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Touchdown in Vegas, Weiterfahrt nach Utah
Roadtrip, wir sind bereit!

Guten Morgen, Frankfurt!

Der Tag begann, wie ein Urlaubstag beginnen sollte:  mit einem Frühstück, das mehr nach „First Class“ als nach Kellerzimmer roch.  Croissants, frische Früchte, Rührei in Perfektion – und jede Menge Kaffee.  Weil Urlaub. Weil Frühmorgen. Weil: warum eigentlich nicht?

Gegen 9 Uhr hieß es dann: Abschied vom Goethe-Hotel und zurück zum Flughafen. Unser kleiner Mietwagen, der uns gestern noch heldenhaft durch Frankfurts Straßenschluchten getragen hatte, wurde brav abgeliefert –  unfallfrei, trotz irritierender Einbahnstraßen und einer Navi-Stimme mit Orientierungsschwäche.

Der Check-in?  Ein Spaziergang in der Businesswelt des Economy-Touristen.  Dank Priority Package flutschten wir durch den Flughafen wie VIPs auf Kaffeefahrt. Während andere sich noch damit beschäftigten, Zahnpasta in 100-ml-Rationen umzuschütten und Schuhe mit Doppelknoten zu entwirren,  waren wir schon durch – mit Jacke, Gürtel und Würde.

Und Corona?  Nicht vorhanden.  Zumindest nicht sichtbar. Keine Masken, keine Panik, keine hektisch desinfizierten Oberflächen.  Es war fast wie immer.  Vielleicht einen Tick leerer als sonst – aber ganz ehrlich:  Weniger Menschen, mehr Platz – wer beschwert sich da?

Boeing 737-600 – Ready for boarding

Der Flug selbst?  Völlig unspektakulär – und das war genau das Spektakuläre daran.  Keine Turbulenzen, keine schreienden Kinder, keine umfallenden Tomatensaftbecher. Einfach nur stundenlanges Dahingleiten über dem Atlantik, begleitet vom leisen Brummen der Triebwerke und dem unverkennbaren Duft aufgewärmter Bordverpflegung.

Condor mag es bunt

Zweimal Essen gab’s auch – und es war sogar essbar.  Zumindest wenn man die Erwartungen vorsichtig unterhalb der Gourmet-Schwelle ansetzt. Irgendwas mit Hühnchen, irgendwas mit Pasta, dazu ein Mini-Brötchen in der Konsistenz von Schaumgummi und ein Dessert im Becher, bei dem man hofft, dass der Löffel nicht steckenbleibt.

Dazwischen:  Hollywood-Blockbuster am Sitzbildschirm  – die großen Klassiker des Bordkinos. Action, Romantik, und irgendein Animationsfilm mit sprechenden Tieren, den ich eigentlich nur aus Langeweile durchgespult habe, aber dann doch zu Ende sehen musste.  So verfliegen selbst zwölf Stunden irgendwie.

Chicken or Pasta? Pasta!

Und während draußen nichts als Wolken und Ozean zu sehen war,  begann sich im Kopf ein Bild zusammenzusetzen : Neonlichter, schrille Kostüme, der Geruch von Klimaanlagen und teurem Parfum.  Da draußen wartete Las Vegas. Und man spürte es – wie eine Art elektrisches Knistern zwischen Bordmenü und Sicherheitskarte.

Unter uns: Grönland

Und dann, endlich: Touchdown.  McCarran International Airport, Las Vegas. Schon beim Aussteigen empfing uns dieser ganz besondere Mix aus Kunstlicht, Klimaanlage und einem Hauch Absurdität. Überall blinkte es, piepste es, funkelte es –  die ersten Slotmaschinen direkt am Gate , bereit für diejenigen, die ihr Reisebudget schon vor dem Kofferband riskieren wollen.

Die Stadt schlief nicht – auch nicht am Nachmittag.  Selbst die Gepäckausgabe wirkte wie eine Nebenbühne in einem überdrehten Theaterstück. Und trotzdem war da dieses Gefühl, das man nur schwer beschreiben kann:  Wir sind da. In der Stadt, in der alles möglich scheint – auch das Unmögliche.

Las Vegas, Baby.  Du bist laut, du bist verrückt, du bist komplett überdreht – und genau deshalb sind wir hier. Es war der Auftakt zu einer Reise, die garantiert kein normales Urlaubstagebuch füllen würde.  Jetzt wird’s ernst.

Es hätte ein glatter Start werden können – wären da nicht plötzlich all diese anderen Menschen gewesen, die offenbar genau denselben Plan hatten:  in die USA einreisen.  Unser Flieger schien der einzige zu sein, der gerade abgefertigt wurde, und trotzdem hatte sich am Einreiseschalter eine  Schlange gebildet, die bequem bis zum Grand Canyon gereicht hätte  – zumindest gefühlt. Ich wunderte mich, dass die praktischen Self-Check-in-Kioske verschwunden waren. Also fragte ich eine Flughafenmitarbeiterin, was da los sei. Ihre Antwort kam trocken: „Wegen der derzeitigen Situation wurden sie weggeräumt.“ Ach so. Die  derzeitige Situation.  Dieser Satz sollte in den kommenden Tagen noch oft fallen –  wie ein Running Gag ohne Pointe.

Nach knapp 45 Minuten war es endlich geschafft.  Keine Temperaturmessung, keine Fragen, keine Scanner mit Stirnthermometerfunktion.  Einfach nur: Stempel, weitergehen, willkommen zurück. Wir waren offiziell wieder in den Vereinigten Staaten – und  die Vorfreude war jetzt nicht mehr nur spürbar, sie war elektrisierend.

McCarran Welcome Sign

Wochenlang hatten wir diesen Trip geplant. Karten studiert, Unterkünfte ausgesucht, Packlisten optimiert (und dann ignoriert), Mietwagenpreise verglichen und uns auf  zwei Wochen voller Roadtrip, Sonne, Slot Canyons und Shopping eingestellt.  Und nun standen wir mittendrin. Fast.

Dank unseres Priority-Packages konnten wir als Erste unser Gepäck vom Band pflücken – und  verließen erwartungsvoll das Flughafengebäude.  Normalerweise wird man dort von einer Kakophonie aus Busmotoren, Limousinenhupe und Taxirufen empfangen. Dieses Mal?  Stille. Gähnende Leere. Kein Gewusel. Keine Menschenseele.

Ein kurzer Moment der Irritation. Ein längerer Moment der Verwunderung. Dann der Versuch, es sich schönzureden: „Vielleicht… ist das einfach der Jetlag? Oder ein Feiertag? Oder… tja… Corona?“ Aber das war doch weit weg. China. Irgendwas mit Märkten und Fledermäusen.  Nicht hier. Nicht in Vegas.  Und wenn doch – vielleicht war es ja gar nicht so schlimm. Vielleicht waren die Sehenswürdigkeiten jetzt einfach  nur angenehm leer.

Rent-A-Car-Bus

Also:  Abenteuer-Modus aktiviert.  Wir warteten zehn Minuten auf den Shuttle-Bus, der uns zum Rental Car Center bringen sollte – und nochmal zehn Minuten später waren wir endlich da. Dank unseres „Skip-the-Counter“-Tickets konnten wir direkt zum Alamo-Parkplatz marschieren.  Kein Schalter, kein Warten, keine Verkaufstricks mit Upgrade-Charmeoffensive. Eine freundliche Mitarbeiterin winkte uns in Richtung „SUV-Reihe“, wo – laut Theorie – eine Auswahl bereitstehen sollte.  In der Praxis standen da zwar Autos, aber keine „echten“ 4×4. Nur AWDs.

Für Normalreisende ein Detail. Für uns:  ein Problem. Denn wir gehören zu der Sorte Urlauber, die sich nicht mit befestigten Straßen zufriedengibt.  Wenn es irgendwo einen sandigen Trampelpfad mit ungewisser Ausfahrt gibt, sind wir drauf und dran, ihn zu nehmen.  Und dabei wollen wir  ein Auto, das nicht gleich weint, wenn der Asphalt aufhört.

Also begann ich, charmant zu jammern – in der speziellen Tonlage, die irgendwo zwischen „Not“ und „Bestechung mit einem Lächeln“ liegt. Und siehe da:  Für ein diskretes 20-Dollar-Trinkgeld  (das in dieser Situation einem Zauberstab gleichkam) zauberte uns die Alamo-Mitarbeiterin  einen Jeep Compass von National herbei.

Top ausgestattet, fast neu, 2.000 Meilen auf dem Tacho, bereit für alles.  Und – ganz wichtig –  echter 4×4.  Wir strahlten wie Kinder mit einem neuen Fahrrad, nur dass dieses Rad Allrad hatte und Klimaanlage. Der Urlaub konnte beginnen.  Und Vegas? Mach dich bereit. Deine Asphaltstraßen reichen uns nicht – wir sind bereit für die Schotterpisten.

Jeep Compass 2020

Punkt 18 Uhr rollten wir unseren Jeep aus dem Parkhaus.  Zwei Mal rechts, und schon waren wir mittendrin –  auf dem Las Vegas Boulevard.  Es war noch früh am Abend, die große Glitzer-Show hatte gerade erst ihre Lichter eingeschaltet. Ein paar vereinzelte Touristen zogen ihre Rollkoffer über den Bordstein, als wären sie gerade erst gelandet oder auf der Flucht – man weiß es bei Vegas nie so genau.

Und wir mittendrin – kurz da, und doch gleich wieder weg.  Denn Las Vegas ist für uns mehr als nur eine schrille Spielhölle im Wüstenstaub –  es ist unser klassischer Startpunkt.  Unser Drehkreuz ins Abenteuer. Von hier aus ist alles möglich:  Pazifik, Plateaus, Pisten.

Las Vegas

Wir fuhren bis zur Flamingo Avenue, blickten ein letztes Mal auf die flackernden Neonbuchstaben, die gigantischen Fassaden und das überlebensgroße Elvis-Imitat auf dem Werbeplakat –  und dann hieß es: Bye, bye Las Vegas.  Nur auf Zeit, versteht sich. In einer Woche würden wir wiederkommen – und diesmal mit Glanz und Glitter im Gepäck.

Heute aber ging’s  in eine andere Richtung: Richtung St. George, Utah.  Unserem heimlichen Favoriten, dem  Herzensstaat im Südwesten.  Dass wir nicht gleich in Vegas geblieben sind, hatte einen simplen Grund:  die Hotelpreise.  Seit Monaten auf einem Niveau, das vermuten lässt, dass man für eine Nacht auch die Rezeption heiraten muss. Also: Weiterfahren.  Der Westen ist groß – und Utah lockt.

Wir rauschten über die I-15 nach Norden, ließen die Stadtlichter im Rückspiegel tanzen und  tauchten ein in die Wüste, in diese endlosen Weiten, die zwischen Sonnenuntergang und Mondaufgang plötzlich ganz still werden.

Der Virgin River Canyon war wieder einmal ein Traum.  Diese Felsformationen, als hätte jemand rot glühende Wellen in Stein gegossen. Und dazu der erste Hauch Freiheit, dieser typische Southwest-Vibe,  der sich wie ein Roadtrip-Soundtrack durchs offene Fenster legt.

Virgin River Gorge (I15)

Nach zwei Stunden Fahrt – und dank Zeitverschiebung sogar drei Stunden auf der Uhr –  rollten wir um 21 Uhr in St. George ein.  Und ja:  Diese Stadt ist einfach zauberhaft.  Zwischen roten Felsen, weißen Tempeltürmchen und gepflegten Vorgärten liegt dieser Ort da wie gemalt. Elegant, entspannt, fast schon ein bisschen zu perfekt, um echt zu sein.

Unser Motel? Ohne Frühstück, aber mit Absicht.  Günstig, gut gelegen, und ehrlich gesagt:  Was soll man mit einem Motelfrühstück, wenn der Jetlag einen sowieso um fünf Uhr wachrüttelt?  In der Zeit, in der andere mit Cornflakes kämpfen,  sind wir schon unterwegs – irgendwo zwischen Sandstein und Sonnenaufgang.

Claridge Inn, St. George

Direkt gegenüber unseres Motels – dem Claridge Inn – wartete die perfekte Kombi auf hungrige Reisende mit Jetlag und Amerika-Liebe:  ein  Black Bear Diner  für’s Abendessen und ein Denny’s für’s Frühstück.  Besser hätte man’s nicht planen können. Also: kurzer Check-in, einmal durchs Zimmer gewunken (funktional, sauber, Motel eben) – und schon zogen wir los.  Der Magen knurrte und der Bär wartete.

Claridge Inn

Im Black Bear Diner empfing uns dieser typisch rustikale Hüttenchic: viel Holz, viele Bären, noch mehr Kalorien.  Burger, Meatloaf, Pancakes auf der Abendkarte – alles größer als nötig, aber genau richtig.  Wir genossen das Essen wie man es nach einem langen Reisetag eben tut: zufrieden, satt, ein bisschen verklärt vom Reiz der roten Felsen, die draußen in der Dunkelheit lauerten.

Black Bear Diner

Doch der Abend war noch jung – zumindest laut Körperuhr. Also fuhren wir  noch schnell zu Walmart, nur „für Getränke“.  Was folgte, war der klassische Fehler: „Nur mal kurz schauen“.

Und schon standen wir eine Stunde später mit einem halben Einkaufswagen voller Wasserflaschen, Trail Mix, einem Dosenöffner für zu Hause, Reisesnacks und – man glaubt es kaum –  einem Rentier mit Glitzergeweih , das irgendwie zwischen Osterhasen und Campingbedarf in Stefans Sichtfeld geraten war.  „Weihnachtsdeko? Im März?“  fragte er kopfschüttelnd, während ich das Ding schon innerlich in unser Wohnzimmer stellte. Aber hey –  man muss vorbereitet sein.

Um 22:30 Uhr rollten wir wieder auf den Motelparkplatz.  Müde, satt, zufrieden – und mit dem Gefühl, dass der Roadtrip jetzt so richtig losgehen konnte.  Die Straßen lagen vor uns, die Vorräte im Kofferraum, und die Abenteuerlust war größer als jedes Motelkissen. Und wir hatten Weihnachtsdeko! Weil wichtig!

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