug.

Knapp 60 Sekunden später öffnet sich die Tür – und wir treten hinaus auf die Plattform des Campanile di San Marco.

Aussicht vom Campanile San Marco

Und dann ist er da – dieser Moment, der einen kurz still werden lässt. Auch die Kinder. Zumindest für sieben Sekunden. Die Aussicht ist… Venezia pur. Tief unter uns breitet sich die Stadt wie ein kompliziert geflochtener Teppich aus.

Dächer in warmen Rottönen, Hausfassaden in allen denkbaren Nuancen von Ocker, Beige und Verwittert, dazwischen die glänzenden Bänder der Kanäle, über die sich Brücken wölben wie Schleifen auf einem Geschenk.

Die Piazza San Marco liegt uns zu Füßen, übersät mit Menschen, die aussehen wie Playmobilfiguren mit Sonnenbrille. Das Wetter? Nun ja – die Sonne lässt sich weiterhin bitten. Aber die Wolken haben sich gelockert, wirken weniger bedrohlich und eher wie dekorative Dunstwolken, die jemand für den dramatischen Effekt bestellt hat. Das Licht ist sanft, fast filmisch, und irgendwie passt es zur Stimmung.

Kein grelles Postkartenblau – sondern dieser weiche Venedig-Grauton, der alles wie durch einen Filter wirken lässt. Noah lehnt sich ans Geländer, kneift die Augen zusammen und zeigt plötzlich auf ein Gebäude in der Ferne. „Da! Da war ich heute! Da oben!“ Er meint die Scala Contarini del Bovolo – sein persönlicher Aussichtspunkt vom Vormittag.

Und tatsächlich: die kleine, schneckenförmige Treppe ist von hier oben gut zu erkennen. Ein echtes Highlight für ihn – und für uns ein stiller „Wow“-Moment, weil man merkt, wie selbst die Kleinen anfangen, sich in dieser Stadt zu orientieren.

Wir umrunden die Plattform langsam, machen Fotos, zeigen einander Sehenswürdigkeiten wie Fundstücke einer Schatzsuche. Emilia zählt die Boote unten auf dem Wasser, Nadine entdeckt ein winziges Café, das sie später „vielleicht“ noch besuchen möchte, und ich halte einen Moment lang einfach nur inne – und schaue. Denn genau das ist es, was der Campanile kann: Die Stadt in Ruhe betrachten, ohne in ihr verloren zu gehen.

Wieder unten, zurück auf normalem Bodenniveau – zumindest geographisch, nicht stimmungsmäßig – schlängeln wir uns durch Venedigs Gassen. Eng, enger, venezianisch.

Manche Durchgänge wirken wie für Zwerge gebaut, manche Brücken wie spontane Einfälle aus einem Traum von Escher – aber wir finden unseren Weg. Über Brücken, unter Bögen, an Wäscheleinen vorbei, die wie bunte Girlanden zwischen den Häusern hängen. Die Gassen sind voll – und unser Magen bald leer. Der Hunger meldet sich.

Und mit ihm der Wunsch nach einem Tisch, einer Speisekarte und einer Portion italienischer Magie, die nicht aus der Tiefkühltruhe kommt.

Ristorante La Serenissima

Wir landen in einem kleinen Restaurant, das Stefan und ich schon im November entdeckt hatten – damals fast zufällig, als wir vor dem Regen flüchteten und dann vom Essen überrascht wurden.

Ein Geheimtipp, der immer noch einer ist, obwohl inzwischen auch andere darauf gekommen sind.

Die Preise? Ein Traum für Venedig. Drei Gänge für 16,50 Euro – oder 19,50 mit Fisch. Kein Touristennepp, kein Trick mit verstecktem Coperto-Aufschlag. Einfach gutes Essen.

Oli entscheidet sich natürlich für die Fischvariante – Stefan, Nadine und ich bleiben beim Klassiker – Vorspeise, Pasta, Nachspeise – ohne Schnickschnack, aber mit viel Geschmack.

Die Kinder? Teilen sich eine große Portion Penne al Pomodoro. Ein Teller. Zwei Löffel. Und ganz viel Tomatensauce im Gesicht. Das Essen ist genau das, was man in Venedig kaum erwartet – einfach, frisch, italienisch.

Keine überinszenierte Deko, keine Basilikumblätter in Kreuzform. Nur gute Pasta, knuspriges Brot, hausgemachte Nachspeisen und ein Kellner, der aussieht, als wäre er seit 30 Jahren nicht aus diesem Restaurant rausgegangen. Wir essen. Wir genießen.

Stefan beschließt: Für heute reicht’s. Sein Bein hält durch, aber man muss es ja nicht gleich provozieren. Ein bisschen Sightseeing ist schön – zu viel Sightseeing mit angeschlagenem Bein ist… na ja, ungefähr so sinnvoll wie High Heels auf Kopfsteinpflaster.

Er verabschiedet sich aus der Gruppe, schnappt sich sein Vaporetto-Tagesticket – und schippert los. Kreuz und quer über den Canal Grande. Vom einen Ufer zum anderen, von San Marco bis zur Ferrovia und zurück, ganz in seinem Tempo mit Kamera und Canal-Gefühl. Er nennt das „aktive Regeneration“. Ich nenne es: die stilvollste Art, sich auszuruhen, die man in dieser Stadt haben kann.

Libreria Acqua Alta

Meanwhile – der Rest der Truppe zieht weiter. Nächstes Ziel: die sagenumwobene Libreria Acqua Alta. Ein Buchladen, wie ihn nur Venedig hervorbringen kann – halb Literaturtempel, halb Lagunen-Labyrinth, durchzogen von einem Hauch Piratenschiff.

Bücher stapeln sich in alten Badewannen, in Gondeln, auf Stühlen, in rostigen Einkaufskörben – und vermutlich auch auf jeder verfügbaren horizontalen Fläche. Und mittendrin: eine Treppe aus alten Atlanten, die tatsächlich direkt zur Lagune führt. Kein Witz – ein echtes Bücherbauwerk mit Aussicht. Wie gemacht für Fotos und das Gefühl, gerade einen geheimen Ort entdeckt zu haben.

Es riecht nach Papier, Wasser und Geschichten. Noah und Emilia sind begeistert. Nicht vom Lesen – sondern von der Tatsache, dass man hier zwischen den Bücherstapeln herumstöbern und sich fast wie in einem Suchbild fühlen darf. Keine Absperrungen, keine Warnschilder – nur Staunen und ein freundliches Maß an Chaos.

Anschließend gönnen wir uns einen kurzen Zwischenstopp im Hard Rock Café – gleich beim Markusplatz. Drinnen: klimatisiert, musikalisch beschallt, dekoriert mit Gitarren, signierten Drumsticks und Erinnerungsstücken aus der Rock-Geschichte.

Draußen: Venedig. In Gold. Denn das Wetter hat sich inzwischen vom melancholischen Grau des Vormittags in reines Postkartenlicht verwandelt. Die Wolken haben sich verflüchtigt, als hätten sie sich spontan für eine Mittagspause verzogen, und die Sonne legt einen warmen Schimmer über den gesamten Markusplatz.

Und da steht man nun – auf diesem riesigen Platz, von dem man denkt, man hätte ihn schon tausendmal auf Bildern gesehen, nur um dann festzustellen: Live ist er einfach größer, glänzender, ehrfurchtgebietender.

Der Campanile erhebt sich wie ein ruhiger Wächter über dem Trubel, die Marmorverzierungen der Basilica di San Marco schimmern in cremeweißem Licht, die Mosaiken flackern golden in der Sonne, und alles wirkt irgendwie feierlich – auch wenn rundherum Kameras klicken.

Piazza San Marco

Die Möwen tanzen wie bestellt – sie fliegen auf, landen, posieren, als hätten sie Verträge mit den Reiseveranstaltern. Und die Touristen? Stehen staunend da, suchen den perfekten Fotowinkel und merken irgendwann, dass es diesen Platz gar nicht aus nur einem Blickwinkel gibt. Wir machen Fotos. Natürlich. Von uns auf dem Platz. Vom Platz mit uns. Vom Campanile. Vom himmlischen Lichtspiel an der Basilika.

Piazza San Marco

Und – nicht zu vergessen – vom berühmtesten Kaffeehaus Italiens: dem Caffè Florian. Gegründet 1720. Ein lebendiges Museum aus Marmor, Spiegeln und Kellnern in weißem Jackett.

Wer hier sitzt, trinkt nicht nur Kaffee, sondern auch Geschichte – serviert mit Live-Musik, Porzellantasse und einer Portion Extravaganz. Aber für uns bleibt es bei der Außenbewunderung.

Besuchsstatus: “Nur gucken, nicht setzen”. Denn: Ein Espresso kostet hier so viel wie ein gebrauchter Fiat Panda mit Sitzheizung und TÜV. Wir begnügen uns mit Fotos – und einem anerkennenden Nicken. „Wow. Ist das schön.“ Reicht manchmal ja auch.

Dann ziehen wir weiter – Richtung Riva degli Schiavoni.

Vorbei am Dogenpalast, wo jeder Stein nach Macht, Masken und Markuslöwen riecht, und weiter zur Seufzerbrücke. Der Klassiker unter den venezianischen Fotomotiven. Ein bisschen geheimnisvoll, ein bisschen tragisch, und vor allem: herrlich dramatisch in Szene gesetzt.

Natürlich machen wir auch hier unsere Fotos – mit Brücke, mit Wasser, mit leicht geneigtem Kopf für das volle „Ich-seufze-innen-mit“-Gefühl.

Ponte dei Sospiri

Ein Vaporetto bringt uns zurück zur Ponte Rialto. Denn – kleine Überraschung am Rande – genau dort gibt’s ein zweites Hard Rock Café. Weil: klar.

Venedig ist eben nicht nur Stadt der Brücken und Gondeln, sondern auch der Band-Shirts, limitierter Magneten-Editionen und Drumsticks mit Sammlerwert. Und wir sind ja auf Familienreise – da kann man nie genug Erinnerungen zum Anfassen (oder Anziehen) mitnehmen.

Es ist 16 Uhr – und die Kinder haben inzwischen Venedig ziemlich satt. Nach Kanälen, Gassen, Vaporetto-Fahrten und Gelato-Achterbahnen ist die magische Grenze erreicht, an der ein Spielplatz plötzlich spannender klingt als jede Piazza.

Also treffe ich eine Entscheidung – und gebe Oli und Nadine den Rest des Tages frei. Elternauszeit. Ein bisschen treiben lassen, noch einen Cappuccino im Stehen trinken oder ein Kleidungsstück kaufen, das nicht aus Baumwolle und Tomatensoße besteht.

Ich übernehme die Rückreise mit den beiden kleinen Venedig-Abenteurern. Wir nehmen ein Vaporetto zur Accademia, steigen dort aus und laufen den kurzen Weg zur Anlegestelle Zattere.

Und da steht er auch schon: Stefan. Zurück von seiner stilvollen Solotour über den Canal Grande. Mit diesem zufriedenen Blick, den nur jemand hat, der eine Stunde lang in aller Ruhe durch Venedig geschippert ist, während andere sich durch Menschenmengen navigierten.

Er hat jetzt nicht nur mehr Fotos vom Wasser als wir von Land, sondern auch eine neue Vaporetto-Expertise.

Um 17:30 Uhr besteigen wir gemeinsam die Fähre zurück zum Campingplatz – 30 Minuten über die Lagune, mit müden Beinen, vollem Speicherplatz auf dem Handy und einem sanften Wind im Gesicht. Ankommen fühlt sich an wie ausatmen.

Zurück auf dem Campingplatz gönnen Stefan und ich uns ein Abendessen im Restaurant direkt auf dem Gelände. Und das ist nicht nur gut – das ist richtig gut. Unaufgeregt, ehrlich, mit regionaler Küche und einem Service, der nicht fragt, ob alles recht ist, sondern einfach alles recht macht.

Campimg Fusina

Die Kinder? Verschwinden zwischen den zwei Spielplätzen. Noah entdeckt sofort das Klettergerüst, Emilia flitzt wie ein Wirbelwind zur Rutsche. Und dann – die große Wiedersehens-Überraschung: Matilda!

Ihre Spielplatz-Freundin vom Gardasee ist auch hier. Freudenschreie. Umarmungen. Staunen. Glück pur. Und für uns: Ruhe. Denn zufriedene Kinder = entspannte Erwachsene. Eine einfache Rechnung, die auf Campingplätzen erstaunlich oft aufgeht.

Zwei Stunden später treffen auch Oli und Nadine wieder am Campingplatz ein. Venedig bis zur letzten Fähre – wenn schon, denn schon. Sie haben das Lagunenlicht bis zum letzten Sonnenstrahl ausgekostet, sind durch die abendlichen Gassen geschlendert, haben noch ein paar Souvenirs eingesammelt und sich dabei vermutlich ein weiteres Paar Füße geliehen – so viel sind sie heute gelaufen.

Erschöpft, aber glücklich kehren auch sie noch in die Campingplatz-Pizzeria ein. Pizza geht immer – besonders nach einem Tag, der mehr Stufen hatte als ein durchschnittliches Fitnessprogramm.

Irgendwann – gut genährt und mit dem letzten Espresso des Tages intus – sammeln sie die Kinder auf dem Spielplatz ein und bringen sie zurück zum Camper, wo Noah und Emilia erstaunlich wach wirken… aber nur noch für exakt sieben Minuten. Duschen. Zähne putzen. Camperlichter aus.

Gute Nacht, Campingplatz. Gute Nacht, Venedig. Ein langer Tag endet leise – mit müden Beinen, vollen Speicherkarten und dem leisen Wissen: Das war besonders.

Warum Camping mit Kindern einfach unschlagbar ist

Man braucht keinen Kinderclub, keinen Pool mit Rutsche und keinen Animateur auf Speed – aber es schadet auch nicht.

Campingplätze bieten alles, was Kinder wirklich brauchen: Platz, Freiheit, andere Kinder. Und das Beste: Die Sprache ist völlig egal. Ein Ball, ein Roller, ein kurzer Blick – und schon wird zusammen gespielt, gelacht und gerannt. Sprachbarrieren? Gelten höchstens für Erwachsene.

Natürlich gibt es Campingplätze mit Mini-Club, Kinderdisco, Bastelprogramm und Betreuungsplan – das volle Ferienpaket.

Aber auch auf den kleinen, überschaubaren Plätzen mit einem leicht schiefen Klettergerüst und einer Rutsche von 1993 passiert etwas Wundersames: Kinder finden Anschluss. Schnell. Ganz von selbst.

Und während die Kinder springen, rennen, buddeln oder Rollerturniere veranstalten, sitzen die Eltern – oder Großeltern – mit einem Kaffee (oder Bier) daneben und denken sich: „Ach, so kann Urlaub also auch sein.“

Keine nervige Parkplatzsuche, kein Stadtverkehr, keine hektische Straßenüberquerung mit Keks in der einen und Kind in der anderen Hand. Auf dem Campingplatz ist alles übersichtlich. Sicher. Frei.

Man lässt die Kinder einfach los – und die kommen irgendwann wieder. Meistens hungrig. Und glücklich.

Und das Beste: Wenn die Kinder zufrieden sind, haben die Erwachsenen endlich das, was sie im Alltag ständig suchen – aber kaum finden: Ruhe.

Win-Win. Ganz einfach.

Venedig – unser Fazit zwischen Lagune und Lächeln

Für Stefan und mich war es inzwischen der dritte Besuch innerhalb von zwölf Monaten. Und ja – wir geben es zu: Wir sind Wiederholungstäter. Denn Venedig hat diese unwiderstehliche Mischung aus Patina und Poesie, Menschenmassen und Magie, Espresso und Entschleunigung.

Man sieht jedes Mal etwas anderes. Man läuft sich die Füße rund – und denkt beim Heimkommen: „Da müssen wir unbedingt wieder hin.“

Für Nadine, Oli, Noah und Emilia war es das allererste Mal. Der erste Blick auf die Kanäle. Die erste Fahrt im Vaporetto. Die ersten hundert Fotos von der Rialtobrücke. Der erste Blick vom Campanile, der erste Fuß auf den Markusplatz. Der erste Gelato-Klecks auf dem T-Shirt. Kurz gesagt: Venedig in der vollen Dosis.

Und wie war’s?
Die Augen haben geleuchtet. Die Füße haben gequalmt. Und die iPhones mussten abends in die Notladung – weil jeder von uns die Speicherkarte quasi vollgeatmet hat. Venedig verzaubert. Punkt.

Weil es eine Stadt ist, die alles anders macht. Keine Autos, keine Fahrräder – sogar Kinderwagen sind hier selten. Denn mal ehrlich: Wer will die schon Dutzende Male über Brücken hieven?

Dreimal Venedig in einem Jahr? Warum nicht. Einmal mit der ganzen Familie. Einmal allein mit der Kamera. Einmal vier Tage am Stück, inklusive Abstecher nach Murano und Burano.

Und jedes Mal: einfach toll.

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